Donnerstag, 11. Februar 2016

Der Initiativantrag -- Schluss mit Nacktbaden in Weidenfleth



Eigentlich waren Nacktbaden und Nacktheit in Kolbingen, und schon gar nicht in Nordkolbingen, jemals ein Thema in der Gemeindepolitik. Das sollte sich in den späten Abendstunden des 24. Juni schlagartig ändern. Hier, im Weidenflether Hof, tagte der Gemeinderat.
Es war die Zeit, als in den Ratssitzungen noch geraucht wurde, die Mehrzahl der Roten keinen und alle der Schwarzen noch einen Schlips trugen und nach hitzigsten zum Teil hochpolitischen Diskussionen Bürgermeister Henning Großkopf doch fast immer einen einstimmigen Beschluss bekam. Ja, damals war die Welt in Weidenfleth noch in Ordnung.  Henny Oldenzaal aus dem Ordnungsamt musste das Protokoll schreiben. Außer ihr schrieben noch zwei weitere Personen eifrig mit. Es waren Sanni Hoellerich vom Tageblatt und Jupp Heinsohn, Fraktionsvorsitzender von den Roten. Jupp schrieb mit, weil er oft zu Recht das Gefühl hatte, dass nachher im Protokoll nur das zu lesen stand, was Henning Großkopf dort haben wollte. Das wiederum hatte zum Beginn jeder Ratssitzung zur Folge, dass erbittert um die Ergänzung des Protokolls um Jupp Heinsohns Redebeiträge aus der letzten Ratssitzung gerungen wurde. Da die Schwarzen eine Mehrheit von einem Sitz im Rat hatten, hätte Jupp Heinsohn sich die Debatte getrost sparen können.
Am Tresen des Weidenflether Hofes hat zwar mancher von den Schwarzen dem netten Jupp Recht gegeben. In der Abstimmung dann konnte Bgm. Großkopf sich auf seine Fraktion verlassen. Hein Möller kann ein Lied davon singen, was passiert, wenn man als Weidenflether Christdemokrat von seinem verfassungsmäßigen Recht der freien Meinungsäußerung Gebrauch macht. Von wegen, dass der gewählte Volksvertreter nur seinem Gewissen gegenüber verantwortlich ist. Als er, Heini, sich  getraut hatte, die verkehrsberuhigenden Maßnahmen des Bürgermeisters öffentlich in Frage zu stellen, trat der Bürgermeister einen Shitstorm (den Begriff gab es damals noch nicht, er hätte aber sehr gut gepasst) ungeahnten Ausmaßes gegen seinen Fraktionskollegen los. Das wollte niemand selber erleben. Lieber die Klappe halten und bei der nächsten Kommunalwahl wieder über die Liste des Bürgermeisters in den Rat einziehen.
Hoellerich schrieb, weil sie dafür bezahlt wurde und die Öffentlichkeit schließlich ein Recht drauf hätte zu erfahren, was in Weidenfleth abgeht.
Die zahlreiche Öffentlichkeit war durch Kapitän im Ruhestand, Jonny von Allwörden, vertreten, der nur von seinem Stock begleitet wurde. Seinen Hund durfte er nicht mehr mitbringen, seit Gaby Wüstenfeld bei der letzten Kommunalwahl mitsamt ihrer Hundehaarallergie in den Rat gewählt worden war. Jonny schrieb nichts auf. Er verließ sich voll und ganz auf die Hoellerich vom Tageblatt und das, was er im Kopf behielt. Manchmal schaltete Jonny sich vom Zuschauerplatz in die Diskussion ein. Das wurde ihm immer dann vom Bürgermeister gemäß NGO (Nieders. Gemeindeordnung) verboten, wenn er sich im Sinne der Roten äußerte. Passte Jonnys Beitrag zu Großkopfs Meinung, kam die NGO nicht zum Einsatz.
„Meine sehr verehrten Ratskolleginnen und Ratskollegen, ein interessanter Beitrag von Jonny. Berücksichtigen Sie das bitte bei Ihrer Entscheidung.“
Ja, so war er der Großkopf. Nickte Jonny wohlwollend mit aufgesetztem Grinsen zu und zog etwas zu laut hoch, was sich sonst unweigerlich dem Gesetz der Schwerkraft folgend seinen Weg aus der Nase in Richtung Erde gesucht hätte.
