Dienstag, 2. Februar 2016

Begegnungen 4 * Jean und Dennis Passeri




Jean und Dennis Passeri


Im Frühsommer 2015 erreichte mich ein Hilferuf vom Tourismusverein Kehdingen. Die Geschäftsführerin, Karin Mietzner, suchte jemanden, der im Herbst ein amerikanisches Ehepaar auf der Suche nach ihren familiären Wurzeln hier in Kehdingen begleiten würde. Die Person müsse leidlich englisch sprechen können und sollte sich in Kehdingen einigermaßen auskennen. Ach ja, und sie müsste zwei Tage Zeit haben. Ich überlegte ein wenig und dann war mein Entschluss gefasst, dass ich den Job wohl übernehmen wolle. Kurze Zeit später schon erhielt ich eine E-Mail von der Deutsch-Amerikanischen Gesellschaft mit Sitz in Suhl. Die Geschäftsführerin, Frau Ute Boese, erwies sich als total nett und unkompliziert. Ich stellte gemeinsam mit ihr und später auch dem Ehepaar Passeri ein dreitägiges Programm zusammen, das den Ansprüchen der Passeris mehr als genügte. Ich hatte schon sehr schnell nicht mehr das Gefühl, einen Job zu tun. Es hat einfach Spaß gemacht, Jean Passeri Stück für Stück an ihre Familie in Deutschland heranzuführen. Weil ich dachte, dass die Geschichte der Passeris in Kehdingen auch andere Menschen interessieren könnte, habe ich über die gemeinsame Zeit mit Jean und Dennis Passeri einen Artikel für das Stader Tageblatt geschrieben.
Am Ende hatte ich nicht nur ein sehr schönes Erlebnis: Neben dem Honorar von der Deutsch – Amerikanischen Gesellschaft gab es ein sattes Trinkgeld von den Passeris und zu guter Letzt  noch ein Honorar für den Zeitungsartikel.
Meine Dienste dürfen sich gerne bei amerikanischen Familien- und Ahnenforschern herumsprechen.  So einen Job will ich gerne wieder einmal übernehmen!


Mein Text für das Tageblatt:

Jean Passeri (78) und ihr Ehemann Dennis (79) aus Minnesota, USA, besuchten nicht zum ersten Mal Deutschland und doch war dieses Mal alles anders. Jean Passeri ist eine geborene Hagedorn. Durch Internetrecherche hatte sie herausgefunden, dass ihr Urgroßvater Barthold Hagedorn  1848 in der Nordkehdinger Gemeinde Oederquart  als neuntes von insgesamt elf Kindern geboren wurde. Sie wusste von den zehn Geschwistern ihres Urgroßvaters und der Gedanke, dass da höchstwahrscheinlich irgendwo in Deutschland Nachkommen der zahlreichen Geschwister leben würden, ließ ihr keine Ruhe mehr. Sie wollte wissen, wie das Land aussieht, aus dem ihr Vorfahr stammte, eine Ahnung davon bekommen, wie er gelebt hat, was ihn vielleicht zur Auswanderung bewogen hat. Zwei Tage haben Jean Passeri und ihr Mann Dennis  sich Zeit für ihre Reise in die Vergangenheit genommen.
In Hüll auf dem Heimathof bekamen sie eine ungefähre Ahnung, wie die Menschen in Kehdingen in Zeiten ohne Elektrizität und Maschinen gelebt hatten. Ewald Sölter, Vorsitzender des Heimathofes, begeisterte den amerikanischen Besuch mit seinen Anekdoten und Erklärungen während eines Rundganges. In Freiburg bot der Blick vom Aussichtsturm einen Eindruck von den Außendeichsflächen, wie sie einst von Barthold Hagedorn vor nahezu 150 Jahren wahrgenommen wurden. Sie besuchten Friedhöfe auf der Suche nach alten Grabstätten der Familien Ahlf und Hagedorn und besichtigten die St. Johannis Kirche in Oederquart, in der Urahn Barthold Hagedorn einst getauft und konfirmiert wurde. Zum Programm gehörten der Besuch der Baudenkmale Ziegelhof, Gut Neuensteden und die ehemalige Landarbeiterkate der Familie Gerd und Ulrike Meier in Allwörden, der Kornspeicher in Freiburg sowie ein Blick in das Rathaus.
Die große Überraschung erwartete die Amerikaner allerdings auf der Freiburger  Polizeiwache. 

