Freitag, 12. Februar 2016

Begegnungen * 3 Marlene und Bert Frisch





Ein Platz zum Träumen: Marlene und Bert Frisch unter der Weltkarte

Marlene und Bert Frisch sind mir erstmals begegnet, als ich trotz Glatteis und Schneetreiben nach Bentwisch gefahren bin, um mir ihren Multi Media Vortrag über deren Atlantikquerung anzuhören, anzusehen. Nachdem ich sie einmal kennengelernt hatte, begegneten sie mir immer häufiger.  Mehrmals konnte ich Bert und Marlene für Vorträge vor der Freiburger Seglervereinigung gewinnen. Marlene moderierte irgendwann die Verleihung des „Goldenen Hechtes“ und ließ sich in den  Vorstand der AG Osteland wählen. Je länger ich die beiden kannte, desto beeindruckter war ich von ihrem Engagement für ihre neue Heimat. Als ich von der Redaktionsleitung des „Grünen Kalenders“ um Beiträge gebeten wurde, habe ich für den Kalender  2016 Marlene und Bert als „Zugereiste“ in unserer Region  porträtiert.
 
Zugereist! Na und?
Marlene und Bert Frisch – Ein Beispiel gelungener Integration in eine Dorfgemeinschaft



Wer kennt sie nicht, die „Zugereisten“ in seinem Dorf? Es sind die, die oft schon vor Jahrzehnten von irgendwo her aufgetaucht und nun Teil einer fest eingesessenen Gemeinschaft sind.
Manchmal sind sie unscheinbar und kaum jemand weiß etwas von ihnen.  Sie nehmen keinen Einfluss auf das Leben um sie herum, sie werden von ihrer neuen Umgebung wertneutral hingenommen. Anders ist es mit den Neubürgern, die keine Gelegenheit auslassen, ihrem Umfeld mitzuteilen, wie öde es hier ist und was alles an ihrem vorherigen Wohnort viel besser gewesen sei. Das interessiert die Alteingesessenen nicht, verletzt sie eher. Derartiges Verhalten macht eine Integration am neuen Wohnort nahezu unmöglich und führt nicht selten früher oder später zu  einem Fortzug.

Dann gibt es noch eine weitere Gruppe von „Zugereisten“. Sie haben sich ihren neuen Lebensmittelpunkt mit Bedacht gewählt. Oftmals sind sie einem rastlosen Berufs- und/oder Großstadtleben entflohen. Sie schätzen  und genießen, was sie in ihrer neuen Umgebung vorfinden. Ihnen merkt man an, dass sie mit ihrer Entscheidung zufrieden sind, die neue Umgebung macht sie neugierig. Sie wollen die Menschen um sie herum verstehen, die Eigenheiten, Traditionen und die Historie ihrer neuen Heimat kennenlernen. Ihre Neugierde mündet nicht selten in eine aktive Beteiligung an der Gestaltung des sozialen Miteinanders in ihrer neuen Heimat. 
Marlene und Bert Frisch aus dem Ostedörfchen Oberndorf lassen sich uneingeschränkt dieser letzten Gruppe der „Zugereisten“ zuordnen. Bereits 1973 erwarb Bert Frisch gemeinsam mit seinen Eltern sein Oberndorfer  Anwesen direkt am Ostedeich als Wochenenddomizil.  Seit 2008 haben Marlene und Bert Frisch ihren Wohnsitz auf Dauer von Hamburg in das Haus an der Oste verlegt.
  
 

 Der Blick aus der Stube geht über dn Deich auf die Oste

 Mit dem Ausscheiden aus dem aktiven Berufsleben stand für sie fest: Wir verlassen Hamburg, ziehen nach Oberndorf ins Haus, ans Wasser, zum Boot. Das Boot, die Heimkehr VII, ein Kutter von 17 Meter Länge mit zwei Masten, war all die Jahre vorher schon die zweite Heimat von Marlene und Bert. Beide sind dem Wasser, wenn auch auf sehr unterschiedliche Art, von Kindheit an sehr verbunden.

