Wir wollten
uns schon ganz lange mit Kate und William treffen. Immer wieder kam etwas
dazwischen. Richtig traurig waren wir darüber, dass wir nicht an ihrer Hochzeit
teilnehmen konnten. So ist das eben, wenn man billig reisen will, wie wir, dann
muss man sehr frühzeitig buchen. Als uns im Herbst 2010 die Einladung zur
Trauungszeremonie in Westminster Abbey erreichte, hatten wir gerade eine Reise
nach Marokko gebucht. Weil es sich um ein absolutes Billigangebot handelte,
konnten wir die Reise nicht ohne Totalverlust abblasen.
Schweren
Herzens habe ich den beiden abgesagt.
Gefreut habe
ich mich dann aber über die Antwort von Kate. Sie zeigte sich sehr
verständnisvoll. Als sie hörte, dass wir auf dem Rückweg von Marrakesch genau
am Tag nach der königlichen Trauung in London zwischenlanden würden, hatte sie
eine großartige Idee.
"Wie wäre es",
meinte sie, "wenn wir uns auf dem Flughafen treffen würden?"
Eine gute
Idee. Es passte alles. Wir hatten zwei Stunden Aufenthalt in London und Kate
und William konnten auf dem Weg in die Flitterwochen irgendwo in der Karibik
ein paar Minuten für uns abzweigen.
Das Schöne
an den beiden ist, dass sie so herrlich unkompliziert sind. Es fühlte sich vom ersten
Moment so an, als würden wir uns schon ewig kennen. Sie fragten noch, wie
unsere Reise verlaufen sei und ob wir etwas von der Bombe in Marrakesch
mitbekommen hätten. Und wir wollten natürlich wissen, wie die Hochzeit am
Vortage abgelaufen sei. Die wenigen Minuten, die wir hatten, verstrichen wie im
Fluge. William schaute schon immer auf seine Uhr und als Kate anfing, Ulla von
ihrem Hochzeitskleid und dem bescheuerten Geschenk von Tante Fergie zu
erzählen, mahnte der Prinz zum Aufbruch, weil sie andernfalls vielleicht noch
ihren Flieger verpassen würden.
Es war eine
kurze Begegnung aber so nett, dass wir uns fest gelobten, uns bald bei ihnen
oder bei uns Freiburg wiederzusehen. William meinte Freiburg zu kennen. Dann
war er aber ganz erstaunt, dass es noch ein anderes Freiburg an der Elbe gibt.
Als ich ihm dann noch erzählte, dass er bei uns vielleicht mit Jeff auf
Entenjagd gehen könnte, leuchteten seine Augen.
Ein Blick
auf die Uhr.
„Kate, let´s
go!“
Gerade
konnte ich das sympathische Paar noch für ein Erinnerungsfoto gewinnen. Leider
ist nur Ulla neben den beiden zu sehen. Ich sah niemanden, den ich hätte bitten
können ein Bild mit meinem Fotoapparat zu machen.
Nicht so
schlimm, wir werden uns ja wiedersehen.
Kate und
William drehten sich noch einmal am Gate um und winkten uns lächelnd zu.
„Nein, sind
die nett“, meinte Ulla.
Ja, das sind
sie wirklich und kein bisschen affektiert. Das hat man selten bei Menschen aus
vergleichbaren Randgruppen mit einem derart harten sozialen Background.
Nur etwa 45
Minuten später saßen wir im Easy Jet, der uns nach Hamburg bringen sollte. Kurz
vor dem Abschluss des Boardings näherte sich uns eine junge Frau durch den
Mittelgang. Ihr Blick geht über die Platzanzeige. In unserer Reihe hat sie ihr
Ziel erreicht. Das Handgepäck verschwindet im Gepäckfach und sie lässt sich
erleichtert und erschöpft in den Sitz neben mir fallen.
„Können Sie
bitte…?“
Natürlich konnte
ich. Ein leichtes Anheben meines Hinterteiles genügte schon und sie konnte
ihren Gurt zu sich herüberziehen.
Das Flugzeug
hatte soeben seine Reisehöhe erreicht. Ich las in einer Zeitschrift, die ich
mir in Gatwick gekauft hatte, als ein ganz sanftes Seufzen zu hören war. Kurze
Zeit später erneut. Als das Geräusch zum dritten Mal an mein Ohr drang, musste
ich mich vergewissern, ob bei meiner Nachbarin vielleicht ein Notfall
eingetreten war, der möglicherweise sogar ein beherztes Handeln meinerseits
erfordern würde.
Ein Blick
zur Seite und ich erfasste blitzschnell, dass die Geräusche in direktem
Zusammenhang mit den Bildern stehen mussten, durch die sich meine Nachbarin auf
ihrem Smartphone scrollte. Plötzlich bemerkte sie, dass ich zu ihr blickte. Sie
wandte mir ihr Gesicht zu und lächelte mit feuchten Augen.
„Das war so
schön“, hauchte sie mehr, als dass sie sprach.
Ich sagte
nichts; aber mein Blick verriet ihr wohl, dass ihre Worte bei mir eher neue Fragen
aufwarfen statt für Klarheit zu sorgen.
