Freitag, 17. März 2023

Gretchen von Allwörden-Auf der Heyde

oder

Wie der nackte Muskelmann von Hohen Wisch zu seiner pinkfarbenen Boxershorts kam

 


 

Wo fange ich bloß an? Vielleicht mit Gretchen Auf der Heyde, die eigentlich von Allwörden-Auf der Heyde heißt. Sie hatte sich damals, im letzten Jahrhundert, als mit der Einführung der Doppelnamen viele fortschrittliche Frauen einen tüchtigen Schritt in Richtung Gleichberechtigung taten, dazu entschlossen, ihren Mädchennamen nach der Eheschließung mit Auf der Heyde aus Hohen Wisch weiterleben zu lassen. Gretchen von Allwörden-Auf der Heyde. Was mir eigentlich ganz gut gefiel, als ich vor einigen Jahren erstmals ihren vollen Namen kennengelernt hatte, erwies sich für Gretchen als alltagsuntauglich. Einfach zu lang! Am Telefon zum Beispiel. Versuch´ doch mal ganz schnell Von Allwörden-Auf der Heyde zu sprechen. Selbst, wenn du ganz schnell bist, ist es irgendwie immer noch zu lang. Die ewigen Nachfragen, die ellenlange Unterschrift! Das nervt.

Gretchen verkürzte schon nach wenigen Monaten ihren Nachnamen im alltäglichen Gebrauch auf gut die Hälfte. Und da sie für die meisten Menschen in ihre Umfeld ohnehin nur „die von Hauke Auf der Heyde“ war, brauchte sich niemand richtig umzustellen.

Hauke hat der Herrgott viel zu früh zu sich gerufen. Bis er den Tod zwischen Hans, dem Deckbullen, und der Stallwand fand, waren alle bisherigen Versuche, einen Hoferben zu zeugen, erfolglos geblieben. Gretchen blieb nach seinem Tod bei seinem Namen Auf der Heyde. Mit den Jahren wurde sie immer wunderlicher, dankte dem Herrgott, dass er ihren Hauke zu sich geholt hat. Irgendwann verließ sie den abgelegenen Hof im Grenzgebiet zwischen den Kehdinger Mooren und der Ostemarsch nur noch in ausgesprochenen Ausnahmefällen. Hauke hatte sie gut versorgt zurückgelassen. Sie lebte von einer Unfallversicherung und der jährliche Pacht, die sie für ihre Ländereien bezog. Tiere gab es auf dem Hof seit Haukes Zeiten nicht mehr.

Gretchens Hauptbeschäftigung bestand im Verfassen religiöser Verse. Ihr Neffe Kevin wird einmal nach Gretchens Ableben Wochen oder gar Monate zum Lesen brauchen, wenn er nicht gleich auf die Idee mit der Entsorgung im Papiercontainer kommen wird.

Gretchens Beitrag zum Energiesparen im Ukrainewinter 22/23 bestand in der Absenkung der Raumtemperatur auf 18°C. Ohne dicke Decke und heiße Getränke lässt es sich schwer aushalten – schon gar nicht, wenn man am Schreibtisch sitzt und Verse zum Lobe des Herren zu Papier bringt. Egal ob die niedrige Temperatur, die dicke Decke oder vielleicht auch beides die Ursache war, Gretchen Auf der Heydes Körper reagierte mit schmerzhafter Verspannung. Irgendwann ging nichts mehr und sie quälte sich zum Doktor nach Friedeberg.

Fango Massage! Keine Pillen, keine Spritze! Es führte kein Weg vorbei am Physio Therapie Zentrum in Hohen Wisch.

Dort begegnete man dieser schüchternen  und zurückhaltenden Frau  gewohnt nett und freundlich. Als Lena, die fröhliche Therapeutin aus Lettland, die Kabine 1 betrat, hatte Gretchen Auf der Heyde sich bereits bäuchlings mit freiem Rücken auf die Pritsche gelegt.

Lena: „Ist ja schon alles gut so, nur bitte den Kopf zur anderen Seite drehen.“

„Ne, mach ich nicht“, sagte Gretchen.

