Dienstag, 26. Januar 2016

Begegnungen 5 * Franziska und Rainer Ulm




Franziska und Rainer Ulm

Anke Diercks, unsere Schulassistentin, hatte die Nachricht von ihrer Freundin Steffi Schlecker erhalten. Nun platzte sie in mein Büro. „Du musst unbedingt mal zum Alten Hafen. Da sind zwei Weltumpaddler oder so etwas Ähnliches.“ Sobald etwas Zeit war, fuhren Anke und ich zum Hafen. Es war ungewöhnlich warm für Oktober. Franziska und Rainer Ulm saßen in Sommerhemdchen vor dem Bootshaus. Sie warteten noch auf die Flut. Mit dem auflaufenden Wasser wollte Soni (Manfred Steuck) sie mit seiner Svenja durch den Hafenpriel hinaus auf die Elbe schleppen. Von dort wollten die beiden Paddler dann ihre Reise in Richtung Hamburg fortsetzen. Es war übrigens keine Weltumpaddlung. 




Aber das, was die beiden bis zu jenem Tag geleistet hatten, war schon erstaunlich genug. Für einen Bericht im Stader Tageblatt reichte ihre Geschichte allemal.

Hier ihre Stationen:
Start in Ulm: 1.5.2000
Österreich
Slowakei: Mai 2000
Ungarn: Juni 2000
Serbien ( auf dem Landweg, da es keine Paddelerlaubnis gab)
Rumänien: Schwarze Meer im Juli 2000
Bulgarien
Türkei: November 2000
Griechenland: April 2001 ; Insel Kos nach genau einem Jahr am 1.5.2001, Kilometer 3752
Italien: Oktober 2001; nach 65 Seemeilen über die Adria Landung im italienischen Gallipoli
Frankreich: Februar 2003 Monaco
Spanien: August 2003 Barcelona, Kilometer 8079, Weihnachten 2003 auf dem Strand bei Almunecar, Costa del Sol; nach 9482 km Ankunft in Chipiona am Atlantik
Portugal: 2004
Spanien
Frankreich: ab hier auf Flüssen und Kanälen; im Mai 2005 – nach fünf Jahren – Ankunft in Paris
Belgien
Holland
Deutschland: Ankunft in Freiburg am  3.Oktober 2005, Weiterreise zur Störmündung am 5.10.2005

Mein Bericht im Tageblatt:

Wer eine Reise tut, hat viel zu erzählen! Franziska und Rainer Ulm sind seit dem 1 Mai 2000 mit ihren Faltbooten  auf Europarundreise. Nach fünfeinhalb Jahren und über 11000 Kilometern ohne „Heimaturlaub“ übernachteten sie kurz vor ihrem Reiseziel Hamburg noch einmal in Freiburg. Sie erzählen gerne von ihren  Erlebnissen, wo immer sie an Land gehen sind sie schnell von wissbegierigen Menschen umgeben.
Vor sechs Jahren hatten die beiden Paddler von einer großen Reise geträumt. Von einer Reise, die sie durch die Vielfalt der Schöpfung Gottes führt, ihre Bedürfnisse an Komfort auf ein Minimum reduziert, täglich neue Herausforderungen aller Art bringt und immer wieder Kreativität  und Improvisationsgeschick erfordert. Franziska und Rainer Ulm ließen es nicht bei Träumerei. Sie suchten Sponsoren für ihr Reiseequipment, sparten etwas Geld und gaben ihre Jobs, Wohnung und ihr bisheriges Leben auf. „Nomen est omen“, weil ihr Familienname Ulm lautet wählten Franziska und Rainer die Stadt Ulm an der oberen Donau als Startpunkt für ihre ursprünglich auf zwei Jahre geplante Reise. Als sie Ulm hinter sich ließen, ahnten sie nicht, dass die Klepperfaltboote und ein kleines Zelt mit spartanischer Campingausrüstung ihr Zuhause für die nächsten 65 Monate sein sollten.
Mit jedem Stromkilometer wuchs nicht nur der Umfang der Oberarme. Täglich neue Eindrücke von der Natur und den Begegnungen mit den Menschen entlang der Reisestrecke boten Stoff für regelmäßige Berichte im Reisetagebuch. Je weiter das Paar sich von Ulm entfernte desto mehr interessierten sich die Menschen und Medien für die beiden Extremsportler. Über 200 Zeitungen und 90 Fernseh- und Radiosender berichteten über die Paddler aus dem fernen Deutschland. In Großstädten gab es regelrechte Pressekonferenzen. Politiker und Bürgermeister ließen sich gerne mit den paddelnden Gästen ablichten und Einladungen zum Essen wurden dankbar angenommen.
Die allseits entgegengebrachte Gastfreundschaft gehört zu den schönsten Erfahrungen, die Franziska und Rainer  mitgebracht haben. Oftmals konnte  der Benzinkocher verpackt bleiben, weil Menschen an den Ufern und Küsten aus Respekt vor der großen Leistung der Paddler spontane Einladungen zum Essen oder Übernachten aussprachen.
Es gab auch aufregende Erlebnisse, auf die Franziska und Rainer gerne verzichtet hätten: Uneinsichtige Grenzer oder Polizisten, Militärs in Sperrgebieten, eine Rattenüberpopulation auf einer winzigen Ägäis Insel oder Schlechtwetterphasen, die an irgendeinem unfreundlichen Gestade abgewartet werden mussten. Einmal ließen sich neugierige Pferde und Kühe nur noch durch abgefeuerte Signalmunition vom nächtlichen Überfall auf das Zelt der Paddler abhalten. Immer wieder bereitete Brandung Schwierigkeiten beim morgendlichen Start und nicht selten begann der Tagestörn schon mit einem vollgeschlagenen Boot und durchnässter Kleidung. Mit Respekt berichten die zwei von meterhohen Wellen im Atlantik und steiler Felsenküste, die ein Anlanden völlig unmöglich machte.
Für Seelenschmerz sorgte der Tod eines treuen Reisegefährten. Über viele Monate, vom Donaudelta bis nach Italien, begleitete eine zahme Ente die Paddler. An Menschen gewöhnt  ließ sie sich arglos im Hafen aus der Hand eines italienischen Fischers füttern ohne zu ahnen, dass ihr im nächsten Moment die gleiche Hand den Hals umdrehen würde.
In wenigen Tagen endet die spektakuläre Reise von Franziska und Rainer Ulm nach über 11000 Kilometern in Hamburg. Und was kommt dann? Zurück in den Beruf? Für die weitgereisten Paddler ist eine Rückkehr in ihr altes Leben nicht mehr vorstellbar. Sie wollen ihre Reise in Buchform aufarbeiten und ihr umfangreiches Fotomaterial für eine Diashow aufbereiten. Mit diesem Reisebericht planen sie dann durch den ganzen deutschsprachigen Raum  zu tingeln. Auf die Frage, ob sie denn schon eine neue Reiseidee hätten, lachten sie verschmitzt und nickten. Reden wollen sie noch nicht darüber, weil es zu schade wäre, wenn ihnen jemand anderes mit der Umsetzung ihrer Idee zuvor käme. 


