Franziska und Rainer Ulm
Anke
Diercks, unsere Schulassistentin, hatte die Nachricht von ihrer Freundin Steffi
Schlecker erhalten. Nun platzte sie in mein Büro. „Du musst unbedingt mal zum
Alten Hafen. Da sind zwei Weltumpaddler oder so etwas Ähnliches.“ Sobald etwas
Zeit war, fuhren Anke und ich zum Hafen. Es war ungewöhnlich warm für Oktober.
Franziska und Rainer Ulm saßen in Sommerhemdchen vor dem Bootshaus. Sie
warteten noch auf die Flut. Mit dem auflaufenden Wasser wollte Soni (Manfred
Steuck) sie mit seiner Svenja durch den Hafenpriel hinaus auf die Elbe
schleppen. Von dort wollten die beiden Paddler dann ihre Reise in Richtung
Hamburg fortsetzen. Es war übrigens keine Weltumpaddlung.
Aber das, was die beiden bis zu jenem Tag geleistet hatten, war schon erstaunlich genug. Für einen Bericht im Stader Tageblatt reichte ihre Geschichte allemal.
Hier ihre Stationen:
Start in Ulm: 1.5.2000
Österreich
Slowakei:
Mai 2000
Ungarn: Juni
2000
Serbien (
auf dem Landweg, da es keine Paddelerlaubnis gab)
Rumänien:
Schwarze Meer im Juli 2000
Bulgarien
Türkei:
November 2000
Griechenland:
April 2001 ; Insel Kos nach genau einem Jahr am 1.5.2001, Kilometer 3752
Italien:
Oktober 2001; nach 65 Seemeilen über die Adria Landung im italienischen
Gallipoli
Frankreich:
Februar 2003 Monaco
Spanien:
August 2003 Barcelona, Kilometer 8079, Weihnachten 2003 auf dem Strand bei
Almunecar, Costa del Sol; nach 9482 km Ankunft in Chipiona am Atlantik
Portugal:
2004
Spanien
Frankreich:
ab hier auf Flüssen und Kanälen; im Mai 2005 – nach fünf Jahren – Ankunft in
Paris
Belgien
Holland
Deutschland:
Ankunft in Freiburg am 3.Oktober 2005,
Weiterreise zur Störmündung am 5.10.2005
Mein Bericht im Tageblatt:
Wer eine Reise tut, hat viel zu erzählen!
Franziska und Rainer Ulm sind seit dem 1 Mai 2000 mit ihren Faltbooten auf Europarundreise. Nach fünfeinhalb Jahren
und über 11000 Kilometern ohne „Heimaturlaub“ übernachteten sie kurz vor ihrem
Reiseziel Hamburg noch einmal in Freiburg. Sie erzählen gerne von ihren Erlebnissen, wo immer sie an Land gehen sind
sie schnell von wissbegierigen Menschen umgeben.
Vor sechs Jahren hatten die beiden Paddler
von einer großen Reise geträumt. Von einer Reise, die sie durch die Vielfalt
der Schöpfung Gottes führt, ihre Bedürfnisse an Komfort auf ein Minimum
reduziert, täglich neue Herausforderungen aller Art bringt und immer wieder
Kreativität und Improvisationsgeschick
erfordert. Franziska und Rainer Ulm ließen es nicht bei Träumerei. Sie suchten
Sponsoren für ihr Reiseequipment, sparten etwas Geld und gaben ihre Jobs,
Wohnung und ihr bisheriges Leben auf. „Nomen est omen“, weil ihr Familienname
Ulm lautet wählten Franziska und Rainer die Stadt Ulm an der oberen Donau als
Startpunkt für ihre ursprünglich auf zwei Jahre geplante Reise. Als sie Ulm
hinter sich ließen, ahnten sie nicht, dass die Klepperfaltboote und ein kleines
Zelt mit spartanischer Campingausrüstung ihr Zuhause für die nächsten 65 Monate
sein sollten.
Mit jedem Stromkilometer wuchs nicht nur der
Umfang der Oberarme. Täglich neue Eindrücke von der Natur und den Begegnungen
mit den Menschen entlang der Reisestrecke boten Stoff für regelmäßige Berichte
im Reisetagebuch. Je weiter das Paar sich von Ulm entfernte desto mehr
interessierten sich die Menschen und Medien für die beiden Extremsportler. Über
200 Zeitungen und 90 Fernseh- und Radiosender berichteten über die Paddler aus
dem fernen Deutschland. In Großstädten gab es regelrechte Pressekonferenzen.
Politiker und Bürgermeister ließen sich gerne mit den paddelnden Gästen
ablichten und Einladungen zum Essen wurden dankbar angenommen.
Die allseits entgegengebrachte
Gastfreundschaft gehört zu den schönsten Erfahrungen, die Franziska und
Rainer mitgebracht haben. Oftmals
konnte der Benzinkocher verpackt bleiben,
weil Menschen an den Ufern und Küsten aus Respekt vor der großen Leistung der
Paddler spontane Einladungen zum Essen oder Übernachten aussprachen.
