Ein Loblied auf den Grünkohl und wie
er in Freiburg dargereicht wird, anlässlich des
75- jährigen Jubiläums der Seglervereinigung Freiburg 2002
Seit 24 Jahren bin ich Mitglied
im Segelverein. Wie viele Mitglieder habe ich meine Segelkarriere mit einem
Piraten, nein, eigentlich mit einem halben Piraten begonnen. Ich hatte das
Schiff gemeinsam mit meinem Freund und Segelkameraden Toddi (Torsten) Eylmann.
Die Karriere als Bootseigner endete schon bald und meine Mitgliedschaft im
Verein beschränkte sich auf regelmäßiges Beitragzahlen, Feiern im Bootshaus und
gelegentlichen Vereinsausfahrten auf die Elbe. Später kam dann eine Phase als
Regattacrewmitglied auf den verschiedenen „Hein Mück´s“. Der Abschied vom
Regattastress kam mit den ersten grauen Haaren. Es folgte eine Phase mit
eigener VB-Jolle, die ich heute noch, allerdings meist nur in den
Urlaubswochen, segle. Eigentlich keine typische SVF – Karriere – nach 24 Jahren
hätte längst schon ein 10 – Meter – Schiff am Freiburger Steg liegen müssen.
Bin ich aktives Mitglied?
In einer Hinsicht bestimmt! Seit
25 Jahren besuche ich das Herrenkohlessen der SVF am 1. Februarwochenende jeden
Jahres.
Ein Vierteljahrhundert Kohlessen!
Ja und? Na Ja, überleg mal, was das heißt! Insgesamt habe ich etwa 6250 Gramm
Grünkohl, 5000 Gramm Bauchfleisch, 7,5 Meter Kohlwurst, 175 süße Kartoffeln und
ca. 1 Pfund Senf vertilgt! Ich bin Augenzeuge geworden, wie Jahr für Jahr etwa
die 120 – fache Menge an Essen (750000 Gramm Kohl) aus der Fußbodenöffnung im
Saal des Kehdinger Hofes auf die Tische gehievt wurde. Von den Getränken will
ich hier nicht reden.
Außer Kohl nichts gewesen? Kann
man so nicht sagen! Neben dem Kohlessen läuft Jahr für Jahr ein mehr oder
weniger ähnliches Ritual ab. Gut habe ich noch die Begrüßungsreden von Hans
Mahler im Ohr: „Aus der hohen Politik begrüße ich ....., die Medizin ist
vertreten durch ..., von der Schulbehörde sind......“ Begrüßung der Delegationen
der benachbarten Wassersportvereine von der Niederelbe, Gejohle, wenn die
Cuxhavener aufgerufen wurden. Sie füllten zeitweilig mit bis zu 20 Personnen
mehrere Tische im Saal. Wehe dem, der sich mit ihnen eingelassen hat! Sie
kannten kein Ende, vom Kehdinger Hof ging es später in Beckmann´s Hotel und
wenn sich der Wirt dort vor Übermüdung nicht mehr auf den Beinen halten konnte,
zog man um zu Kobers. Einmal habe ich diese „Kur“ mit gemacht. Im Februar im
Morgengrauen nach Hause!!! Es war nicht nur Morgengrauen – es war auch ein
grauenvoller Morgen! Nie wieder Alkohol! Versteht Ihr, warum ich heute fast
alle gut gemeinten Schnäpse und Biere ablehne? Nein? Ihr habt eben noch nie
eine solche Nacht mit Cuxhavener Seglern verbracht! Ich danke Euch, liebe Segelkameraden
aus Cuxhaven! Ihr habt mir mit dieser einen Nacht viele, viele Stunden des
Katerelends erspart und so manche Mark, die sonst der heimischen Gastronomie
zugute gekommen wäre, hat andere Wege genommen.
25 Jahre Grußworte, freundlich
beklatscht und bejohlt, je nach dem, wer wie sprach. Unvergesslich die
Auftritte des Stader Kommodore Erich Waller, treuer Gast bis kurz vor seinem
Tod. Unvergesslich, weil er in jedem Jahr mit wenigen Worten den Saal zum Toben
brachte. Warum eigentlich? Er sprach „Platt“, zog zwei bis drei Silben
zusammen, ich verstand kaum die Hälfte ( den meisten anderen im Saal ging´s
nicht besser ) und hatte dennoch Tränen vom Lachen in den Augen. Das erste Jahr
ohne Erich Waller war so, wie ich mir einen Silvesterabend ohne „Dinner for
one“ vorstelle.
