Ein Platz zum Träumen: Marlene und Bert Frisch unter der Weltkarte
Marlene und
Bert Frisch sind mir erstmals begegnet, als ich trotz Glatteis und
Schneetreiben nach Bentwisch gefahren bin, um mir ihren Multi Media Vortrag
über deren Atlantikquerung anzuhören, anzusehen. Nachdem ich sie einmal
kennengelernt hatte, begegneten sie mir immer häufiger. Mehrmals konnte ich Bert und Marlene für
Vorträge vor der Freiburger Seglervereinigung gewinnen. Marlene moderierte
irgendwann die Verleihung des „Goldenen Hechtes“ und ließ sich in den Vorstand der AG Osteland wählen. Je länger ich
die beiden kannte, desto beeindruckter war ich von ihrem Engagement für ihre
neue Heimat. Als ich von der Redaktionsleitung des „Grünen Kalenders“ um
Beiträge gebeten wurde, habe ich für den Kalender 2016 Marlene und Bert als „Zugereiste“ in
unserer Region porträtiert.
Zugereist! Na und?
Marlene und Bert Frisch – Ein Beispiel
gelungener Integration in eine Dorfgemeinschaft
Wer kennt sie nicht, die „Zugereisten“ in
seinem Dorf? Es sind die, die oft schon vor Jahrzehnten von irgendwo her aufgetaucht
und nun Teil einer fest eingesessenen Gemeinschaft sind.
Manchmal sind sie unscheinbar und kaum
jemand weiß etwas von ihnen. Sie nehmen
keinen Einfluss auf das Leben um sie herum, sie werden von ihrer neuen Umgebung
wertneutral hingenommen. Anders ist es mit den Neubürgern, die keine
Gelegenheit auslassen, ihrem Umfeld mitzuteilen, wie öde es hier ist und was
alles an ihrem vorherigen Wohnort viel besser gewesen sei. Das interessiert die
Alteingesessenen nicht, verletzt sie eher. Derartiges Verhalten macht eine
Integration am neuen Wohnort nahezu unmöglich und führt nicht selten früher
oder später zu einem Fortzug.
Dann gibt es noch eine weitere Gruppe von
„Zugereisten“. Sie haben sich ihren neuen Lebensmittelpunkt mit Bedacht
gewählt. Oftmals sind sie einem rastlosen Berufs- und/oder Großstadtleben
entflohen. Sie schätzen und genießen,
was sie in ihrer neuen Umgebung vorfinden. Ihnen merkt man an, dass sie mit
ihrer Entscheidung zufrieden sind, die neue Umgebung macht sie neugierig. Sie
wollen die Menschen um sie herum verstehen, die Eigenheiten, Traditionen und
die Historie ihrer neuen Heimat kennenlernen. Ihre Neugierde mündet nicht
selten in eine aktive Beteiligung an der Gestaltung des sozialen Miteinanders
in ihrer neuen Heimat.
Marlene und Bert Frisch aus dem Ostedörfchen
Oberndorf lassen sich uneingeschränkt dieser letzten Gruppe der „Zugereisten“
zuordnen. Bereits 1973 erwarb Bert Frisch gemeinsam mit seinen Eltern sein
Oberndorfer Anwesen direkt am Ostedeich
als Wochenenddomizil. Seit 2008 haben
Marlene und Bert Frisch ihren Wohnsitz auf Dauer von Hamburg in das Haus an der
Oste verlegt.
Der Blick aus der Stube geht über dn Deich auf die Oste
Mit dem Ausscheiden aus
dem aktiven Berufsleben stand für sie fest: Wir verlassen Hamburg, ziehen nach
Oberndorf ins Haus, ans Wasser, zum Boot. Das Boot, die Heimkehr VII, ein
Kutter von 17 Meter Länge mit zwei Masten, war all die Jahre vorher schon die
zweite Heimat von Marlene und Bert. Beide sind dem Wasser, wenn auch auf sehr
unterschiedliche Art, von Kindheit an sehr verbunden.