Es gab auch aufregende Erlebnisse, auf die
Franziska und Rainer gerne verzichtet hätten: Uneinsichtige Grenzer oder
Polizisten, Militärs in Sperrgebieten, eine Rattenüberpopulation auf einer
winzigen Ägäis Insel oder Schlechtwetterphasen, die an irgendeinem
unfreundlichen Gestade abgewartet werden mussten. Einmal ließen sich neugierige
Pferde und Kühe nur noch durch abgefeuerte Signalmunition vom nächtlichen
Überfall auf das Zelt der Paddler abhalten. Immer wieder bereitete Brandung
Schwierigkeiten beim morgendlichen Start und nicht selten begann der Tagestörn
schon mit einem vollgeschlagenen Boot und durchnässter Kleidung. Mit Respekt
berichten die zwei von meterhohen Wellen im Atlantik und steiler Felsenküste,
die ein Anlanden völlig unmöglich machte.
Für Seelenschmerz sorgte der Tod eines treuen
Reisegefährten. Über viele Monate, vom Donaudelta bis nach Italien, begleitete
eine zahme Ente die Paddler. An Menschen gewöhnt ließ sie sich arglos im Hafen aus der Hand
eines italienischen Fischers füttern ohne zu ahnen, dass ihr im nächsten Moment
die gleiche Hand den Hals umdrehen würde.
In wenigen Tagen endet die spektakuläre Reise
von Franziska und Rainer Ulm nach über 11000 Kilometern in Hamburg. Und was
kommt dann? Zurück in den Beruf? Für die weitgereisten Paddler ist eine
Rückkehr in ihr altes Leben nicht mehr vorstellbar. Sie wollen ihre Reise in
Buchform aufarbeiten und ihr umfangreiches Fotomaterial für eine Diashow
aufbereiten. Mit diesem Reisebericht planen sie dann durch den ganzen
deutschsprachigen Raum zu tingeln. Auf
die Frage, ob sie denn schon eine neue Reiseidee hätten, lachten sie
verschmitzt und nickten. Reden wollen sie noch nicht darüber, weil es zu schade
wäre, wenn ihnen jemand anderes mit der Umsetzung ihrer Idee zuvor käme.
Franziska und Rainer Ulm haben wenige Tage nach ihrem Aufbruch in Freiburg ihr Ziel Hamburg erreicht. Dort hatten sie einen grandiosen Empfang von Freunden, Sponsoren, Medien und lokalen Politgrößen. Tatsächlich sind sie in den nächsten Jahren mit ihrer Multimedia Schau durch Deutschland gezogen. Die Nachrichten auf ihrer Homepage werden zunehmend dünner. Rainer scheint eine Designfirma zu betreiben. Es gibt Hinweise darauf, dass die Familie sich vergrößert hat. Mit der Idee, die Geschichte der Paddler in meine Reihe „Begegnungen“ aufzunehmen, habe ich versucht, Kontakt zu den beiden aufzunehmen, um etwas über ihr weiteres Leben zu erfahren. Meine Mail kam nicht zurück. Leider auch keine Antwort.
Ich war wohl
ein wenig zu ungeduldig. Heute, am 27.1.2016 erreichte mich eine Antwort von
Franziska und Rainer.
Hallo und viele Grüße aus
Mittelfranken,
haben uns sehr über deine E-Mail
gefreut - ja lange, lange ist es her....
danke auch für die Bilder – die
hatten wir noch nicht von dir bekommen.
Bin ja gespannt auf dein
Geschichtenbuch - bitte gib uns Bescheid wenn es fertig ist!
Ja Vorträge machen wir noch aber
nur wenn wir eingeladen werden. Ist auch zeitlich immer sehr eng bei uns!
Mittlerweile sind wir gut
gelandet wir sind stolze Eltern von - und hier fallen wir aus der
Norm –
wie auch bei unserer Tour -
4 Kindern (drei Jungs und ein Mädchen) im Alter von 9,7,5 und 3.
Also im Hause Ulm ist was los.
Wenn es dich interessiert Rainer
arbeitet als Selbständiger siehe Homepage: www.rainer-ulm-design.de
und die Kids die du da siehst
sind alles unsere...
Oft sind wir in unseren Gedanke
auf unserer Tour und erinnern uns gerne
an all die wunderbaren aber auch
gefährlichen Dinge -
Freuen uns wiedermal von dir zu
hören - und wünschen Gottes Segen
die Ulm´s
Rainer und Franziska
Danke für eure Antwort. Ich habe
mir eure Homepage noch einmal aufmerksam angesehen. Außer euren netten Kindern
sind mir die ausgesprochen kreativen Arbeiten von Rainer aufgefallen. Sie
verraten Individualität und irgendwo setzt sich in eurer Arbeit fort, was ihr
schon auf eurer einzigartigen Reise über Europas Flüsse und Meere gezeigt habt. Macht weiter so, und wenn euch einmal wieder
der Weg nach Freiburg führt, seid ihr herzlich willkommen, egal, ob mit oder
ohne Vortrag.
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