Diese Ratssitzung am 24. Juni war von großer Normalität bestimmt. Protokollgeplänkel und kontroverse Redebeiträge. Willi Koehn fehlte bei den Schwarzen und als die Mehrheit für den Bürgermeistervorschlag zu kippen drohte, brachte Großkopf seine letzte und wirkungsvollste Waffe zum Einsatz.
„Meine Damen und Herren, ich sage nur Kommunalaufsicht! Ohne die geht gar nichts. Wenn Sie mir hier nicht zustimmen kann das katastrophale Folgen auf die Schlüsselzuweisungen vom Land haben. Katastrophale Folgen für unseren Haushalt.
Wenn Sie das wollen, bitte! Dann sagen Sie das bitte aber auch den Bürgerinnen und Bürgern von Weidenfleth!“
Ernst in die Runde blickend lässt er sich in die Rückenlehne seines Stuhles fallen, setzt sein Nasenspray für alle gut sichtbar ein und ruft zur Abstimmung auf.
Zufrieden kann Henning Großkopf einen einstimmigen Beschluss zu Protokoll geben.
„So muss es laufen“, denkt er, „wenn man seinen Laden im Griff hat!“
Gerade will er die Sitzung schließen, hatte schon die Vorlagen in seiner kleinen Ledermappe verstaut, als sich sein Fraktionskollege Tönies Willers, Landwirt aus dem Grenzbereich zwischen der Weidenflether Marsch und dem Moor zu Wort meldete.
„Ja, Tönies, was gibt es noch?“
Tönies ist kein Mann der großen Worte. War er noch nie. Er schweigt lieber vor sich hin und stimmt im entscheidenden Moment richtig ab. Tönies weiß, was sich gehört. Nie kommt er ohne Krawatte und Jackett zur Ratssitzung. Auch, wenn die schwarze Manchesterhose und die ausgetretenen Halbschuhe heute Nachmittag schon die Geburt eines Bullenkalbes miterlebt haben, macht die obere Hälfte, die allein ja oberhalb der Tischkante sichtbar ist, ordentlich was her. Tönies steht auf, zieht sich das Jackett überm Hinterteil glatt, räuspert sich mehrfach und legt dann los.
„Sehr geehrter Herr Vorsitzender.“
Typisch Tönies! Sonst ist er mit Henning Großkopf per Du. Nun muss er doch schnell einmal herauskehren, dass er weiß, was sich gehört. Da ist er manch einem seiner gelegentlich überheblichen Fraktionskollegen aus der Weidenflether Marsch doch meilenweit überlegen.
„Also Herr Vorsitzender, ich habe da noch einen Initschiativantrag.“
„Tönies, steht nicht auf der Tagesordnung, können wir heute nicht mehr behandeln.“
„Deswegen ja Initschiativantrag. Kann man immer einbringen. Hat mir der Hamburger von nebenan gesagt. Der ist Rechtsanwalt.“
„Also ne, Tönies.“
Sanni Hoellerich, die bereits aufgestanden war, setzt sich wieder. Initiativantrag in Weidenfleth. Das hat es hier ja noch nie gegeben. Außerdem, fand sie es spannend zu erleben, dass Tönies Willers auch eine Stimme besaß.
Die Ollenzaal beugt sich zum Bürgermeister und erklärt ihm, was ein Initiativantrag ist. Noch bevor sie mit ihrer Erklärung fertig war, hatte Großkopf sich schon entschieden, den Antrag seines Fraktionskollegen zuzulassen. Ihm war nämlich eben gerade eingefallen, dass die Windmühlengesellschaft, an der auch er beteiligt war, ein Wegerecht von Tönies Willers benötigte. Hätte schlecht gepasst, wenn er Tönies nun nicht das Wort erteilt hätte.
„Also los, Tönies, was willst du beantragen?“
„Ich beantrage, dass Nacktbaden und überhaupt Nacktgehen in der Weidenflether Öffentlichkeit verboten wird.“
Das hat gesessen! Sekundenlang herrschte Ruhe auf dem Saal des Weidenflether Hofes. Dann Gemurmel und vereinzeltes Gelächter. Ein fröhlicher Austausch über den Tisch, über die Fraktionsgrenzen hinweg setzte ein. Die Frau von der Zeitung hat ihren Block wieder ausgepackt und schaut aufmerksam und auch ein wenig amüsiert Von Willers zu Großkopf und wieder zurück.
