Eigentlich
waren Nacktbaden und Nacktheit in Kolbingen, und schon gar nicht in
Nordkolbingen, jemals ein Thema in der Gemeindepolitik. Das sollte sich in den
späten Abendstunden des 24. Juni schlagartig ändern. Hier, im Weidenflether
Hof, tagte der Gemeinderat.
Es war die
Zeit, als in den Ratssitzungen noch geraucht wurde, die Mehrzahl der Roten
keinen und alle der Schwarzen noch einen Schlips trugen und nach hitzigsten zum
Teil hochpolitischen Diskussionen Bürgermeister Henning Großkopf doch fast
immer einen einstimmigen Beschluss bekam. Ja, damals war die Welt in
Weidenfleth noch in Ordnung. Henny
Oldenzaal aus dem Ordnungsamt musste das Protokoll schreiben. Außer ihr
schrieben noch zwei weitere Personen eifrig mit. Es waren Sanni Hoellerich vom
Tageblatt und Jupp Heinsohn, Fraktionsvorsitzender von den Roten. Jupp schrieb
mit, weil er oft zu Recht das Gefühl hatte, dass nachher im Protokoll nur das zu
lesen stand, was Henning Großkopf dort haben wollte. Das wiederum hatte zum
Beginn jeder Ratssitzung zur Folge, dass erbittert um die Ergänzung des
Protokolls um Jupp Heinsohns Redebeiträge aus der letzten Ratssitzung gerungen
wurde. Da die Schwarzen eine Mehrheit von einem Sitz im Rat hatten, hätte Jupp
Heinsohn sich die Debatte getrost sparen können.
Am Tresen
des Weidenflether Hofes hat zwar mancher von den Schwarzen dem netten Jupp
Recht gegeben. In der Abstimmung dann konnte Bgm. Großkopf sich auf seine
Fraktion verlassen. Hein Möller kann ein Lied davon singen, was passiert, wenn
man als Weidenflether Christdemokrat von seinem verfassungsmäßigen Recht der
freien Meinungsäußerung Gebrauch macht. Von wegen, dass der gewählte
Volksvertreter nur seinem Gewissen gegenüber verantwortlich ist. Als er, Heini,
sich getraut hatte, die verkehrsberuhigenden
Maßnahmen des Bürgermeisters öffentlich in Frage zu stellen, trat der
Bürgermeister einen Shitstorm (den Begriff gab es damals noch nicht, er hätte
aber sehr gut gepasst) ungeahnten Ausmaßes gegen seinen Fraktionskollegen los.
Das wollte niemand selber erleben. Lieber die Klappe halten und bei der
nächsten Kommunalwahl wieder über die Liste des Bürgermeisters in den Rat
einziehen.
Hoellerich
schrieb, weil sie dafür bezahlt wurde und die Öffentlichkeit schließlich ein
Recht drauf hätte zu erfahren, was in Weidenfleth abgeht.
Die
zahlreiche Öffentlichkeit war durch Kapitän im Ruhestand, Jonny von Allwörden,
vertreten, der nur von seinem Stock begleitet wurde. Seinen Hund durfte er
nicht mehr mitbringen, seit Gaby Wüstenfeld bei der letzten Kommunalwahl
mitsamt ihrer Hundehaarallergie in den Rat gewählt worden war. Jonny schrieb
nichts auf. Er verließ sich voll und ganz auf die Hoellerich vom Tageblatt und
das, was er im Kopf behielt. Manchmal schaltete Jonny sich vom Zuschauerplatz
in die Diskussion ein. Das wurde ihm immer dann vom Bürgermeister gemäß NGO
(Nieders. Gemeindeordnung) verboten, wenn er sich im Sinne der Roten äußerte.
Passte Jonnys Beitrag zu Großkopfs Meinung, kam die NGO nicht zum Einsatz.
„Meine sehr
verehrten Ratskolleginnen und Ratskollegen, ein interessanter Beitrag von
Jonny. Berücksichtigen Sie das bitte bei Ihrer Entscheidung.“
Ja, so war
er der Großkopf. Nickte Jonny wohlwollend mit aufgesetztem Grinsen zu und zog
etwas zu laut hoch, was sich sonst unweigerlich dem Gesetz der Schwerkraft
folgend seinen Weg aus der Nase in Richtung Erde gesucht hätte.