„Kate und
William. Da sind sie in der Kutsche“, erklärt sie mir mit dem Finger auf das
winzige Display zeigend.
Ich konnte
selbst mit meiner Lesebrille nur eine bunte Menschenmenge sehen.
„Da, in der
Mitte. Das sind sie. Man kann auch die Pferde sehen.“
Ich konnte
weder die Pferde noch Kate und William sehen.
„Seit einem
halben Jahr hatte ich auf diesen Moment gewartet und gestern war es endlich so
weit. Ich habe sechs Stunden oben auf einem Eisenzaun gestanden und mich an
einem Laternenpfahl festgehalten. Manchmal konnte ich mich kaum noch halten.
Runtersteigen ging auch nicht. Der gute Platz wäre sonst futsch. Und, als sie
dann kamen habe ich diese Fotoserie gemacht. Wollen Sie ´mal sehen?“
Meine
Antwort nicht abwartend hielt sie mir ihr Handy unter die Nase. Ein „Nein“ wäre
aus ihrer Sicht ohnehin undenkbar gewesen. Nun, aus der Nähe konnte ich
tatsächlich einige Male die Kutsche in den Menschenmassen erkennen. Ob da aber
Kate und William drinnen saßen oder der Papst mit Angela Merkel war beim besten
Willen nicht zu erkennen.
„Waren Sie
auch da?“
Was war nur
wieder mit mir los? Warum konnte ich nicht einfach die Klappe halten?
„Äh, nein,
wir waren verhindert. Aber wir haben Kate und William vor zwei Stunden am
Flughafen getroffen.“
„Nein! Nein!
Hier? In Gatwick meine ich?“
So ein
Gesicht habe ich, so glaube ich jedenfalls, bisher nur ein einziges Mal
gesehen, als Thekla Waller mich mitten in der Nacht im Nachtzug nach Lindau bemerkte,
obwohl sie doch mit eigenen Augen gesehen hatte, dass der Zug in Hamburg ohne
mich abgefahren war. Das ist aber eine andere Geschichte.
„Ja, in
Gatwick. Vor dem Duty Free Shop in der Halle bei den Gates 23 – 38.“
„27 war
unser Gate! Warum habe ich das nicht mitbekommen?“
„Ich zeige
Ihnen mal das Erinnerungsbild, das ich von den beiden zusammen mit meiner Frau
gemacht habe.“
Das Bild auf
dem Display meiner Kamera war auch nicht größer als das auf ihrem Handy. Da
aber nur 3 Personen formatfüllend zu sehen waren konnte man sehr gut Ulla und
das Prinzenpaar erkennen. „Ich glaub das nicht! Ist ja megacool und ich
hab´s nicht mitbekommen. Das war die
Chance. Wie waren die denn so? Also wirklich, irres Bild!“
„Ganz nett,
so.“
„Wie? Was?“
„Na ja, Sie
fragten doch eben, wie die so wären. Und da habe ich gesagt `ganz nett´.“
„Und die
waren da einfach so?“
„Natürlich
nicht einfach so. Die waren ja auf dem Weg in die Flitterwochen und da hat
William ihr wohl noch schnell etwas im Duty Free Shop gekauft.“
„Ne, nech?!
Hätte ich nu nich geglaubt, dass die da auch einkaufen.“
„Ich auch
nicht“, sagte ich zu ihr und dachte, dass es an der Zeit sei, die Geschichte
aufzulösen.
„Schauen Sie
sich die beiden doch mal ganz genau an. Fällt ihnen nichts auf?“
„Die haben
kein Handgepäck und keine Jacken.“
Mir lag
schon auf der Zunge zu sagen, dass sie in der Karibik ja auch nichts brauchen,
besann mich dann aber noch im letzten Moment. Ich wollte ja schließlich aus
dieser Nummer herauskommen und den Fall nicht noch komplizierter werden lassen.
„Gucken Sie
doch noch mal genauer.“
„Die sind
größer als Ihre Frau. Die glänzen ja so.“
„Ja. Wenn
Sie genau hinschauen, können Sie sehen, dass es sich bei den beiden um einen
Pappaufsteller handelt.“
Ich war auf
alle möglichen Reaktionen gefasst, hatte mir schon einige Strategien
bereitgelegt.
Wie so oft
im Leben kam es dann wieder ganz anders.
„Gott sei
Dank! Da bin ich aber froh, dass ich Kate und William nicht in Gatwick verpasst
habe.“
Von London
nach Hamburg ist es nicht weit. Die Maschine befand sich schon im Sinkflug.
„Ich weiß
nie, was ich dir glauben soll“, sagte Simone, als ich ihr diese Geschichte
erzählt hatte.
Wir waren
gerade aus Stockholm zurückgekommen, wo wir zufällig in die
Hochzeitsfeierlichkeiten von Prinz Carl Philip und Sofia hineingeraten sind.
„Ach Simone“,
habe ich ihr geantwortet, „ich weiß doch selber schon gar nicht mehr, was ich
mir noch glauben soll.“
Dabei stimmt ganz, ganz viel an dieser Geschichte und,
wer es nicht glaubt, kann ja Ulla fragen.
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