Tönies ist etwas überrascht von dem, was er soeben ausgelöst hatte. Leicht irritiert sagt er
„Danke, dass Sie mir zugehört haben“, und setzte sich.
„Ruhe meine Damen und meine Herren, Ruhe bitte. Tönies, gibt es vielleicht auch noch eine Begründung für deinen Antrag?“
Tönies steht wieder auf.
„Nu sett di mool weller daal, Tönies. Dat op un daal dat mookt mi jo ganz kirre in Kopp.“
Tönies setzt sich.
„Also, während der Ausübung meines Berufes als Landwirt musste ich in den vergangenen Wochen vermehrt Nacktbadern begegnen. Also Hamburger, die hier nackt baden.“
Selbst der Bürgermeister musste schmunzeln. Außer Tönies Willers hat anscheinend niemand der Anwesenden „das Problem“ in der Gemeinde wahrgenommen.
„Wo siehst du nackte Leute baden und woher weißt du, dass es Hamburger sind“? fragt der rote Jupp seinen Ratskollegen quer über den Tisch.
„An der Kuhle, bei Jonny von Allwörden.“
„Stimmt“, ruft Jonny, „ich beobachte ja immer die Rehe aus meinem Küchenfenster mit´m Fernglas.“ Und dann rutscht Jonny in seine Muttersprache.
„Jümmer, wenn de Hamborger taun Booden kümmt, dann haut de Dierten af. Tauerst har ick mi argert oober denn har ick jo wat anners tau bekieken. Bi lütten har ick mi schon gau gewöhnt an de beeden. Se hebt jümmer densülbigten Platz an de anner Siet vun de Kuhl blank den grooten Böm. Dann breet se een Decke in´t  Gras ut, smiet ehre Klamotten vun Lief. Se kunn jo nich weten, dat ick vun mine Kök mang twee Weidenböm jüst op ehrn Loogerplatz kieken kann.“
Der Bürgermeister fragt Jonny noch einmal, wo genau der Lagerplatz der beiden ist.
Die NGO hat er vergessen.
„Kann man den Platz denn auch von der Straße einsehen?“
„Normal geiht dat nich, dat Gras un dat Schilf is tau hoch. Geiht nur vun min Kökenfinster. Oder, Tönies, vertell doch mool, as wie du dat jümmer mookst.“
Tönies ist nicht wohl in seiner Haut. Das hätte nun wirklich nicht so laufen dürfen. Sanni Hoellerichs Kugelschreiberspitze bewegt sich in Mordstempo über das Papier. Das ist doch echt ´mal etwas anderes aus Weidenfleth. Sie sieht schon die verschiedensten Schlagzeilen vor sich.  „Nudisten erobern Weidenfleth“ oder „Eklat im Rat: Nackte Haut sorgt für Aufregung während Ratssitzung“. Schön wäre auch: „Sextouristen haben Weidenflether Idylle entdeckt.“
„Herr Vorsitzender, wir befinden uns noch in der Sitzung, laut NGO darf Jonny sich nicht an der Debatte beteiligen.“
„Tut mir leid, Tönies. Ich setzte kraft meines Amtes die NGO vorübergehend außer Kraft.“
Das hat er mit vollem Wissen darüber gesagt, dass er natürlich kein Landesrecht außer Kraft setzen darf. Aber, wenn es der Sache dient, muss sich die Demokratie durchaus auch schon mal den aktuellen Bedingungen anpassen. Das hat früher schon geklappt und wird auch heute wieder klappen.
„Was stört dich denn so an den Nackten an Jonnys Kuhle?“
Tönies will sich schon wieder erheben, wird aber von seinem Nachbarn Abbenseth am Ärmel gezogen und bleibt sitzen.
„Herr Vorsitzender, es ist wegen der Moral und der Schulkinder. Außerdem könnte es dem Tourismus schaden.“
Dann mischt Gaby Wüstenfeld sich in die Debatte. Für sie ist immer noch nicht geklärt, wie Tönies es denn macht, also das Gucken von der Straße aus.
„Also nicht, dass ihr nun denkt, dass ich auch mal gucken will, aber interessieren täte es mich schon, Tönies. Wie machst du das denn?“
Tönies sieht zur Seite und schweigt.