„Ist aber viel besser bei Ihren Beschwerden,“

„Mag ja sein, aber dem kann ich nicht immer auf sein … gucken.“

„Worauf gucken?“

„Na, auf seinen, also auf seinen Penis.“

„Und? Das ist doch nur ein wissenschaftliches Schaubild. Und das geht nicht?“

„Nein, das geht nicht, ich kann das nicht.“

„Und Augen zu?“

„Geht auch nicht!“

„Und warum nicht?“

„Dann muss ich immer daran denken, was ich da sehen würde, wenn ich die Augen öffnen würde.“

„OK, aber der Behandlungserfolg ist echt mit der anderen Kopfhaltung eher gegeben. Fangen wir also an.“

 

„Wie lief es denn mit Gretchen Auf der Heyde?“ fragte der Chef in der Mittagspause.

„Ganz entspannt, nur in die 1 geht sie wohl nicht wieder.“

„Warum nicht?“

Lena erzählte von Gretchens Problem. Alle lachten und der Chef meinte dann noch, dass da ja noch einige Kabinen seien, ohne „anstößige“ Bilder an der Wand. Lena verließ den Raum, drehte sich noch einmal um und meinte, sie hätte wohl eine Lösung für Frau von der Heyde.

„Auf der Heyde“, rief Christian noch hinter ihr her. Gehört hat sie es wohl nicht mehr.

 

Zwei Tage später hatte Frau Auf der Heyde ihren zweiten Termin. Christian steht neben dem Tresen, schaut in den Kalender und sagt: „Gehen Sie bitte schon mal in die 1, Frau von der Heyde.“

„Auf der Heyde! Und in die 1 möchte ich nicht.“

„Gehen Sie ruhig, wir haben heute nur noch die 1. Sie machen das schon, alles wird gut.“

 

Lena kommt in die 1.

„Alles gut Frau Auf der Heyde, heute liegen Sie ja auch richtig. Ist doch gar nicht so schlimm, oder?“

„Heute hat er ja auch ´was an.“

„Wie? Verstehe ich nicht.“

 

„Na de Kerl dor an de Wand. Hüt het hei´ne Büx an. Süht gor nich mool so schlecht ut, de Kerl mit siene pinke Ünnerbüx.“

Das passierte ihr gerne mal, wenn sie aufgeregt war. Dann verfiel sie ins Plattdeutsch.

Lena hatte natürlich keine Ahnung, wie lange der „Kerl“ an der Wand schon die pinke Hose trug und schon gar nicht, wer ihm die verpasst hat.

Und Gretchen von Allwörden-Auf der Heyde? 

Sie ist schon lange fertig mit ihrer Behandlung. Der Schmerz ist weg und sie hat zum Schluss sogar um die Kabine 1 gebeten. Vielleicht hat „de pinke Ünnerbüx“ ihren Anteil am Heilungsprozess gehabt.

 

Morgen ist es wieder so weit. Ich gehe wieder zur Krankengymnastik. Und, wenn ihr mich fragt, ich will wieder in die 1!

 

 

Donnerstag, 21. Januar 2021

Boston Pro 4R Turbo II





 

Ich bin Grillfan. Ich weiß, das Grillen ist nicht jedermanns Ding. Ich mag es aber, und, was ich besonders mag, ist das etwas Ungesunde. Also, wenn das Fleisch über Holzkohle gart und ganz leichten Geschmack vom Kohlefeuer annimmt. Ich mag es, wenn das Fett in die Glut tropft und mit kleiner Stichflamme verbrennt und, vielleicht täusche ich mich, ich mag es auch, wenn dieser spezielle Geruch des Brennprozesses später kaum spürbar aus dem fertigen Nackensteak herauszuschmecken ist.

Was ich nicht mag, und das schon seit ich mit Eva verheiratet bin, ist bei jedem Grillanlass ihr Hinweis, dass ich doch schon wisse, dass das, was ich da mache, ungesund sei. Vielleicht hat sie ja Recht und vielleicht erklärt das auch, warum die Neandertaler ausgestorben sind. Die haben nämlich immer über Holzfeuer gegrillt. 

Das hatte ich ihr aber nur einmal gesagt. Sie fühlte sich von mir nicht richtig ernst genommen, sagte es mir und strafte mich wenig später noch einmal ab, indem sie mir mitteilte, dass das Fleisch diesmal überhaupt nicht schmecken würde.

Das fand ich ungerecht, schmeckte es doch wie immer. Also ein bisschen nach Holzfeuer, ein bisschen angekohlt – nur ein bisschen. Und auch diese leichte Ahnung vom Aroma des verbrannten Fettes war spürbar. Einfach gut!

Gegessen hatte sie es aber. Hatte ihr wohl auch geschmeckt.