Berts Seekarriere begann mit beträchtlichem
Ärger seitens seines Vaters bereits mit 10 Jahren, als er die ausgehängte
Wohnzimmertür für einen kleinen Ausflug zu Wasser ließ. Geboren auf der Insel
Borkum und später an der Nordseeküste in Varel aufgewachsen, kam er sehr
schnell zur Segelei und zu seinem ersten Boot. Wie der aktuelle Schiffsname „Heimkehr
VII“ verrät, sollten seinem ersten Schiff im Laufe seines Lebens noch einige
weitere folgen. Den Wehrdienst leistete
Frisch selbstverständlich bei der Bundesmarine ab. Der Marine blieb er auch
nach der Pflichtzeit neben seinem Beruf als gelernter Werbekaufmann treu. Immer
wieder rückte er zu Reserveübungen aus
und darf sich nach etlichen Beförderungen heute Korvettenkapitän der
Reserve nennen. (Ich kenne die Fachtermini nicht so, Bert, hier musst du mir
noch helfen.)
Marlene ist auf einem Bauernhof an der Aller
bei Verden aufgewachsen. Ihre Seekarriere nahm ihren Anfang auf einem Kahn mit
Außenbordmotor. Während ihre Altersgenossen mit Moped, Fahrrad oder Auto zur
Disco anreisten, nahm sie das Boot. Schon bevor sich die Lebenswege von Bert
und Marlene kreuzten, hatte sie Segel-, Surf- und Tauchschein. Außerdem
interessierte sie sich für alles, was sich schrauben und schweißen lässt, was
sich dreht und mit Motorengeräuschen zu tun hat. All das sind beste
Voraussetzungen für ein gemeinsames Leben mit Bert und seinen immer sehr
arbeitsintensiven Schiffen. Seit 1989 sind Bert und Marlene – und natürlich (seit
1995) die aktuelle „Heimkehr VII“ -
miteinander verheiratet. Viele Reisen erlebten die drei rund um die
Ostsee. Mit der „Heimkehr VII“ haben Marlene und Bert ein sehr zuverlässiges
und hochseetaugliches Schiff. Mit immer besserer Ausstattung der „Heimkehr“
reifte langsam der jahrelange Traum nach einer Atlantikquerung auf eigenem
Kiel. 2009 war es dann so weit: Das Ehepaar Frisch, bereits seit einigen
Monaten frei von beruflichen Verpflichtungen, startete mit seinem Kutter über
den Atlantik.
Die Lieblingebeschäftigung der Frischs im Sommer: Mit der Heimkehr in See stechen!
Als das Schiff 2011 nach dem Besuch zahlreicher karibischer
Inseln und einem Abstecher zur Freiheitsstatue in New York wieder in Oberndorf
an der Oste festmachte, konnten Marlene und Bert mit Freude und Stolz auf die
Reise ihres Lebens zurückschauen. Ihre wunderschönen Erlebnisse, festgehalten
auf vielen Fotos und Videosequenzen, haben
sie in mehreren exzellent
ausgearbeiteten Multimedia Shows in Oberndorf und Freiburg mit ihrer inzwischen
begeisterten Fangemeinde geteilt. Eintritt wurde nie verlangt, dafür aber um
Spenden für die Kiebitzschule in Oberndorf, die Jugendarbeit der Freiburger
Segler oder den Jugendkutter der Oberndorfer Seglergemeinschaft gebeten.
Wer glaubt, dass die beiden Atlantikquerer
sich nun von ihren Leistungen und Strapazen im Liegestuhl erholten, irrt gewaltig. Das würde auch nicht
zu ihnen passen. Wer Marlene und Bert bisher noch nicht kannte, konnte sie
schon bald kennenlernen. Überall, wo Bürgerinitiative und Bürgerengagement im
Dorf und in der Osteregion gefragt waren, brachten bzw. bringen sie sich ein. „Es ist uns ein
Bedürfnis, mit den Menschen um uns herum zu sprechen und mit ihnen gemeinsam
ein Umfeld zu gestalten, in dem auch
junge Familien noch Lebensperspektiven finden.“
So fasst Bert Frisch den selbstgestellten Auftrag an seine Frau und sich
zusammen.
Der Biomeiler der Kiebitzschule in Oberndorf im Bau
Der jahrelange Kampf um den Erhalt der
Grundschule in Oberndorf hat das Dorf zusammengebracht. Dass die Schule am Ende
dann, für die meisten Oberndorfer aus
nicht nachvollziehbaren Gründen, im
Sommer 2014 für immer ihre Tore schloss, war auch für Bert und Marlene eine bittere Enttäuschung. Sie hatten viele Stunden und viel Liebe in Schulprojekte wie den
Biomeiler zur Energieerzeugung, die
„Kiwitte“, eine Nachmittagsbetreuung in der Schule für Kinder, deren Eltern
berufstätig sind, oder den Aufbau einer Bibliothek investiert. Die „Kiwitte“
und die Bücherei existieren auch ohne Grundschulbetrieb weiter.
