Notizen übers Chef
Einzel Z5
Bevor ich weiter schreibe: Chef Einzel Z5 heißt, dass ich
einmal in der Woche als Privatpatient Anspruch auf Chefarztbehandlung habe. Es
ist ein Gespräch von 15 Minuten mit dem Chefarzt Prof. Dr. Gabel und meiner
Therapeutin Frau Carsson.
Wie fühlen Sie sich?
Sie sind zufrieden mit unserem Haus?
Sind Sie schon Mitglied in der Tinnitusliga? Nein? Sollten
Sie aber, ich gebe Ihnen einmal die Zeitschrift mit.
Von Rolf (eigentlich Rudolf, aber das darf keiner wissen)
habe ich aufgeschnappt, dass der Chef
für das 15minütige „Plauderstündchen“ 200 € auf die Rechnung schreiben
lässt.
Könnte ich bloß meine Redefreude zu einem ähnlichen
Honorarsatz in bare Münze umwandeln.
Im letzten Chef Einzel wollte ich nicht mehr über die
Tinnitusliga sprechen (hat ja schon ungefähr X € gekostet.)
Ich wollte über mein Befinden sprechen und meine
Zufriedenheit mit dem Haus.
8.März 2011
Nicht, dass Sie glauben, dass ich mich grundsätzlich unwohl
fühle. Aber über den Duschvorhang muss ich mal reden mit Ihnen und vielleicht
ist das auch ein Thema für die Gruppentherapie, Frau Carsson.
Frau Carsson nickt mit einem aufmunterndem Lächeln.
Sie suchen ja immer und dieser Duschvorhang, also das ist
schon ein Problem.
Sie wollen wissen, was denn nun ist mit dem Duschvorhang?
Also, das ging schon so ziemlich am Anfang meiner Zeit in Tulpenrund
los. Erst hing er da ja nur völlig schlapp runter. Unscheinbar kann man sagen.
Ach ja, „man“ wollen wir ja nicht mehr sagen. Ich finde also, dass er da so
ganz unscheinbar und schlapp runter hing.
Auffällig wurde er dann am nächsten Morgen beim ersten
Duschen. Da ging das dann schon los, als ich mit der ganz gewöhnlichen
Körperpflege befasst war. Die Augen gerade frei von der Seife, sehe ich, wie
dieser Vorhang sich von zwei Seiten auf mich zu bewegt. Ich dreh das Wasser ab
und da scheint er bemerkt zu haben, dass ich ihn beobachtet habe. Schnell zieht
er sich wieder in seine schlaffe Ausgangslage zurück.
Sie fragen nach Körperkontakt?
Nein, soweit ich mich erinnern kann, hat beim ersten Mal
noch kein direkter Körperkontakt statt gefunden.
Und, wo liegt nach Ihrer Meinung das Problem?
Ich musste gleich an unangenehme Begegnungen mit
Duschvorhängen in der Vergangenheit denken. Da war zum Beispiel mal einer mit
einer total versparkten Unterseite in Bulgarien…
Können Sie vielleicht noch einmal etwas konkreter werden,
was Tulpenrund betrifft?
Ja, also da war eigentlich nicht mehr den Tag. Nur, dass ich
immer dran denken musste. Also, wie wird die nächste Begegnung? Wie soll es
weiter gehen? Ich dachte sogar schon daran bekleidet zu duschen. Aber ist das
nicht doch ein bisschen zu blöd. Ich meine so duschen mit…auf der anderen Seite
– vielleicht gibt er dann vielleicht Ruhe. Frag´ mich auch ein wenig, was ich
habe, was ihn so reagieren lässt.
Da können wir vielleicht später noch einmal drauf eingehen.
Die 15 Minuten Herr Petersen! Wie hat sich das Problem weiter entwickelt?
Ja also, am nächsten Morgen habe ich gleich drauf geachtet.
Und kaum, dass ich abgelenkt war mit dem Duschen, geht es schon wieder los, nur aggressiver. Also schon
mit Körperkontakt und so.
Sie meinen ein richtiger Übergriff?
Auf jeden Fall. Ich bin dann ganz in die Ecke von der
Dusche. Hab´ aus Versehen den Mischhebel auf heiß. Hab´ mich verbrannt,
aufgeschrieen, Wasser abgedreht und das hat gewirkt. Er hat sich wieder zurück
bewegt. Ich hab´ ihn dann kräftig zusammengefaltet und bin raus aus der Dusche.
Ja Frau Carsson, das geht doch nicht, da muss ´was
geschehen. Schreibens mal auf. Und, Herr Petersen, nun alles wieder in Ordnung?
Ich mag´s kaum sagen,
Herr Professor, ich trau mich kaum noch ins Bad. Immer, wenn ich ihn da so
hängen sehe mit seinen korrekten, ordentlichen Falten, mit einem Ausdruck, als
könnt er kein Wässerchen trüben, möchte ich ihn am liebsten von seinen Haken
reißen.
So schlimm?
Ja, so schlimm! Heute Morgen, also ich ertrag´s nicht mehr.
Ich hab wirklich nicht provoziert, außer vielleicht ein bisschen viel
Haut. Aber darüber wollen wir ja noch
einmal reden, oder?
Und, was ist passiert?
Ja, also er gleich auf mich los. Von zwei Seiten. Klatsch!
Am Körper. Ich habe mich gewehrt, habe ihn vom Hin.. also vom Gesäß runter,
batscht er an der Brust. Hab ich ihn da weg, klebt er sich an die Lende. Ich
hab´ mit ihm geredet. Er lässt nicht ab. Ich hab´ gedroht, dass ich ihn aus den
Haken reiß. Er saugt sich nur noch fester an mich.
Und, wie haben Sie es geschafft?
Ja, als mir schon beinah die Luft wegblieb, fiel mir der
Trick mit dem Taschenmesser ein. Also, ich habe ganz scharf gesagt: Ich habe
ein Taschenmesser dabei!
Und dabei bin ich an den Hebel der Mischbatterie gekommen.
Vielleicht, weil nun das Wasser nicht mehr rauschte, er musste das mit dem
Messer gehört haben. Sofort in die Ausgangslage zurück. Stellen Sie sich das
mal vor! Als wenn nichts gewesen wäre!
Die Zeit ist um, Herr Petersen. Sie sollten das Thema noch
einmal mit Ihrer Therapeutin aufgreifen, nicht wahr, Frau Carsson? Machen Sie
doch?
Geht in Ordnung, Herr Professor.
So, Herr Petersen, dann bis zum nächsten Mal. Was zittern
Sie denn so?
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