Nur zugeben konnte sie das nicht. Nicht nach meiner Bemerkung mit den Neandertalern.

 

Dieses Jahr haben wir schon Anfang April gegrillt. Die Sonne hatte uns verführt. Tatsächlich war es dann trotz Sonnenschein eisekalt und wir gingen letztlich mit unseren Tellern in die warme Küche zum Essen.

„Schmeckt es dir denn“, fragte ich Eva.

„Ja, ganz gut gelungen“, gab sie zur Antwort, „aber du weißt schon, dass es ungesund ist?! Denkst du auch mal an Martin?“

Martin ist unser 8jähriger Sohn. Nein, an ihn hatte ich ehrlicherweise nicht gedacht.

Seit Ende Oktober hatte Eva mich nicht mehr auf die Risiken von über Holzkohle gegrilltem Fleisch hingewiesen. Hatten ja auch nicht mehr gegrillt bis eben jetzt, Anfang April. Irgendwie hatte ich schon unterbewusst seit Wochen auf Evas kritische Bemerkung gewartet. Irgendetwas hatte mir in letzter Zeit gefehlt. Jetzt wusste ich, was es war.

Mit dieser von mir unbeantworteten Frage nach der Gesundheit aß ich meinen Teller leer, streckte mich ein wenig im Stuhl und nahm genüsslich einen Schluck Bier.

Ich weiß nicht mehr, was mich dann geritten hatte.

„Und was meinst du sei gesünder?“

„Na gibt doch auch Gasgrills oder elektrische. Wist und Beckmanns haben doch auch so etwas.“

Nach einigen Momenten:

„Du sagst ja gar nichts.“

Was hätte ich ihr sagen sollen? Dass ich wieder an die Neandertaler gedacht hatte? Wistens und Beckmanns waren noch nicht ausgestorben. Vielleicht, weil sie mit Gas oder Elektrizität grillten? Wir lebten aber auch noch, trotz Holzkohle. Wie lange noch? Geschmeckt hatte es bei Beckmanns doch auch ganz gut.

„Du meinst, dass wir uns einen Grill, also einen ohne Holzfeuer kaufen sollen?“

„Auf jeden Fall.“ Und dann schob sie mit einem Grinsen im Gesicht nach: „Weißt ja was mit den Neandertalern passiert ist!“

Ja, das liebe ich an Eva und auch deswegen habe ich sie geheiratet.

Zwei Tage später legte sie mir den ALDI Prospekt für die kommende Woche auf den Schreibtisch. Was für ein Zufall auf der Titelseite stand: Ab Donnerstag, 23.04. Grillspaß zu Hause zum ALDI Preis. Ein glückliches Paar posiert hinter seinem nagelneuen Gasgrill Boston Pro 4R Turbo II für 229,00 €. In der Nase spürte ich bereits den Duft der im Bild abgebildeten Spieße, Würstchen und Steaks. Das Grillfieber packte mich -  und das, obwohl es nur ein Gasgrill war!

Vielleicht gar nicht so schlimm, so ein Gasgrill.

„Aber Evamaus, hast du gesehen? 229 € kostet der Grill, ganz schön happig. Kein Wunder, dass der Kerl da auf dem Foto barfuß läuft. Wenn wir den kaufen reicht es bei uns vielleicht auch nicht mehr für Socken.“

„Dafür aber gesund!“

„Sollen wir wirklich?“

„Ja, wir sollen! Donnerstag startet die Aktion. Du musst schon vor 7 Uhr in Drochtersen sein. Wenn du später kommst sind die Grills bestimmt schon vergriffen.“

„Ich mach Homeoffice und das fängt erst um 8.30 Uhr an. Ich finde 7 Uhr einfach etwas zu früh.“

„Keine Angst, für die Gesundheit ist mir nichts zu früh. Ich wecke dich um 6 Uhr, das ist es mir Wert. Du musst bestimmt schon um halb sieben dort sein. Weißt ja der frühe Vogel fängt den Wurm. Auf dem Rückweg kannst du von Lünstedt Brötchen mitbringen. Wir frühstücken dann gemeinsam und dann kannst du immer noch mit deinem Homeoffice beginnen.“

Mein Widerstand war gebrochen! Das Gute an der Geschichte: Mein Holzkohlegrill bleibt für den Notfall im Schuppen. Man kann ja nie wissen. Energiekrise! Kein Gas aber gutes Grillwetter! Sollst mal sehen, wie Eva dann guckt, wenn wir trotzdem grillen! Und Wistens? Können nur so lange grillen  bis die Gasflasche leer ist, aber dann können sie ja zu uns kommen.

