Jean und Dennis Passeri
Im
Frühsommer 2015 erreichte mich ein Hilferuf vom Tourismusverein Kehdingen. Die
Geschäftsführerin, Karin Mietzner, suchte jemanden, der im Herbst ein
amerikanisches Ehepaar auf der Suche nach ihren familiären Wurzeln hier in
Kehdingen begleiten würde. Die Person müsse leidlich englisch sprechen können
und sollte sich in Kehdingen einigermaßen auskennen. Ach ja, und sie müsste
zwei Tage Zeit haben. Ich überlegte ein wenig und dann war mein Entschluss
gefasst, dass ich den Job wohl
übernehmen wolle. Kurze Zeit später schon erhielt ich eine E-Mail von der
Deutsch-Amerikanischen Gesellschaft mit Sitz in Suhl. Die Geschäftsführerin,
Frau Ute Boese, erwies sich als total nett und unkompliziert. Ich stellte
gemeinsam mit ihr und später auch dem Ehepaar Passeri ein dreitägiges Programm
zusammen, das den Ansprüchen der Passeris mehr als genügte. Ich hatte schon
sehr schnell nicht mehr das Gefühl, einen Job zu tun. Es hat einfach Spaß
gemacht, Jean Passeri Stück für Stück an ihre Familie in Deutschland
heranzuführen. Weil ich dachte, dass die Geschichte der Passeris in Kehdingen
auch andere Menschen interessieren könnte, habe ich über die gemeinsame Zeit
mit Jean und Dennis Passeri einen Artikel für das Stader Tageblatt geschrieben.
Am Ende
hatte ich nicht nur ein sehr schönes Erlebnis: Neben dem Honorar von der
Deutsch – Amerikanischen Gesellschaft gab es ein sattes Trinkgeld von den
Passeris und zu guter Letzt noch ein
Honorar für den Zeitungsartikel.
Meine
Dienste dürfen sich gerne bei amerikanischen Familien- und Ahnenforschern
herumsprechen. So einen Job will ich
gerne wieder einmal übernehmen!
Mein Text
für das Tageblatt:
Jean Passeri (78) und ihr Ehemann Dennis
(79) aus Minnesota, USA, besuchten nicht zum ersten Mal Deutschland und doch
war dieses Mal alles anders. Jean Passeri ist eine geborene Hagedorn. Durch
Internetrecherche hatte sie herausgefunden, dass ihr Urgroßvater Barthold
Hagedorn 1848 in der Nordkehdinger
Gemeinde Oederquart als neuntes von
insgesamt elf Kindern geboren wurde. Sie wusste von den zehn Geschwistern ihres
Urgroßvaters und der Gedanke, dass da höchstwahrscheinlich irgendwo in
Deutschland Nachkommen der zahlreichen Geschwister leben würden, ließ ihr keine
Ruhe mehr. Sie wollte wissen, wie das Land aussieht, aus dem ihr Vorfahr
stammte, eine Ahnung davon bekommen, wie er gelebt hat, was ihn vielleicht zur
Auswanderung bewogen hat. Zwei Tage haben Jean Passeri und ihr Mann Dennis sich Zeit für ihre Reise in die Vergangenheit
genommen.
In Hüll auf dem Heimathof bekamen sie eine
ungefähre Ahnung, wie die Menschen in Kehdingen in Zeiten ohne Elektrizität und
Maschinen gelebt hatten. Ewald Sölter, Vorsitzender des Heimathofes,
begeisterte den amerikanischen Besuch mit seinen Anekdoten und Erklärungen
während eines Rundganges. In Freiburg bot der Blick vom Aussichtsturm einen
Eindruck von den Außendeichsflächen, wie sie einst von Barthold Hagedorn vor
nahezu 150 Jahren wahrgenommen wurden. Sie besuchten Friedhöfe auf der Suche
nach alten Grabstätten der Familien Ahlf und Hagedorn und besichtigten die St.
Johannis Kirche in Oederquart, in der Urahn Barthold Hagedorn einst getauft und
konfirmiert wurde. Zum Programm gehörten der Besuch der Baudenkmale Ziegelhof,
Gut Neuensteden und die ehemalige Landarbeiterkate der Familie Gerd und Ulrike
Meier in Allwörden, der Kornspeicher in Freiburg sowie ein Blick in das Rathaus.
