Gegensätze ziehen sich an.
Johannes,
mein Freund, macht sich Gedanken zu diesen oft zitierten Worten
„Gegensätze ziehen sich an – so sagt man ja gern bei der
Analyse von Beziehungen. Dick findet dünn, schlau dumm, sportlich unsportlich,
Tänzer Nichttänzer, chinesisches Essen oder norddeutsche Hausmannskost,
Katzenfreundin Haustierhasser,….
Wenn es denn
immer so einfach wäre.
Und doch!
Irgendetwas muss dran sein. Kennt doch jeder diese Paare, die so mannigfaltig
gegensätzlich sind, dass man sich schon fragt, wie das denn passt.
Sie groß, er
klein, sie liest gerne er braucht nicht einmal die Tageszeitung. Er läuft gern
Schi und sie läuft lieber ohne Schi, einfach nur so!
Nein
wirklich! Überall um mich herum gibt es dies Gegensatzpärchen.
Ja, und
stimmt es auch bei einem selber? Wie
sieht es denn bei mir aus?
Weiß nicht.
Oder?
Vielleicht
doch. Je länger ich über Maike und mich nachdenke.
Zieh´
die Hose hoch!
Du
hast da was an der Nase.
Kämm
dich mal, mach den Kragen raus.
Deine
Nägel könnten mal wieder…,
Du
weißt, dass hier 50 ist?!
Wenn
man die Küche macht gehört dazu, dass man auch die Spüle sauber macht …
Dass Mann
sich beim Pinkeln hinsetzt ist schon lange bei mir total verinnerlicht, so, wie
der Gebrauch der Klobürste. In ganz vielen Bereichen hat es bei mir schon
erhebliche Fortschritte gegeben. Meistens drehe ich auch die Heizung herunter,
wenn ich als letzter die Wohnstube verlasse.
Auf anderem
Gebiet bin ich einfach immer einen halben Schritt langsamer als Maike. Da denke
ich noch morgens, dass ich die Jeans wohl morgen mal in die Wäsche tun muss.
Beim Frühstück höre ich mir dann an, dass ich die Jeans heute nun wirklich
nicht mehr hätte anziehen dürfen.
Nicht anders
geht es mir mit dem Friseurbesuch. Nur ganz selten gelingt es mir zum Frisör zu
kommen, bevor ich eine Mahnung erhalten habe, dass es doch mal wieder fällig
sei. Dabei hatte ich mir schon einen Tag ausgeguckt, an dem es gut passen
könnte.
Und, wenn
ich dann doch mal schneller bin und stolz mit frisiertem Kopf und etwas Spray
im Haar zu Hause auflaufe, muss ich mir vielleicht auch noch die Frage gefallen
lassen, ob das denn schon wieder notwendig gewesen sei.
Mach
den Scheibenwischer aus, es regnet doch gar nicht mehr.
Fass´
bitte das Glas nur an, wenn du trinken
willst!
Du
hast auch dünnere Pullover!
Du
hast dich heute nicht rasiert.
Du
weißt, dass wir Küchenrolle hatten.
Hier
könnte aber auch mal wieder aufgeräumt werden.
Die
Lohnsteuer ist noch nicht gemacht …
Und dann der
Rasen! Immer, wenn er sich gerade etwas zurechtgewachsen hat, nicht mehr so abgerupft
aussieht und die Gänseblümchen sich wieder zu öffnen beginnen, muss schon
wieder gemäht werden.
Plötzlich
ist er gemäht und ich war es nicht.
Nicht, dass
ich ihn nicht hätte mähen wollen. Es ist nur so, dass ich ein paar Tage später gemäht
hätte.
Von der
Gartenhecke will ich gar nicht erst anfangen.
Du
kannst mal das Auto waschen.
Hier
muss mal dringend gelüftet werden.
Kauf
nicht immer so viele Bananen, wir essen die doch gar nicht auf.
Hast
du dich endlich beim Arzt angemeldet?
Hast
du beim Klempner angerufen?
Dieses
Hemd ist am Kragen aufgerippelt, das sollst du doch nicht mehr anziehen.
Hast
du Termin mit dem Dachdecker gemacht?
Kariert
und gestreift passt doch wirklich nicht zusammen.
Willst
du „das“ wirklich anlassen?
Das hört
sich nun wirklich alles ganz schön schlimm an.
Genau
betrachtet habe ich mich schon ganz schön gebessert: Von mir liegt keine
Schmutzwäsche rum. Ich packe sie dorthin, wo sie hingehört. Ich kann schon
alleine einkaufen, sogar auch ganz spontan erst im Geschäft ein Essen planen
und alle Zutaten in den richtigen Mengen einkaufen. Auch das Kochen gelingt mir
ganz gut. Zumindest sagen es die, die mein Essen probiert haben.