Marlene ist Beisitzerin im Vorstand der weit
über die Oste hinaus bekannten AG
Osteland. Die AG Osteland bemüht sich um alle Belange, die für die Menschen
beiderseits der Oste von Interesse sind: Natur, Tourismus, Wirtschaft, Kultur,
Freizeit, Traditions- und Heimatpflege,
…
Marlene moderiert den Festakt anlässlich der Verleihung des "Goldenen Hechtes"
durch die Arbeitsgemeinschaft Osteland e.V.
Zuletzt haben Marlene und Bert Frisch die
Broschüre „Ostelotsen“ erstellt. Der „Ostelotse“ gibt Wassersportlern nützliche
Tipps für die Befahrung der Oste. Egal ob in Leader Arbeitsgruppen, die sich
mit von Brüssel geförderter Projektentwicklung befassen, oder ob es um die Begleitung des Fusionsprozesses
der Samtgemeinden Am Dobrock und Land Hadeln geht: Ohne das Engagement von
Frischs geht es nicht.
Die "Heimkehr" an ihrem Liegeplatz vor dem Haus der Familie Frisch
Die Kombüse 53°Nord, eine bürgergetragene
Kulturkneipe, wurde von Leni und Bert nicht nur mitinitiiert, sie verrichten
dort auch regelmäßig Tresendienst. Hier ist eine Einrichtung entstanden,
die den beiden eine Herzensangelegenheit
geworden ist. Das Dorf hat einen Platz zum Klönen und Genießen bekommen. Hier
gibt es gute Unterhaltung, gutes Bier, leckeres Essen und einmal in der Woche
„ward hier Platt snackt“! Die Kombüse ist auch Heimat des neu ins Leben
gerufenen „Forums“. In dieser Runde, zu der alle Bürgerinnen und Bürger
Oberndorfs eingeladen sind, entstehen neue Ideen, neue Projekte, die die
Dorfgemeinschaft weiterbringen können.
Themen sind hier die Einführung eines Bürgerbusses, das Projekt Opa
(Oberndorfer passen auf!), Dorfcarsharing oder Wiederbelebung der Aktion „Roter
Punkt“ aus Zeiten des Protestes gegen Fahrpreiserhöhungen im ÖPNV in den 70ern
des letzten Jahrhunderts. Damals
signalisierte ein roter Punkt in der Windschutzscheibe die Bereitschaft,
auch wildfremden Menschen eine Mitfahrgelegenheit anzubieten. Viele von Marlene
und Bert Frisch unterstützte Projekte
haben einen nachhaltigen, sparsamen und gewissenhaften Umgang mit den natürlichen
Resourcen der Erde zum Ziel. So zum Beispiel auch die Energiegenossenschaft für
die Nutzung der Dächer auf öffentlichen
Gebäuden zur Gewinnung von Energie durch Photovoltaikanlagen. Eines der
jüngsten Projekte mit maßgeblichem Engagement von Marlene und Bert Frisch ist
die Gründung der Ostewert AG, die sich zum Ziel gesetzt hat, ein Biokraftwerk durch
Vergärung von Gülle (ohne Mais!!!) mit einer Leistung von 75 KW zu
betreiben. Die anfallende Abwärme wird zum Aufheizen von Wasserbecken genutzt,
in denen bei 28°C afrikanische Welse gezüchtet werden sollen. Hier werden Umwelt-
und Wirtschaftsinteressen sinnvoll miteinander verknüpft und – so ganz nebenbei
– sollen auch noch einige Arbeitsplätze in der strukturschwachen Osteregion
geschaffen werden.
Marlene und Bert sind auch aktiv im Bemühen, dem Stör in "ihrem" Fluss
wieder eine Heimat zu geben
Marlene und Bert Frisch haben sich Oberndorf
an der Oste als ihren Lebensmittelpunkt gewählt. Mit ihrem ungewöhnlich hohen Engagement für
das Gemeinwohl tragen sie nicht nur für das eigene Wohlbefinden bei. Menschen
wie sie, geben unseren Dörfern wieder eine gehörige Portion der in den
vergangenen Jahrzehnten verlorengegangenen Lebensqualität zurück.
Zugereist sind sie - na und?
Wenn es denn solche sind, wie Leni und Bert
Frisch, können nicht nur die Dörfer entlang der Oste mehr von dieser Sorte
Zuwanderer gebrauchen!
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