Stattdessen schaltet Jonny sich wieder ein:
„Taueers har ick dacht, hei har wat an sien Oors. Jümmer, wenn hei mit den vull´ n Miststreuer vörbiföhr un dann weller op´n  Trüchwech stellt hei sick bi´n  Föhrn op de Been un luschert no de anner Siet vuné Kuhl. Ha ´n lütt beten duert bit ick rutfunnen har, dat hei nur so sehn kann, wat ick vun mine Kök in Sitten un mit´n  Feldstecher veel beter bekieken kann.“
„Is dat so, Tönies?“
„Ja, anders hätte ich doch nicht herausbekommen, ob sie sich unsittlich verhalten.“
Großkopf blickt in die Runde. „Was machen wir denn nun damit?“
Ausgerechnet der rote Jupp meldet sich zu Wort.
„Wir können doch kein Verbot erlassen, nur weil hier zwei Nackedeis an der Kuhle liegen, noch dazu, wenn man einen Trecker braucht, um etwas zu sehen. Von Jonny mal ganz abgesehen. Aber der will ja eigentlich ohnehin nur seine Rehe beobachten. Ich bin gegen ein offizielles Verbot.“
Henning Großkopf, der immer noch an das Wegerecht zu den Windmühlen dachte und schon aus Prinzip Heinsohns Vorschläge für schlecht befinden musste, griff vermittelnd ein.
„Ja, Tönies, deine Bedenken sind nicht von der Hand zu weisen. Besonders auch wegen der Kinder. Leuchtet mir ein. Und, wenn die Nacktbaderei hier Schule macht, dann haben wir statt sanftem Familientourismus ein Nudistenzentrum in Weidenfleth. Mein Vorschlag: Wir stellen einfach vorne an der Straße ein Schild auf, auf dem steht „Baden verboten“.“
Das war der kleinste gemeinsame Nenner. Der Beschluss wurde einstimmig gefasst und der erste Initiativantrag in Weidenfleth war vom Tisch.
Sanni Hoellerich musste nach Rücksprache mit ihrem Chefredakteur die etwas verwirrende Überschrift:“Nackt ja! – Baden nein!“ über ihren Bericht setzen.
Am nächsten Tag stand der Hamburger Wagen wieder an der Kuhle. Zufällig kam Gaby Wüstenfeld mit dem Fahrrad vorbei und schaute bei Jonny rein.
„Na Jonny, kann ich die Rehlein auch mal sehen?“
„Na kloor mien Deern, kum rin. Hier hest du den Feldsteker. Du mötst dor dröben mang de Bööm kieken.“
„Donnerwetter, sie liegen da und, wenn mich nicht alles täuscht, handelt es sich um einen Bock und eine Ricke.“
Beide gickelten vor sich hin.
Noch am selben Tag konnte sie ihrer Schulfreundin erzählen, dass sie die Nackten von Jonnys Kuhle mit eigenen Augen gesehen habe.
Übrigens, das Schild, das die Nackten abschrecken sollte, steht heute noch nicht, und niemand hat sich weiter um die Umsetzung des Ratsbeschlusses vom 24. Juni gekümmert.

Letztlich waren alle ganz zufrieden, so aus der Angelegenheit herausgekommen zu sein.
Alle, außer Stine Willers, der Frau von Tönies.
Von wegen, dass die deutschen Parlamentarier in ihrem Willen und ihrer Entscheidung frei sind.
In Berlin vielleicht aber nicht in Weidenfleth!
Während eines winterlichen Kaffeeklatsches bei Stine Willers, als die Likörflasche nur noch gerade eben den Boden bedeckt hatte, traute Gerda Hauschildt sich zu fragen.
„Sag mal, Stine, wieso hatte Tönies das eigentlich im Sommer plötzlich so mit der Moral und so? Ich kenne ihn ja noch ganz gut von früher, also vor deiner Zeit. Also da war er ja ganz schön locker und je mehr Fleisch zu sehen war …“
„Ich war es. Ich hatte ihn zu dem Antrag gezwungen. Hatte ihm gesagt, wenn er es nicht macht, gehe ich rüber zu den Hamburgern, der roten Zora. Ich wollte nicht, dass es noch einmal passiert. Schon gar nicht wegen der dickbusigen Schlampe mit den roten Zöpfen, die vor drei Jahren die Kate von Martha Engel an der Scheidung gekauft hatte.“
„Wie? Was? Was ist passiert?“
Es wurde mucks Mäuschen still im Raum.