Die große Überraschung erwartete die
Amerikaner allerdings auf der Freiburger
Polizeiwache.
„Police officer“ Hagedorn empfing Jean und Dennis Passeri.
Heinz Hagedorn wusste von dem Besuch und hatte zusammen mit seinem Bruder Uwe
alte Familienpapiere gewälzt. Das Ergebnis der Nachforschungen: Heinz Hagedorns
Urururgroßvater und Jean Passeris Ururgroßvater sind identisch. Es ist der 1806
vermutlich in der Kirchengemeinde Oberndorf geborene Barthold Hagedorn, der
1826 Anna Elisabeth Ahlf heirate und mit ihr elf Kinder, darunter den Auswanderer
Barthold Hagedorn (2) hatte.
Ein bewegender Moment, wie es ihn in der
kleinen Polizeistation selten gibt. Als Heinz Hagedorn sagte: „Wir sind
Verwandte“, bekam Jean feuchte Augen und
schloss ihren „frischesten“ Verwandten in die Arme. Bald sollte sich ihre
Vermutung, dass es noch zahlreiche unbekannte
Verwandte von ihr geben müsste, bewahrheiten. Für den nächsten Tag wurde ein
Kaffeebesuch bei den Hagedorns in Isensee vereinbart.
Die Familien von Heinz und Uwe Hagedorn mit ihren "neuen" Verwandten aus den USA
Hier trafen Jean und
Dennis Passeri mit den Familien von Heinz Hagedorn und dessen Bruder Uwe sowie Vater Richard Hagedorn zusammen. Alle genossen
die unerwartete Familienvergrößerung. Mit einem gewissen Erstaunen blickt Jean
in die Runde und sagt mehr zu sich selbst: „I´m so happy. You are all my cousins.“
Die Hagedorns beiderseits des Atlantiks berichteten von ihren Familien und man
hätte sich noch stundenlang weiter unterhalten, hätten die Passeris nicht noch
am gleichen Abend zum Flughafen nach Hamburg gemusst. Man versicherte sich, in
Kontakt bleiben zu wollen und tauschte Adressen aus. Zum Abschied hatten Heinz
und Uwe Hagedorn noch eine kleine Überraschung für die Passeris. Sie hatten
herausgefunden, dass das Haus der Hagedornvorfahren im Bruch (Gemeinde
Oederquart) auf dem Hof von Hans-Heinrich Jürgens gestanden hatte. Den Platz
wollte Jean Passeri unbedingt kennenlernen. So wurde auf dem Weg zum Flughafen
noch ein kleiner Stopp eingelegt. Vom freundlichen Landwirt Jürgens wurden die
Ahnenforscher aus den USA mit Gummistiefeln ausgerüstet und zu der kleinen Wurt
auf der Hofwiese begleitet. Fassungslos stand Jean Passeri auf dem Hügel, wo
einst die kleine Moorbauernstelle ihrer Vorfahren gestanden hatte. Ihr Blick
ging von der überwachsenen Wurt nach Westen über das flache Land. Zu ihrem Mann
sprach sie: „Sieh nur, Dennis, es sieht hier aus wie in Minnesota.“ Inzwischen setzte Hans-Heinrich Jürgens die
mitgebrachte Schaufel an. Schon die
erste Schaufel aus dem Hügel brachte Ziegelreste und Keramikscherben zum
Vorschein.
So ergab es sich, dass
Familie Passeri nicht nur mit einem Sack voller neuer Verwandte die Heimreise antrat. In ihrem Gepäck reiste
eine kleine Tüte mit Scherben und Ziegelstücken vom Siedlungsplatz der
Hagedorns aus dem 19. Jahrhundert mit.
Leserinnen und Leser,
deren Vorfahren von Barthold Hagedorn, geb. 1806 verm. Oberndorf, und Anna
Elisabeth Ahlf, geb. 19.2.1810, abstammen, dürfen sich gerne an Heinz Hagedorn
unter der Rufnummer 04776540 wenden.
Familienbild zum Abschied
Der Aufruf
hat Erfolg gehabt. Schon bald nach Erscheinen des Artikels haben sich noch
weitere Hagedorn Nachkommen bei Heinz Hagedorn gemeldet. Die Passeris zehrten
noch bis Weihnachten von ihren Erlebnissen in Kehdingen. Das liest man
zumindest aus ihrer Weihnachtspost heraus.
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