 

Donnerstag, 23.04.20

„Du musst aufstehen, 6 Uhr.“

Eva sieht mir in die Augen. Sehe ich da ein bisschen Schadenfreude in ihrem Gesicht?

„Du musst los sonst wird es nichts mehr mit dem Grill.“

Während ich mich fertig machte, lief der Kaffee durch. Ohne Kaffee geht gar nichts, schon gar nicht, wenn ich einen Grill, einen Gasgrill, kaufen will. Der Becher mit der Trinktülle kennt das schon und ich auch.

Es war alles wie sonst auch, wenn ich zur Arbeit fuhr. Bis Wischhafen hatte ich mir schon zwei Mal die Lippen verbrannt. Kannte ich auch schon. In Dornbusch kippte ich mir den Kaffee über mein Bayerntrikot bevor der Becherschnabel an meinen Lippen anlag.

Ein Pauli Shirt sieht zwar blöd aus aber man hätte bestimmt die Kaffeespur nicht so gut sehen können. 

Mist verdammter!

Auf dem ALDI Parkplatz standen bereits einige Autos und dann sah ich auch schon die Schlange vor der Eingangstür. Das konnte ja heiter werden. Ich war der achte in der Reihe.

„Und was ist, wenn es nur drei oder vier Exemplare von diesem Turbogrill gibt“? ging mir durch den Kopf.

Erstmal eine rauchen.

Die Zeit schien stillzustehen. Ich guckte ständig auf die Uhr. Es waren immer noch 20 Minuten bis zur Ladenöffnung.

Ganz vorne stand ein kleiner Alter mit einer Schulter deutlich höher als die andere. Sah nicht so aus, als hätte er viel Zeit für die Morgentoilette gehabt. Hinter mir kam ein Ehepaar. Ich kannte die Frau irgendwoher. Hier aus Drochtersen? Unsere Blicke kreuzten sich.

„Auch wegen „Bellvita“ hier?“ fragte mich die Frau mit einem Lächeln.

„Ne“, sagte ich. „Was ist das denn?“

„Wasserbett, 999,00 €!“

„Wasserbett? Gibt´s doch erst ab Montag“, hörte ich die eine der beiden Frauen vor mir sagen.

Die Schlange verkürzte sich wieder um 2 Personen, nützte mir nur leider nichts, die beiden standen ja hinter mir.

Die Frauen vor mir, beide gut 60, blickten dem Pärchen nach.

„War doch Montag, Edith?“

„Ja Wasserbett Montag. Heute ischa  Boston Turbo Grill. Hoffentlich haben sie den auch da.“

Also direkte Konkurrenz vor mir. Bin ja nicht neugierig aber kannst ja nicht weghören so direkt daneben. Und so hatte ich dann bald erfahren, dass die beiden Frauen auch für den Boston Turbo anstanden.

Vor den beiden stand einer mit langen Haaren, die unter einem speckigen Lederhut heraushingen. Der Gürtel war nietenbeschlagen und an den Füßen trug er schräg abgelaufene Westernstiefel.

Den mochte ich auf Anhieb nicht. Er rauchte filterlos, und, was viel schlimmer war, nach jedem Hustenanfall spuckte er einen fiesen Auswurf auf den schwarzen Asphalt.

Boston Turbo 4 R II?

Der eher nicht!

Aber kannst nicht wissen.

Vor dem Spucker im Westernlook stand ein Ehepaar vielleicht um die 50 Jahre.

„Bestimmt schon gefrühstückt und das Stader Tageblatt auch schon gelesen. Solche Menschen wissen überhaupt nicht, wie ausschlafen geht. Ein Gasgrill für 229 € will irgendwie nicht zu ihnen passen. Hoffentlich habe ich recht!“ dachte ich für mich.

Und der Mann mit dem Monteursanzug auf Platz 2? Der könnte noch scharf auf den Grill sein. Kennt sich mit Gas aus. Ist vielleicht Klempner.

Der mit der schiefen Schulter auf Platz 1 stand eher nicht für einen Gasgrill an. Vielleicht für „Felix gemischte Vielfalt in Gelee“, Katzenfutter, 44 x 100-g-Pckg. zum Aktionspreis von 10.99 €.