Berts Seekarriere begann mit beträchtlichem Ärger seitens seines Vaters bereits mit 10 Jahren, als er die ausgehängte Wohnzimmertür für einen kleinen Ausflug zu Wasser ließ. Geboren auf der Insel Borkum und später an der Nordseeküste in Varel aufgewachsen, kam er sehr schnell zur Segelei und zu seinem ersten Boot. Wie der aktuelle Schiffsname „Heimkehr VII“ verrät, sollten seinem ersten Schiff im Laufe seines Lebens noch einige weitere folgen.  Den Wehrdienst leistete Frisch selbstverständlich bei der Bundesmarine ab. Der Marine blieb er auch nach der Pflichtzeit neben seinem Beruf als gelernter Werbekaufmann treu. Immer wieder rückte er zu Reserveübungen aus  und darf sich nach etlichen Beförderungen heute Korvettenkapitän der Reserve nennen. (Ich kenne die Fachtermini nicht so, Bert, hier musst du mir noch helfen.)
Marlene ist auf einem Bauernhof an der Aller bei Verden aufgewachsen. Ihre Seekarriere nahm ihren Anfang auf einem Kahn mit Außenbordmotor. Während ihre Altersgenossen mit Moped, Fahrrad oder Auto zur Disco anreisten, nahm sie das Boot. Schon bevor sich die Lebenswege von Bert und Marlene kreuzten, hatte sie Segel-, Surf- und Tauchschein. Außerdem interessierte sie sich für alles, was sich schrauben und schweißen lässt, was sich dreht und mit Motorengeräuschen zu tun hat. All das sind beste Voraussetzungen für ein gemeinsames Leben mit Bert und seinen immer sehr arbeitsintensiven Schiffen. Seit 1989 sind Bert und Marlene – und natürlich (seit 1995) die aktuelle „Heimkehr VII“ -  miteinander verheiratet. Viele Reisen erlebten die drei rund um die Ostsee. Mit der „Heimkehr VII“ haben Marlene und Bert ein sehr zuverlässiges und hochseetaugliches Schiff. Mit immer besserer Ausstattung der „Heimkehr“ reifte langsam der jahrelange Traum nach einer Atlantikquerung auf eigenem Kiel. 2009 war es dann so weit: Das Ehepaar Frisch, bereits seit einigen Monaten frei von beruflichen Verpflichtungen, startete mit seinem Kutter über den Atlantik. 

 

Die Lieblingebeschäftigung der Frischs im Sommer: Mit der Heimkehr in See stechen!
 
Als das Schiff 2011 nach dem Besuch zahlreicher karibischer Inseln und einem Abstecher zur Freiheitsstatue in New York wieder in Oberndorf an der Oste festmachte, konnten Marlene und Bert mit Freude und Stolz auf die Reise ihres Lebens zurückschauen. Ihre wunderschönen Erlebnisse, festgehalten auf vielen Fotos und Videosequenzen, haben  sie in mehreren  exzellent ausgearbeiteten Multimedia Shows in Oberndorf und Freiburg mit ihrer inzwischen begeisterten Fangemeinde geteilt. Eintritt wurde nie verlangt, dafür aber um Spenden für die Kiebitzschule in Oberndorf, die Jugendarbeit der Freiburger Segler oder den Jugendkutter der Oberndorfer Seglergemeinschaft gebeten.

Wer glaubt, dass die beiden Atlantikquerer sich nun von ihren Leistungen und Strapazen im Liegestuhl  erholten, irrt gewaltig. Das würde auch nicht zu ihnen passen. Wer Marlene und Bert bisher noch nicht kannte, konnte sie schon bald kennenlernen. Überall, wo Bürgerinitiative und Bürgerengagement im Dorf und in der Osteregion gefragt waren, brachten  bzw. bringen sie sich ein. „Es ist uns ein Bedürfnis, mit den Menschen um uns herum zu sprechen und mit ihnen gemeinsam ein Umfeld zu gestalten,  in dem auch junge Familien noch Lebensperspektiven finden.“  So fasst Bert Frisch den selbstgestellten Auftrag an seine Frau und sich zusammen.

 

 Der Biomeiler der Kiebitzschule in Oberndorf im Bau

Der jahrelange Kampf um den Erhalt der Grundschule in Oberndorf hat das Dorf zusammengebracht. Dass die Schule am Ende dann, für die meisten  Oberndorfer aus nicht nachvollziehbaren Gründen,   im Sommer 2014 für immer ihre Tore schloss, war auch  für Bert und Marlene  eine bittere Enttäuschung.  Sie hatten viele Stunden  und viel Liebe in Schulprojekte wie den Biomeiler zur  Energieerzeugung, die „Kiwitte“, eine Nachmittagsbetreuung in der Schule für Kinder, deren Eltern berufstätig sind, oder den Aufbau einer Bibliothek investiert. Die „Kiwitte“ und die Bücherei existieren auch ohne Grundschulbetrieb weiter.
 Marlene ist Beisitzerin im Vorstand der weit über die Oste hinaus bekannten  AG Osteland. Die AG Osteland bemüht sich um alle Belange, die für die Menschen beiderseits der Oste von Interesse sind: Natur, Tourismus, Wirtschaft, Kultur, Freizeit,  Traditions- und Heimatpflege, … 

 

Marlene moderiert den Festakt anlässlich der Verleihung des "Goldenen Hechtes"
durch die Arbeitsgemeinschaft Osteland e.V.