Diese
Ratssitzung am 24. Juni war von großer Normalität bestimmt. Protokollgeplänkel
und kontroverse Redebeiträge. Willi Koehn fehlte bei den Schwarzen und als die
Mehrheit für den Bürgermeistervorschlag zu kippen drohte, brachte Großkopf
seine letzte und wirkungsvollste Waffe zum Einsatz.
„Meine Damen
und Herren, ich sage nur Kommunalaufsicht! Ohne die geht gar nichts. Wenn Sie
mir hier nicht zustimmen kann das katastrophale Folgen auf die
Schlüsselzuweisungen vom Land haben. Katastrophale Folgen für unseren Haushalt.
Wenn Sie das
wollen, bitte! Dann sagen Sie das bitte aber auch den Bürgerinnen und Bürgern
von Weidenfleth!“
Ernst in die
Runde blickend lässt er sich in die Rückenlehne seines Stuhles fallen, setzt
sein Nasenspray für alle gut sichtbar ein und ruft zur Abstimmung auf.
Zufrieden
kann Henning Großkopf einen einstimmigen Beschluss zu Protokoll geben.
„So muss es
laufen“, denkt er, „wenn man seinen Laden im Griff hat!“
Gerade will
er die Sitzung schließen, hatte schon die Vorlagen in seiner kleinen Ledermappe
verstaut, als sich sein Fraktionskollege Tönies Willers, Landwirt aus dem
Grenzbereich zwischen der Weidenflether Marsch und dem Moor zu Wort meldete.
„Ja, Tönies,
was gibt es noch?“
Tönies ist
kein Mann der großen Worte. War er noch nie. Er schweigt lieber vor sich hin
und stimmt im entscheidenden Moment richtig ab. Tönies weiß, was sich gehört.
Nie kommt er ohne Krawatte und Jackett zur Ratssitzung. Auch, wenn die schwarze
Manchesterhose und die ausgetretenen Halbschuhe heute Nachmittag schon die
Geburt eines Bullenkalbes miterlebt haben, macht die obere Hälfte, die allein
ja oberhalb der Tischkante sichtbar ist, ordentlich was her. Tönies steht auf,
zieht sich das Jackett überm Hinterteil glatt, räuspert sich mehrfach und legt
dann los.
„Sehr
geehrter Herr Vorsitzender.“
Typisch
Tönies! Sonst ist er mit Henning Großkopf per Du. Nun muss er doch schnell
einmal herauskehren, dass er weiß, was sich gehört. Da ist er manch einem
seiner gelegentlich überheblichen Fraktionskollegen aus der Weidenflether
Marsch doch meilenweit überlegen.
„Also Herr
Vorsitzender, ich habe da noch einen Initschiativantrag.“
„Tönies,
steht nicht auf der Tagesordnung, können wir heute nicht mehr behandeln.“
„Deswegen ja
Initschiativantrag. Kann man immer einbringen. Hat mir der Hamburger von
nebenan gesagt. Der ist Rechtsanwalt.“
„Also ne,
Tönies.“
Sanni
Hoellerich, die bereits aufgestanden war, setzt sich wieder. Initiativantrag in
Weidenfleth. Das hat es hier ja noch nie gegeben. Außerdem, fand sie es
spannend zu erleben, dass Tönies Willers auch eine Stimme besaß.
Die
Ollenzaal beugt sich zum Bürgermeister und erklärt ihm, was ein Initiativantrag
ist. Noch bevor sie mit ihrer Erklärung fertig war, hatte Großkopf sich schon
entschieden, den Antrag seines Fraktionskollegen zuzulassen. Ihm war nämlich eben
gerade eingefallen, dass die Windmühlengesellschaft, an der auch er beteiligt
war, ein Wegerecht von Tönies Willers benötigte. Hätte schlecht gepasst, wenn
er Tönies nun nicht das Wort erteilt hätte.
„Also los,
Tönies, was willst du beantragen?“
„Ich
beantrage, dass Nacktbaden und überhaupt Nacktgehen in der Weidenflether
Öffentlichkeit verboten wird.“
Das hat
gesessen! Sekundenlang herrschte Ruhe auf dem Saal des Weidenflether Hofes.
Dann Gemurmel und vereinzeltes Gelächter. Ein fröhlicher Austausch über den
Tisch, über die Fraktionsgrenzen hinweg setzte ein. Die Frau von der Zeitung
hat ihren Block wieder ausgepackt und schaut aufmerksam und auch ein wenig
amüsiert Von Willers zu Großkopf und wieder zurück.