Also, mit etwas Glück standen nur drei Gasgrills vor mir und, wenn es vier im ALDI gab, hätte ich den vierten. Aber nur, wenn die schiefe Schulter, das Ehepaar und der Westerntyp keinen Turbo Boston Grill wollten.

Es kam plötzlich Bewegung in die Schlange, eine Angestellte öffnete die Tür. Ich kannte mich aus im ALDI, die „Angebotsknaller“ standen immer geradeaus und dann neben dem Eingang zum Lager. 

Es entwickelte sich gut für mich. Die schiefe Schulter bog in den zweiten Gang rechts ab. Vielleicht war dort das Katzenfutter. Das Ehepaar blieb bei den Terrassenmöbeln stehen und der Monteur verschwand irgendwo zwischen den Hygieneartikeln. Den Mann aus dem Wilden Westen hatte ich überholt, als er sich einen verklemmten Einkaufswagen organisieren wollte.

Kenne ich auch! Die klemmen manchmal so, dass man sie nicht auseinanderbekommt.

Edith und Trudi, ich kannte inzwischen auch den Namen der zweiten Frau, obwohl wir nicht auf Brüderschaft getrunken hatten, kamen vor mir bei den Turbo Bostons an. Was ich sah, machte Freude! Drei Riesenpakete lagen gestapelt neben dem großen Aufsteller, auf dem ich das mir vom Prospekt bekannte Pärchen neben dem Gasgrill stehend erkannte. Trudi riss am obersten Paket. Es rührte sich kaum. Edith hatte einen herrenlos herumstehenden Wagen herbeigeholt. Auch zusammen hatten die zwei Frauen Probleme, den Grill auf den Wagen zu bekommen.

 „Ohne mich wird das hier nichts“, beschließe ich und wuchtete den Karton mit Trudi und Ediths Hilfe auf den Wagen. 

„Junger Mann, würden Sie mir bitte auch noch helfen?“

Keine Frage, der zweite Grill kam auf dem ersten zu liegen.

„Und Sie“, meinte Edith noch ein wenig außer Atem, „wollen Sie den letzten?“

„Ja“, sagte ich, „ich hole mir nur noch eben einen Wagen.“

„Wir warten hier noch bis Sie kommen, junger Mann.“

 

Ich war wieder auf dem Rückweg und hörte schon von Ferne, dass Trudi und Edith mit dem Cowboy im Streit lagen.

„Ich saach dir doch, dat is der Grill von dem jungen Mann da, der hatte uns geholfen und holt sich nur´n Wagen.“

Das war Edith, sie kämpfte für meinen Boston Turbo und natürlich auch für Evas Turbo 4R, was sie aber nicht wusste.

„Interessiert mir nich, wat hier liecht kann ick nehmen.“

„Ne, mein Guter, wir sind hier nicht im Wilden Westen. Finger weg. Dieser Grill gehört dem da.“ Dabei zeigte meine „Freundin“ Trudi auf mich.

Zeitgleich mit mir traf der Marktleiter im noch nicht zugeknöpften Kittel am letzten Boston 4R ein. Irgendwie spüren diese Typen, wer die Guten und wer die Bösen sind. Trudi, Edith und natürlich ich waren die Guten und der Westernverschnitt mit dem ekligen Husten bekam gleich die richtige Ansage.

„Wer hier für Unfrieden sorgt, geht raus, haben Sie mich verstanden?“

Der Cowboy warf uns einen bösen Blick zu und entschied sich gegen ein offenes Duell in der Gangmitte des ALDI Drochtersen. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass dieser Drops noch nicht ganz gelutscht war.

Macht nichts. Wichtiger war, dass ich Evas Gasgrill hatte. Während der Marktleiter mir beim Umpacken auf meinen Einkaufswagen half, klatschten die beiden Frauen sich ab.

„Edith, wir haben unsere „Gute Tat“ für heute im Kasten. Ham wir doch gut gemacht, oder???“

„Ja, und wie du ihm gesagt hast, dass das hier nicht der „Wilde Westen“ ist, dachte ich schon, nu fängt sie sich gleich eine ein.“

Ich hatte nicht nur einen Gasgrill für Eva, ich hatte auch zwei neue Freundinnen. Gerade winkten sie mir noch einmal zu, drehten ihre Daumen nach oben und schoben mit vollem Körpereinsatz ihre Gasgrills in die Tiefen des Marktes.