 
Zuletzt haben Marlene und Bert Frisch die Broschüre „Ostelotsen“ erstellt. Der „Ostelotse“ gibt Wassersportlern nützliche Tipps für die Befahrung der Oste. Egal ob in Leader Arbeitsgruppen, die sich mit von Brüssel geförderter Projektentwicklung befassen, oder  ob es um die Begleitung des Fusionsprozesses der Samtgemeinden Am Dobrock und Land Hadeln geht: Ohne das Engagement von Frischs geht es nicht.


 Die "Heimkehr" an ihrem Liegeplatz vor dem Haus der Familie Frisch

Die Kombüse 53°Nord, eine bürgergetragene Kulturkneipe, wurde von Leni und Bert nicht nur mitinitiiert, sie verrichten dort auch regelmäßig Tresendienst. Hier ist eine Einrichtung entstanden, die  den beiden eine Herzensangelegenheit geworden ist. Das Dorf hat einen Platz zum Klönen und Genießen bekommen. Hier gibt es gute Unterhaltung, gutes Bier, leckeres Essen und einmal in der Woche „ward hier Platt snackt“! Die Kombüse ist auch Heimat des neu ins Leben gerufenen „Forums“. In dieser Runde, zu der alle Bürgerinnen und Bürger Oberndorfs eingeladen sind, entstehen neue Ideen, neue Projekte, die die Dorfgemeinschaft weiterbringen können.  Themen sind hier die Einführung eines Bürgerbusses, das Projekt Opa (Oberndorfer passen auf!), Dorfcarsharing oder Wiederbelebung der Aktion „Roter Punkt“ aus Zeiten des Protestes gegen Fahrpreiserhöhungen im ÖPNV in den 70ern des letzten Jahrhunderts. Damals  signalisierte ein roter Punkt in der Windschutzscheibe die Bereitschaft, auch wildfremden Menschen eine Mitfahrgelegenheit anzubieten. Viele von Marlene und Bert Frisch unterstützte  Projekte haben einen nachhaltigen, sparsamen und gewissenhaften Umgang mit den natürlichen Resourcen der Erde zum Ziel. So zum Beispiel auch die Energiegenossenschaft für die  Nutzung der Dächer auf öffentlichen Gebäuden zur Gewinnung von Energie durch Photovoltaikanlagen. Eines der jüngsten Projekte mit maßgeblichem Engagement von Marlene und Bert Frisch ist die Gründung der Ostewert AG, die sich zum Ziel gesetzt hat, ein Biokraftwerk durch  Vergärung von Gülle  (ohne Mais!!!) mit einer Leistung von 75 KW zu betreiben. Die anfallende Abwärme wird zum Aufheizen von Wasserbecken genutzt, in denen bei 28°C afrikanische Welse gezüchtet werden sollen. Hier werden Umwelt- und Wirtschaftsinteressen sinnvoll miteinander verknüpft und – so ganz nebenbei – sollen auch noch einige Arbeitsplätze in der strukturschwachen Osteregion geschaffen werden.

 

Marlene und Bert sind auch aktiv im Bemühen, dem Stör in "ihrem" Fluss 
wieder eine Heimat zu geben

Marlene und Bert Frisch haben sich Oberndorf an der Oste als ihren Lebensmittelpunkt gewählt.  Mit ihrem ungewöhnlich hohen Engagement für das Gemeinwohl tragen sie nicht nur für das eigene Wohlbefinden bei. Menschen wie sie, geben unseren Dörfern wieder eine gehörige Portion der in den vergangenen Jahrzehnten verlorengegangenen Lebensqualität zurück.
Zugereist sind sie -  na und?
Wenn es denn solche sind, wie Leni und Bert Frisch, können nicht nur die Dörfer entlang der Oste mehr von dieser Sorte Zuwanderer  gebrauchen!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen