Sonntag, 7. Februar 2016

Gegensätze ziehen sich an




Gegensätze ziehen sich an.
Johannes, mein Freund, macht sich Gedanken zu diesen oft zitierten Worten

„Gegensätze ziehen sich an – so sagt man ja gern bei der Analyse von Beziehungen. Dick findet dünn, schlau dumm, sportlich unsportlich, Tänzer Nichttänzer, chinesisches Essen oder norddeutsche Hausmannskost, Katzenfreundin Haustierhasser,….
Wenn es denn immer so einfach wäre.
Und doch! Irgendetwas muss dran sein. Kennt doch jeder diese Paare, die so mannigfaltig gegensätzlich sind, dass man sich schon fragt, wie das denn passt.
Sie groß, er klein, sie liest gerne er braucht nicht einmal die Tageszeitung. Er läuft gern Schi und sie läuft lieber ohne Schi, einfach nur so!
Nein wirklich! Überall um mich herum gibt es dies Gegensatzpärchen.
Ja, und stimmt es auch bei einem selber?  Wie sieht es denn bei mir aus?
Weiß nicht.
Oder?
Vielleicht doch. Je länger ich über Maike und mich nachdenke.

Zieh´ die Hose hoch!
Du hast da was an der Nase.
Kämm dich mal, mach den Kragen raus.  
Deine Nägel könnten mal wieder…,
Du weißt, dass hier 50 ist?!
Wenn man die Küche macht gehört dazu, dass man auch die Spüle sauber macht …

Dass Mann sich beim Pinkeln hinsetzt ist schon lange bei mir total verinnerlicht, so, wie der Gebrauch der Klobürste. In ganz vielen Bereichen hat es bei mir schon erhebliche Fortschritte gegeben. Meistens drehe ich auch die Heizung herunter, wenn ich als letzter die Wohnstube verlasse.
Auf anderem Gebiet bin ich einfach immer einen halben Schritt langsamer als Maike. Da denke ich noch morgens, dass ich die Jeans wohl morgen mal in die Wäsche tun muss. Beim Frühstück höre ich mir dann an, dass ich die Jeans heute nun wirklich nicht mehr hätte anziehen dürfen.
Nicht anders geht es mir mit dem Friseurbesuch. Nur ganz selten gelingt es mir zum Frisör zu kommen, bevor ich eine Mahnung erhalten habe, dass es doch mal wieder fällig sei. Dabei hatte ich mir schon einen Tag ausgeguckt, an dem es gut passen könnte.
Und, wenn ich dann doch mal schneller bin und stolz mit frisiertem Kopf und etwas Spray im Haar zu Hause auflaufe, muss ich mir vielleicht auch noch die Frage gefallen lassen, ob das denn schon wieder notwendig gewesen sei.

Mach den Scheibenwischer aus, es regnet doch gar nicht mehr.
Fass´  bitte das Glas nur an, wenn du trinken willst!
Du hast auch dünnere Pullover!
Du hast dich heute nicht rasiert.
Du weißt, dass wir Küchenrolle hatten.
Hier könnte aber auch mal wieder aufgeräumt werden.
Die Lohnsteuer ist noch nicht gemacht …

Und dann der Rasen! Immer, wenn er sich gerade etwas zurechtgewachsen hat, nicht mehr so abgerupft aussieht und die Gänseblümchen sich wieder zu öffnen beginnen, muss schon wieder gemäht werden.
Plötzlich ist er gemäht und ich war es nicht.
Nicht, dass ich ihn nicht hätte mähen wollen. Es ist nur so, dass ich ein paar Tage später gemäht hätte.
Von der Gartenhecke will ich gar nicht erst anfangen.

Du kannst mal das Auto waschen.
Hier muss mal dringend gelüftet werden.
Kauf nicht immer so viele Bananen, wir essen die doch gar nicht auf.
Hast du dich endlich beim Arzt angemeldet?
Hast du beim Klempner angerufen?
Dieses Hemd ist am Kragen aufgerippelt, das sollst du doch nicht mehr anziehen.
Hast du Termin mit dem Dachdecker gemacht?
Kariert und gestreift passt doch wirklich nicht zusammen.
Willst du „das“ wirklich anlassen?