Tönies ist
etwas überrascht von dem, was er soeben ausgelöst hatte. Leicht irritiert sagt
er
„Danke, dass
Sie mir zugehört haben“, und setzte sich.
„Ruhe meine
Damen und meine Herren, Ruhe bitte. Tönies, gibt es vielleicht auch noch eine
Begründung für deinen Antrag?“
Tönies steht
wieder auf.
„Nu sett di
mool weller daal, Tönies. Dat op un daal dat mookt mi jo ganz kirre in Kopp.“
Tönies setzt
sich.
„Also,
während der Ausübung meines Berufes als Landwirt musste ich in den vergangenen
Wochen vermehrt Nacktbadern begegnen. Also Hamburger, die hier nackt baden.“
Selbst der
Bürgermeister musste schmunzeln. Außer Tönies Willers hat anscheinend niemand
der Anwesenden „das Problem“ in der Gemeinde wahrgenommen.
„Wo siehst
du nackte Leute baden und woher weißt du, dass es Hamburger sind“? fragt der
rote Jupp seinen Ratskollegen quer über den Tisch.
„An der
Kuhle, bei Jonny von Allwörden.“
„Stimmt“,
ruft Jonny, „ich beobachte ja immer die Rehe aus meinem Küchenfenster mit´m
Fernglas.“ Und dann rutscht Jonny in seine Muttersprache.
„Jümmer,
wenn de Hamborger taun Booden kümmt, dann haut de Dierten af. Tauerst har ick
mi argert oober denn har ick jo wat anners tau bekieken. Bi lütten har ick mi
schon gau gewöhnt an de beeden. Se hebt jümmer densülbigten Platz an de anner
Siet vun de Kuhl blank den grooten Böm. Dann breet se een Decke in´t Gras ut, smiet ehre Klamotten vun Lief. Se
kunn jo nich weten, dat ick vun mine Kök mang twee Weidenböm jüst op ehrn
Loogerplatz kieken kann.“
Der
Bürgermeister fragt Jonny noch einmal, wo genau der Lagerplatz der beiden ist.
Die NGO hat
er vergessen.
„Kann man
den Platz denn auch von der Straße einsehen?“
„Normal
geiht dat nich, dat Gras un dat Schilf is tau hoch. Geiht nur vun min
Kökenfinster. Oder, Tönies, vertell doch mool, as wie du dat jümmer mookst.“
Tönies ist
nicht wohl in seiner Haut. Das hätte nun wirklich nicht so laufen dürfen. Sanni
Hoellerichs Kugelschreiberspitze bewegt sich in Mordstempo über das Papier. Das
ist doch echt ´mal etwas anderes aus Weidenfleth. Sie sieht schon die
verschiedensten Schlagzeilen vor sich.
„Nudisten erobern Weidenfleth“ oder „Eklat im Rat: Nackte Haut sorgt für
Aufregung während Ratssitzung“. Schön wäre auch: „Sextouristen haben
Weidenflether Idylle entdeckt.“
„Herr
Vorsitzender, wir befinden uns noch in der Sitzung, laut NGO darf Jonny sich
nicht an der Debatte beteiligen.“
„Tut mir
leid, Tönies. Ich setzte kraft meines Amtes die NGO vorübergehend außer Kraft.“
Das hat er
mit vollem Wissen darüber gesagt, dass er natürlich kein Landesrecht außer
Kraft setzen darf. Aber, wenn es der Sache dient, muss sich die Demokratie
durchaus auch schon mal den aktuellen Bedingungen anpassen. Das hat früher schon
geklappt und wird auch heute wieder klappen.
„Was stört
dich denn so an den Nackten an Jonnys Kuhle?“
Tönies will
sich schon wieder erheben, wird aber von seinem Nachbarn Abbenseth am Ärmel
gezogen und bleibt sitzen.
„Herr
Vorsitzender, es ist wegen der Moral und der Schulkinder. Außerdem könnte es
dem Tourismus schaden.“
Dann mischt
Gaby Wüstenfeld sich in die Debatte. Für sie ist immer noch nicht geklärt, wie
Tönies es denn macht, also das Gucken von der Straße aus.
„Also nicht,
dass ihr nun denkt, dass ich auch mal gucken will, aber interessieren täte es
mich schon, Tönies. Wie machst du das denn?“
Tönies sieht
zur Seite und schweigt.