Leider
wieder die Schürze zu spät umgebunden. Ich hätte doch wissen müssen, dass die
Flecken aus dem Pullover so schlecht herausgehen.
Hast
du dir schon die Hände gewaschen?
Schnauf
nicht immer so!
Wie
du mit Garlef gesprochen hast, ist es verletzend.
Es
gibt noch anderes als ständig am Computer zu sitzen.
Die
Auffahrt ist immer noch nicht gespritzt…
Ja Vieles
stimmt wohl einfach nicht mit oder bei mir. Aber, ich kann doch helfen, wenn am
Computer oder Drucker etwas nicht stimmt. Ich finde (fast) überall hin mit dem
Auto oder auch zu Fuß. Mir gelingen auch mal ein paar Fotos ganz gut.
Vielleicht
gibt es ja noch etwas an mir, das gar nicht so ungut ist.
Überall
liegen Schokoladenkrümel herum.
Gestern
lag noch ein halbes Marzipanbrot in der Schublade.
Das
ist heute schon die zweite Flasche Bier.
Du
hast die Haustür nur einmal abgeschlossen und das Auto war auch wieder die
Nacht über offen.
Wenn ich
einen schlechten Tag habe, werde ich leicht
depressiv. Was ist los mit mir?
Bin ich
wirklich so schlecht, wie es sich anhört oder ich mich gerade fühle?
Warum habe ich eigentlich nichts zu bemängeln?
Ist bei
Maike denn alles perfekt?
Natürlich
nicht!
Aber das
Geheimnis, warum wir die ersten fünf Ehejahre, dann das verflixte siebente
Jahr, dann die hölzerne und sogar die silberne Hochzeit überstanden haben und
nun schon mehr als 40 Jahre verheiratet sind, besteht darin, dass ich nicht mit
gleicher Münze heimzahle.
Irgendwie
ticke ich wohl anders.
Oder habe
ich vielleicht schon einmal gesagt, dass ich ständig das Geschirr in der
Spülmaschine umstelle, dass ich es nicht leiden kann, wenn ich morgens den
Kaffeefilter vom Nachmittag vorher in der Maschine finde? Sage ich jedes Mal
etwas, wenn ich mich ins Auto quetschen muss, weil der Sitz fast bis ans
Lenkrad vorgezogen ist? Sag ich etwas, wenn ich in allen Räumen, in denen sich
niemand befindet, die Lichter lösche oder in einer Woche auch schon mal drei
Fahrten nach Stade anfallen? Was ist mit den Käsestücken an denen die
Käsescheiben im Bogen zwischen den Rindenteilen herausgearbeitet wurden?
Ich mäkele
auch nicht rum, wenn die Senftube unökonomisch zerdrückt ist statt ordentlich
von hinten aufgerollt. Nein, das mach ich nicht.
Meistens
nicht!
Und? Warum
nicht?
Ganz
einfach, weil wir unterschiedlich ticken, wir denken und handeln eben sehr oft
unterschiedlich.
Eine
Beziehungsberatung hätte uns vielleicht
längst schon geraten: Lassen Sie es raus!
Eher keine
gute Idee, denke ich für mich.
Eigentlich
kann das gar nicht gut gehen, was da bei uns abgeht. Eigentlich hätten wir gar
kein Paar werden dürfen. Einfach zu wenige Übereinstimmungen.
Auf der
anderen Seite haben wir es über 40 Jahre ganz gut miteinander ausgehalten.
Vielleicht
muss doch etwas dran sein, dass Gegensätze sich anziehen. Und wenn es bei den
meisten Paaren nicht so lange gut geht, wie bei uns, dann wahrscheinlich nur,
weil sie sich zu ähnlich sind. Und sei es nur, dass beide sich ständig ihre
Fehler gegenseitig unter die Nase reiben.“
Plötzlich
ist es still. Wir nehmen einen Schluck aus unseren Gläsern.
„Und“,
erwischt Johannes mich nicht ganz unvorbereitet, da ich während seiner
Schilderung die ganze Zeit an Ulla und mich denken musste, „bei euch ist es
wohl ganz anders?“
„Ach was“,
gab ich zur Antwort, „ kommt mir einiges doch ganz vertraut vor. Kopf hoch
Johannes, ihr habt noch neun Jahre bis
zur Goldenen. Wenn du so weiter machst, packt ihr das auch noch!“
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