Das hört sich nun wirklich alles ganz schön schlimm an.
Genau betrachtet habe ich mich schon ganz schön gebessert: Von mir liegt keine Schmutzwäsche rum. Ich packe sie dorthin, wo sie hingehört. Ich kann schon alleine einkaufen, sogar auch ganz spontan erst im Geschäft ein Essen planen und alle Zutaten in den richtigen Mengen einkaufen. Auch das Kochen gelingt mir ganz gut. Zumindest sagen es die, die mein Essen probiert haben.
Leider wieder die Schürze zu spät umgebunden. Ich hätte doch wissen müssen, dass die Flecken aus dem Pullover so schlecht herausgehen.

Hast du dir schon die Hände gewaschen?
Schnauf nicht immer so!
Wie du mit Garlef gesprochen hast, ist es verletzend.
Es gibt noch anderes als ständig am Computer zu sitzen.
Die Auffahrt ist immer noch nicht gespritzt…

Ja Vieles stimmt wohl einfach nicht mit oder bei mir. Aber, ich kann doch helfen, wenn am Computer oder Drucker etwas nicht stimmt. Ich finde (fast) überall hin mit dem Auto oder auch zu Fuß. Mir gelingen auch mal ein paar Fotos ganz gut.
Vielleicht gibt es ja noch etwas an mir, das gar nicht so ungut ist.

Überall liegen Schokoladenkrümel herum.
Gestern lag noch ein halbes Marzipanbrot in der Schublade.
Das ist heute schon die zweite Flasche Bier.
Du hast die Haustür nur einmal abgeschlossen und das Auto war auch wieder die Nacht über offen.

Wenn ich einen schlechten Tag habe, werde ich leicht  depressiv. Was ist los mit mir?
Bin ich wirklich so schlecht, wie es sich anhört oder ich mich gerade fühle?
Warum habe ich eigentlich nichts zu bemängeln?
Ist bei Maike denn alles perfekt?
Natürlich nicht!
Aber das Geheimnis, warum wir die ersten fünf Ehejahre, dann das verflixte siebente Jahr, dann die hölzerne und sogar die silberne Hochzeit überstanden haben und nun schon mehr als 40 Jahre verheiratet sind, besteht darin, dass ich nicht mit gleicher Münze heimzahle.
Irgendwie ticke ich wohl anders.
Oder habe ich vielleicht schon einmal gesagt, dass ich ständig das Geschirr in der Spülmaschine umstelle, dass ich es nicht leiden kann, wenn ich morgens den Kaffeefilter vom Nachmittag vorher in der Maschine finde? Sage ich jedes Mal etwas, wenn ich mich ins Auto quetschen muss, weil der Sitz fast bis ans Lenkrad vorgezogen ist? Sag ich etwas, wenn ich in allen Räumen, in denen sich niemand befindet, die Lichter lösche oder in einer Woche auch schon mal drei Fahrten nach Stade anfallen? Was ist mit den Käsestücken an denen die Käsescheiben im Bogen zwischen den Rindenteilen herausgearbeitet wurden?
Ich mäkele auch nicht rum, wenn die Senftube unökonomisch zerdrückt ist statt ordentlich von hinten aufgerollt. Nein, das mach ich nicht.
Meistens nicht!
Und? Warum nicht?
Ganz einfach, weil wir unterschiedlich ticken, wir denken und handeln eben sehr oft unterschiedlich.
Eine Beziehungsberatung hätte  uns vielleicht längst schon geraten: Lassen Sie es raus!
Eher keine gute Idee, denke ich für mich.
Eigentlich kann das gar nicht gut gehen, was da bei uns abgeht. Eigentlich hätten wir gar kein Paar werden dürfen. Einfach zu wenige Übereinstimmungen.
Auf der anderen Seite haben wir es über 40 Jahre ganz gut miteinander ausgehalten.
Vielleicht muss doch etwas dran sein, dass Gegensätze sich anziehen. Und wenn es bei den meisten Paaren nicht so lange gut geht, wie bei uns, dann wahrscheinlich nur, weil sie sich zu ähnlich sind. Und sei es nur, dass beide sich ständig ihre Fehler gegenseitig unter die Nase reiben.“

Plötzlich ist es still. Wir nehmen einen Schluck aus unseren Gläsern.
„Und“, erwischt Johannes mich nicht ganz unvorbereitet, da ich während seiner Schilderung die ganze Zeit an Ulla und mich denken musste, „bei euch ist es wohl ganz anders?“
„Ach was“, gab ich zur Antwort, „ kommt mir einiges doch ganz vertraut vor. Kopf hoch Johannes, ihr habt noch neun Jahre  bis zur Goldenen. Wenn du so weiter machst, packt ihr das auch noch!“

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