„Wisst ihr noch, als wir unseren neuen Fendt hatten, musste der doch gleich über eine Woche in die Werkstatt. Tönjes hat die Vorderachse und die Lenkung im Graben zu Schrott gefahren. Bei Jonny von Allwörden an der Kuhle. Der Trottel! Statt auf die Straße zu gucken hat er nur zu den Nackedeis rübergeguckt.“
„Ja, aber Stine, das ist doch nicht schlimm, so´n  paar Nackedeis. Gibt es doch schon in jedem Familienfilm im Fernsehen zu sehen.“
„Von Internet ganz zu schweigen. Was es da alles für Sauereien zu sehen gibt“, bringt Almut Köster sich ein.
„Nee, das versteht ihr völlig verkehrt. Ich hab´ doch nichts gegen die Nackedeis. Aber 2400 € für die Schlepperreparatur nur wegen der beiden Spinner von der Scheidung.
Nee, Gerda und Almut, 2400 €, dann soll er sich lieber die Nackedeis im Fernsehen angucken!“

Die zweite Likörflasche machte die Runde im ohnehin schon sehr heiteren Damenkränzchen.
„Und“, griff Melanie Uhtenwoldt das Gespräch von vorher wieder auf, „bist du noch rüber?“
„Ja. Und ob ihr es glaubt oder nicht. Die waren super nett. Hatten auch Klamotten an. Ich musste dann ´ne Tasse Tee mit ihnen trinken. Nicht so einen Tee, wie wir ihn haben. Irgendein sündhaft teures Zeug aus dem Himalaya. Gibt es nur in der Speicherstadt. Schmeckt zum Kotzen. Zweimal haben sie mich gefragt, ob mir der Tee schmeckt. Und ich habe immer geantwortet „Nicht übel“, obwohl ich schon kurz davor war.“
„Und, hast du sie auf den Pott gesetzt? Von wegen nackt in der Öffentlichkeit rumlaufen?“
„Nö. Da haben sie ganz alleine von angefangen. Wir sollten nach diesem Zeitungsartikel bloß nicht glauben, dass sie solche, na ja, ihr wisst schon, so Typen sind, die sich vor anderen ausziehen. Wenn sie gewusst hätten, dass man sie dort sehen kann, an der Kuhle am alten Deich, sie hätten sich dort niemals nackt gezeigt. Und dann haben sie mir erzählt, dass sie überzeugte Nudisten seien, nur so für sich, weil das Nacktsein den Körper so befreit. Sie haben sich jetzt einen „Nacktgarten“ angelegt, in den man nicht von außen hineinsehen kann.“
„Außer Tönies, wenn er mit dem Fendt vorbeifährt!“
Es dauerte einen Moment, bis die Frauen wieder zur Ruhe kamen.
„Ja, die waren wirklich nett. Wir sagen nun auch „du“ zueinander. Harald und Gerlinde. Tönies, der ja bekanntlich nicht so gerne spricht, hat dann als das Nacktthema mal wieder zur Sprache kam, gesagt: „Weißt du Gerlinde, ein Nacktgarten geht bei uns nicht, weil wir rund ums Haus Kälberweide haben. Kälber sind unser Broterwerb. Von Nacktsein können wir nicht satt werden.“
Das leuchtete Gerlinde ein, schließlich konnte sie als Unternehmensberaterin wirtschaftlich denken. Dann lächelte sie plötzlich und sagte: „Harald, Schatz, was hältst du davon? Wenn Stine und Tönies keinen Nacktgarten bei sich haben können, können sie ja unseren benutzen.“
„Gute Idee, Liebes. Natürlich könnt ihr hier immer entspannen, wenn euch danach ist. Dafür ist er ja da, der Nacktgarten.“
Es war wieder verdächtig still in Tinas Stube. Bis Gerda aussprach, was alle wohl dachten.
„Und, habt ihr es ausprobiert? Mein ja nur, ihr wirkt in letzter Zeit so entspannt.“
„Sag ich nicht! Aber, wenn ihr es unbedingt wissen wollt und gerade mal keiner auf dem Hof ist, könnt ihr euch ja den Fendt nehmen und mal eben bei Harald und Gerlinde vorbeifahren.“

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