Stattdessen
schaltet Jonny sich wieder ein:
„Taueers har
ick dacht, hei har wat an sien Oors. Jümmer, wenn hei mit den vull´ n
Miststreuer vörbiföhr un dann weller op´n
Trüchwech stellt hei sick bi´n
Föhrn op de Been un luschert no de anner Siet vuné Kuhl. Ha ´n lütt
beten duert bit ick rutfunnen har, dat hei nur so sehn kann, wat ick vun mine
Kök in Sitten un mit´n Feldstecher veel
beter bekieken kann.“
„Is dat so,
Tönies?“
„Ja, anders
hätte ich doch nicht herausbekommen, ob sie sich unsittlich verhalten.“
Großkopf
blickt in die Runde. „Was machen wir denn nun damit?“
Ausgerechnet
der rote Jupp meldet sich zu Wort.
„Wir können
doch kein Verbot erlassen, nur weil hier zwei Nackedeis an der Kuhle liegen,
noch dazu, wenn man einen Trecker braucht, um etwas zu sehen. Von Jonny mal
ganz abgesehen. Aber der will ja eigentlich ohnehin nur seine Rehe beobachten.
Ich bin gegen ein offizielles Verbot.“
Henning
Großkopf, der immer noch an das Wegerecht zu den Windmühlen dachte und schon
aus Prinzip Heinsohns Vorschläge für schlecht befinden musste, griff
vermittelnd ein.
„Ja, Tönies,
deine Bedenken sind nicht von der Hand zu weisen. Besonders auch wegen der
Kinder. Leuchtet mir ein. Und, wenn die Nacktbaderei hier Schule macht, dann
haben wir statt sanftem Familientourismus ein Nudistenzentrum in Weidenfleth.
Mein Vorschlag: Wir stellen einfach vorne an der Straße ein Schild auf, auf dem
steht „Baden verboten“.“
Das war der
kleinste gemeinsame Nenner. Der Beschluss wurde einstimmig gefasst und der
erste Initiativantrag in Weidenfleth war vom Tisch.
Sanni
Hoellerich musste nach Rücksprache mit ihrem Chefredakteur die etwas verwirrende
Überschrift:“Nackt ja! – Baden nein!“ über ihren Bericht setzen.
Am nächsten
Tag stand der Hamburger Wagen wieder an der Kuhle. Zufällig kam Gaby Wüstenfeld
mit dem Fahrrad vorbei und schaute bei Jonny rein.
„Na Jonny,
kann ich die Rehlein auch mal sehen?“
„Na kloor
mien Deern, kum rin. Hier hest du den Feldsteker. Du mötst dor dröben mang de
Bööm kieken.“
„Donnerwetter,
sie liegen da und, wenn mich nicht alles täuscht, handelt es sich um einen Bock
und eine Ricke.“
Beide
gickelten vor sich hin.
Noch am
selben Tag konnte sie ihrer Schulfreundin erzählen, dass sie die Nackten von
Jonnys Kuhle mit eigenen Augen gesehen habe.
Übrigens,
das Schild, das die Nackten abschrecken sollte, steht heute noch nicht, und
niemand hat sich weiter um die Umsetzung des Ratsbeschlusses vom 24. Juni
gekümmert.
Letztlich
waren alle ganz zufrieden, so aus der Angelegenheit herausgekommen zu sein.
Alle, außer
Stine Willers, der Frau von Tönies.
Von wegen,
dass die deutschen Parlamentarier in ihrem Willen und ihrer Entscheidung frei
sind.
In Berlin
vielleicht aber nicht in Weidenfleth!
Während
eines winterlichen Kaffeeklatsches bei Stine Willers, als die Likörflasche nur
noch gerade eben den Boden bedeckt hatte, traute Gerda Hauschildt sich zu
fragen.
„Sag mal,
Stine, wieso hatte Tönies das eigentlich im Sommer plötzlich so mit der Moral
und so? Ich kenne ihn ja noch ganz gut von früher, also vor deiner Zeit. Also
da war er ja ganz schön locker und je mehr Fleisch zu sehen war …“
„Ich war es.
Ich hatte ihn zu dem Antrag gezwungen. Hatte ihm gesagt, wenn er es nicht
macht, gehe ich rüber zu den Hamburgern, der roten Zora. Ich wollte nicht, dass
es noch einmal passiert. Schon gar nicht wegen der dickbusigen Schlampe mit den
roten Zöpfen, die vor drei Jahren die Kate von Martha Engel an der Scheidung
gekauft hatte.“
„Wie? Was?