Ich winkte ihnen noch kurz hinterher, bedankte mich beim Marktleiter nicht ohne ihm zu versichern, dass ich tief beeindruckt sei von seinem Talent Streit zu schlichten.

Seinem Gesicht sah ich an, dass sich soeben mein Freundeskreis um eine weitere Person erweitert hatte. Das alles an einem Donnerstagmorgen kurz nach 7 Uhr und Eva hatte keine Ahnung, dass wir nicht nur um einen Gasgrill, sondern auch um drei Freunde reicher geworden sind. Und von dem anderen, dem Mann aus dem „Wilden Westen“, wusste sie auch nichts.

Ich hoffte nur, dass der mir nicht in der Prärie, da irgendwo zwischen Dornbusch und Neuland, auflauert.

Sein letzter Blick hatte etwas von: „Na warte, man sieht sich immer zweimal im Leben!“

Ich hatte unseren Neuen, also den Boston 4R Turbo II,  gerade im Kofferraum, als „er“ im Eingang des Marktes auftauchte. Der „Django“ von Drochtersen zeigte auf mich und rief irgendwelchen Kerlen, die ein paar Meter weiter an einem alten Lieferwagen lehnten zu: „Das is er, der hat meinen Grill geklaut!“

Blitzschnell war mir klar, dass diese drei nie meine Freunde werden würden. Außerdem erfasste mich schlagartig die große Sorge, ich könnte vielleicht in 15 Minuten mit Brötchen von Lünstedt aber ohne den Boston Pro 4R vor Eva stehen.

Ich schaffte es gerade noch rein ins Auto. Gas geben und nichts wie weg!

Von der Hauptstraße sah ich die drei mit erhobenen Fäusten. Sie grölten mir hinterher, ich verstand natürlich nichts. Zwischen Drochtersen und Dornbusch ging mir immer wieder durch den Kopf, was hier heute abgegangen ist. So hatte noch nie ein Donnerstag angefangen. Wirklich noch nie! Ich  konnte mich jedenfalls nicht daran erinnern. Und noch etwas ging mir durch den Kopf. Eva musste nicht alles wissen, was ich hier heute durchgemacht hatte. Und eine Erklärung, warum ich die nächste Zeit erst einmal nicht mehr zu ALDI nach Drochtersen wollte, würde ich auch noch finden.

 

Es gibt noch einen kleinen Nachschlag zu dieser Geschichte.

Das Frühstück war schön, ich ging an den Schreibtisch und Eva hatte mit Martins Hilfe den neuen Grill zusammengebaut. Erst während der Montage hatte sie so richtig wahrgenommen, was da neu in unseren Hausstand gekommen war: Grillfläche, Haube, Brenner und Bedienelemente aus Edelstahl, 4 stufenlos regulierbare Brenner, 15,4 kW, doppelte Turbozone für perfektes Anbraten von Steaks, mit Unterschrank und abklappbaren Ablageflächen, mit herausnehmbarer Fettschublade, Thermometer, mit doppelwandiger Haube, Schlauch, Druckregler, Wetterhülle und, glaubt ihr´s, mit einem Flaschenöffner!

Keine Frage, dieser Luxusgrill musste noch am selbigen Abend in die Erprobungsphase gehen. Eva und Martin hatten alles für die Grillparty besorgt. Das Wetter stimmte und die Gasflasche, eigentlich für den Unkrautbrenner gedacht, war auch schnell montiert. Es stimmte alles bis nach wenigen Minuten das typische Zischgeräusch der Gasbrenner verstummte. Die Gasflasche war offensichtlich noch leerer als sie sich angefühlt hatte.

Große Enttäuschung!

Auch bei mir.

Hatte sich doch gerade so etwas wie eine Beziehung zwischen mir und dem Turbobrenner Boston Pro 4 R II angebahnt. Ich schaute auf den Edelgrill und mein Blick fiel auf den Schuppen dahinter.

„Wartet mal“, sagte ich zu Martin und Eva, „ich habe da eine Idee.“

 

Es wurde dann noch ein sehr schöner Abend. Alles war wie sonst auch immer. Das Fleisch schmeckte köstlich. Unverkennbar der Geschmack nach Holzfeuer und das Aroma von verbranntem Fett. So hatte ich es gerne. Der bläuliche Qualm des Holzkohlefeuers stieg fast senkrecht in den Abendhimmel und die abstrahlende Wärme aus dem Kohlebecken ließ uns die Abendkühle noch eine ganze Zeitlang vergessen.