 

„Police officer“ Hagedorn empfing Jean und Dennis Passeri. Heinz Hagedorn wusste von dem Besuch und hatte zusammen mit seinem Bruder Uwe alte Familienpapiere gewälzt. Das Ergebnis der Nachforschungen: Heinz Hagedorns Urururgroßvater und Jean Passeris Ururgroßvater sind identisch. Es ist der 1806 vermutlich in der Kirchengemeinde Oberndorf geborene Barthold Hagedorn, der 1826 Anna Elisabeth Ahlf heirate und mit ihr elf Kinder, darunter den Auswanderer Barthold Hagedorn (2) hatte.
Ein bewegender Moment, wie es ihn in der kleinen Polizeistation selten gibt. Als Heinz Hagedorn sagte: „Wir sind Verwandte“,  bekam Jean feuchte Augen und schloss ihren „frischesten“ Verwandten in die Arme. Bald sollte sich ihre Vermutung, dass es noch zahlreiche  unbekannte Verwandte von ihr geben müsste, bewahrheiten. Für den nächsten Tag wurde ein Kaffeebesuch bei den Hagedorns in Isensee vereinbart.

 Die Familien von Heinz und Uwe Hagedorn mit ihren "neuen" Verwandten aus den USA


 Hier trafen Jean und Dennis Passeri mit den Familien von Heinz Hagedorn und dessen Bruder Uwe sowie  Vater Richard Hagedorn zusammen. Alle genossen die unerwartete Familienvergrößerung. Mit einem gewissen Erstaunen blickt Jean in die Runde und sagt mehr zu sich selbst: „I´m so happy. You are all my cousins.“ Die Hagedorns beiderseits des Atlantiks berichteten von ihren Familien und man hätte sich noch stundenlang weiter unterhalten, hätten die Passeris nicht noch am gleichen Abend zum Flughafen nach Hamburg gemusst. Man versicherte sich, in Kontakt bleiben zu wollen und tauschte Adressen aus. Zum Abschied hatten Heinz und Uwe Hagedorn noch eine kleine Überraschung für die Passeris. Sie hatten herausgefunden, dass das Haus der Hagedornvorfahren im Bruch (Gemeinde Oederquart) auf dem Hof von Hans-Heinrich Jürgens gestanden hatte. Den Platz wollte Jean Passeri unbedingt kennenlernen. So wurde auf dem Weg zum Flughafen noch ein kleiner Stopp eingelegt. Vom freundlichen Landwirt Jürgens wurden die Ahnenforscher aus den USA mit Gummistiefeln ausgerüstet und zu der kleinen Wurt auf der Hofwiese begleitet. Fassungslos stand Jean Passeri auf dem Hügel, wo einst die kleine Moorbauernstelle ihrer Vorfahren gestanden hatte. Ihr Blick ging von der überwachsenen Wurt nach Westen über das flache Land. Zu ihrem Mann sprach sie: „Sieh nur, Dennis, es sieht hier aus wie in Minnesota.“  Inzwischen setzte Hans-Heinrich Jürgens die mitgebrachte Schaufel an.  Schon die erste Schaufel aus dem Hügel brachte Ziegelreste und Keramikscherben zum Vorschein. 

 

So ergab es sich, dass Familie Passeri nicht nur mit einem Sack voller neuer Verwandte  die Heimreise antrat. In ihrem Gepäck reiste eine kleine Tüte mit Scherben und Ziegelstücken vom Siedlungsplatz der Hagedorns aus dem 19. Jahrhundert mit.
Leserinnen und Leser, deren Vorfahren von Barthold Hagedorn, geb. 1806 verm. Oberndorf, und Anna Elisabeth Ahlf, geb. 19.2.1810, abstammen, dürfen sich gerne an Heinz Hagedorn unter der Rufnummer 04776540 wenden.

 

Familienbild zum Abschied
 
Der Aufruf hat Erfolg gehabt. Schon bald nach Erscheinen des Artikels haben sich noch weitere Hagedorn Nachkommen bei Heinz Hagedorn gemeldet. Die Passeris zehrten noch bis Weihnachten von ihren Erlebnissen in Kehdingen. Das liest man zumindest aus ihrer Weihnachtspost heraus.


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