Was ist passiert?“
Es wurde
mucks Mäuschen still im Raum.
„Wisst ihr
noch, als wir unseren neuen Fendt hatten, musste der doch gleich über eine
Woche in die Werkstatt. Tönjes hat die Vorderachse und die Lenkung im Graben zu
Schrott gefahren. Bei Jonny von Allwörden an der Kuhle. Der Trottel! Statt auf
die Straße zu gucken hat er nur zu den Nackedeis rübergeguckt.“
„Ja, aber
Stine, das ist doch nicht schlimm, so´n
paar Nackedeis. Gibt es doch schon in jedem Familienfilm im Fernsehen zu
sehen.“
„Von
Internet ganz zu schweigen. Was es da alles für Sauereien zu sehen gibt“,
bringt Almut Köster sich ein.
„Nee, das
versteht ihr völlig verkehrt. Ich hab´ doch nichts gegen die Nackedeis. Aber
2400 € für die Schlepperreparatur nur wegen der beiden Spinner von der
Scheidung.
Nee, Gerda
und Almut, 2400 €, dann soll er sich lieber die Nackedeis im Fernsehen angucken!“
Die zweite
Likörflasche machte die Runde im ohnehin schon sehr heiteren Damenkränzchen.
„Und“, griff
Melanie Uhtenwoldt das Gespräch von vorher wieder auf, „bist du noch rüber?“
„Ja. Und ob
ihr es glaubt oder nicht. Die waren super nett. Hatten auch Klamotten an. Ich
musste dann ´ne Tasse Tee mit ihnen trinken. Nicht so einen Tee, wie wir ihn
haben. Irgendein sündhaft teures Zeug aus dem Himalaya. Gibt es nur in der
Speicherstadt. Schmeckt zum Kotzen. Zweimal haben sie mich gefragt, ob mir der
Tee schmeckt. Und ich habe immer geantwortet „Nicht übel“, obwohl ich schon
kurz davor war.“
„Und, hast
du sie auf den Pott gesetzt? Von wegen nackt in der Öffentlichkeit rumlaufen?“
„Nö. Da
haben sie ganz alleine von angefangen. Wir sollten nach diesem Zeitungsartikel
bloß nicht glauben, dass sie solche, na ja, ihr wisst schon, so Typen sind, die
sich vor anderen ausziehen. Wenn sie gewusst hätten, dass man sie dort sehen
kann, an der Kuhle am alten Deich, sie hätten sich dort niemals nackt gezeigt.
Und dann haben sie mir erzählt, dass sie überzeugte Nudisten seien, nur so für
sich, weil das Nacktsein den Körper so befreit. Sie haben sich jetzt einen
„Nacktgarten“ angelegt, in den man nicht von außen hineinsehen kann.“
„Außer
Tönies, wenn er mit dem Fendt vorbeifährt!“
Es dauerte
einen Moment, bis die Frauen wieder zur Ruhe kamen.
„Ja, die
waren wirklich nett. Wir sagen nun auch „du“ zueinander. Harald und Gerlinde.
Tönies, der ja bekanntlich nicht so gerne spricht, hat dann als das Nacktthema
mal wieder zur Sprache kam, gesagt: „Weißt du Gerlinde, ein Nacktgarten geht
bei uns nicht, weil wir rund ums Haus Kälberweide haben. Kälber sind unser
Broterwerb. Von Nacktsein können wir nicht satt werden.“
Das leuchtete
Gerlinde ein, schließlich konnte sie als Unternehmensberaterin wirtschaftlich
denken. Dann lächelte sie plötzlich und sagte: „Harald, Schatz, was hältst du
davon? Wenn Stine und Tönies keinen Nacktgarten bei sich haben können, können
sie ja unseren benutzen.“
„Gute Idee,
Liebes. Natürlich könnt ihr hier immer entspannen, wenn euch danach ist. Dafür
ist er ja da, der Nacktgarten.“
Es war
wieder verdächtig still in Tinas Stube. Bis Gerda aussprach, was alle wohl
dachten.
„Und, habt
ihr es ausprobiert? Mein ja nur, ihr wirkt in letzter Zeit so entspannt.“
„Sag ich
nicht! Aber, wenn ihr es unbedingt wissen wollt und gerade mal keiner auf dem
Hof ist, könnt ihr euch ja den Fendt nehmen und mal eben bei Harald und
Gerlinde vorbeifahren.“
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