Franziska und Rainer Ulm haben wenige Tage nach ihrem Aufbruch in Freiburg ihr  Ziel Hamburg erreicht. Dort hatten sie einen grandiosen Empfang von Freunden, Sponsoren, Medien und lokalen Politgrößen. Tatsächlich sind sie in den nächsten Jahren mit ihrer Multimedia Schau durch Deutschland gezogen. Die Nachrichten auf ihrer Homepage werden zunehmend dünner. Rainer scheint eine Designfirma zu betreiben. Es gibt Hinweise darauf, dass die Familie sich vergrößert hat. Mit der Idee, die Geschichte der Paddler in meine Reihe „Begegnungen“ aufzunehmen, habe ich versucht, Kontakt zu den beiden aufzunehmen, um etwas über ihr weiteres Leben zu erfahren. Meine Mail kam nicht zurück. Leider auch keine Antwort.


Ich war wohl ein wenig zu ungeduldig. Heute, am 27.1.2016 erreichte mich eine Antwort von Franziska und Rainer.

Hallo und viele Grüße aus Mittelfranken,
haben uns sehr über deine E-Mail gefreut -  ja lange, lange ist es her....
danke auch für die Bilder – die hatten wir noch nicht von dir bekommen.
Bin ja gespannt auf dein Geschichtenbuch -  bitte gib uns Bescheid wenn es fertig ist!
Ja Vorträge machen wir noch aber nur wenn wir eingeladen werden. Ist auch zeitlich immer sehr eng bei uns!
Mittlerweile sind wir gut gelandet wir sind stolze Eltern von  -  und hier fallen wir aus der Norm –
wie auch bei unserer Tour -  4 Kindern (drei Jungs und ein Mädchen) im Alter von 9,7,5 und 3.
Also im Hause Ulm ist was los.
Wenn es dich interessiert Rainer arbeitet als Selbständiger siehe Homepage: www.rainer-ulm-design.de
und die Kids die du da siehst sind alles unsere...
Oft sind wir in unseren Gedanke auf unserer Tour und erinnern uns gerne
an all die wunderbaren aber auch gefährlichen Dinge - 
Freuen uns wiedermal von dir zu hören -  und wünschen Gottes Segen
die Ulm´s
Rainer und Franziska

Danke für eure Antwort. Ich habe mir eure Homepage noch einmal aufmerksam angesehen. Außer euren netten Kindern sind mir die ausgesprochen kreativen Arbeiten von Rainer aufgefallen. Sie verraten Individualität und irgendwo setzt sich in eurer Arbeit fort, was ihr schon auf eurer einzigartigen Reise über Europas Flüsse und Meere gezeigt habt.  Macht weiter so, und wenn euch einmal wieder der Weg nach Freiburg führt, seid ihr herzlich willkommen, egal, ob mit oder ohne Vortrag.

 

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