Undenkbar ein Kohlessen ohne die
Auftritte der Politgrößen Nordkehdingens. Benedikt von der Decken fällt mir
ein, der meist mit geistreichen und humorvollen Worten den Saal erheiterte und
sich damit sein kostenloses Essen als Ehrengast redlich verdiente. Heinrich von
Borstel, sein Nachfolger, unterhielt uns kaum weniger humorvoll in lupenreinem
„Moorer“ Platt. Ja, und dann, same procedure, as every year, unser Freiburger
Bürgermeister Günther Schild! Fast so ein treuer Kohlfreund wie ich. Häufig
verschwand er kurz nach dem großen Essen aber nie ließ er die Gelegenheit aus,
vorher noch etwas Politik, natürlich auf Platt, zu machen. Deftige, markige
Sprüche, Forderungen an die große Politik in Bonn, Berlin, Hamburg, Hannover,
Kiel und, ja, in den letzten Jahren sogar Brüssel, sicherten ihm den Beifall
seiner Zuhörerschaft. Besonders hellhörig wurde ich immer, wenn er wohlwollend
von seinen „Roten Brüdern“ sprach und mich meinte. Er brachte es sogar soweit,
dass der „Rote Bruder“ selbst in die Bütt stieg, damit auch alle merken, es
gibt ihn wirklich, den „Roten Bruder“. Um im Bild zu bleiben, manches Mal habe
ich gedacht: „Wart´ab „Schwarzer Bruder“, eines Tages steh´ich da oben, zahle
als Ehrengast keine 25 Mark für das Kohlvergnügen und gebe die Spitzen an die
Opposition, die schwarze natürlich, zurück.“ Nun, liebe Segelkameraden, keine
Panik, so wird´s nicht kommen, die unterhaltsamen Grußworte unseres
Bürgermeisters bleiben uns auch noch die nächsten Jahre erhalten.
25 Jahre Kohlessen heißt auch 25
Jahre Männerchor, denn mindestens zwei plattdeutsche Lieder gehören zum
Pflichtprogramm! Erstaunlich, was 120 mit Korn und fettem Essen geölte
Männerstimmen - zum Teil ungewollt mehrstimmig – an Klangvolumen aufbringen
können! Vom Kohlessen nicht wegzudenken sind die musikalischen Auftritte von
Erich Reinicke, Kurt Eggers, Georg Meyer und seiner Frau Ilse. Selbstgedichtete
„Riemels“ vertont und mit der „Quetschkommode“ begleitet, sorgten für Stimmung
im Saal.
25 Jahre Kohlessen heißt, und auch
das ein Ritual, 25 Jahre Ehrungen verdienter Mitglieder und 25 Jahre Übergabe
von Pokalen an die Sieger der Vereinsregatten. Zu den Pokalen später mehr, hier
soll nur der überdimensionierte „Hein Mock“ Pokal Erwähnung finden, der
zugleich geliebt und gefürchtet, mit mehr oder weniger gutem Sekt des Hauses
gefüllt von Mund zu Mund durch den Saal gereicht wird. Der letzte findet alles
im Pokal – von der ertrunkenen Fliege bis zum Schnäuzerhaar, Kohlreste,....Na
denn, Prost im nächsten Jahr! Hoffentlich kommt der Pokal am Anfang seiner
Runde zu mir.
25 Jahre Kohlessen heißt auch 25
Jahre Männer unter sich! Jawoll, und das soll auch so bleiben! Ist doch
Tradition auch wenn immer wieder vom anderen Geschlecht zaghafte Versuche
unternommen wurden, mit dieser Tradition zu brechen. Die Zeiten haben sich
gewandelt. Früher waren Männergesellschaften die Regel, heute muten sie wie ein
Fossil längst vergangener Zeiten an. Frauen haben Zugang zu allen Gruppierungen
gefunden, können sogar Kanzlerin werden, zum Kohlessen der SVF können sie aber
nicht. Und das soll auch so bleiben selbst wenn das Freiburger Kohlessen
dereinst die letzte Männerbastion bundesweit sein wird!
Moment, da war doch noch etwas
mit Frauen? Ja, zwei oder drei Jahre in Folge gab es doch wirklich Frauen auf
dem Herrenkohlessen. Grosse Überraschung beim Vorstand der Seglervereinigung,
als plötzlich zwei Frauen dem verdutzten Vorsitzenden Bernd Mahler die Hand
reichten und sich freundlich für die Einladung zum Herrenkohlessen bedankten. Was war schief gelaufen? Alle Vorstände
der benachbarten Vereine waren, wie in jedem Jahr, zum Kohlessen geladen und
niemand hatte mitbekommen, dass die Wassersportfreunde Wilster von der Stör
einen weiblichen Vorstand hatten. Krisensitzung im SVF – Vorstand. Ergebnis der
Situationsanalyse: Eingeladen ist eingeladen, wegschicken kann man die Damen
nicht. Dagegen steht, Frau ist Frau und Frau hat hier nichts zu suchen. Man
einigte sich auf einen Kompromiss: Die Frauen durften bleiben, aber nur am
Vorstandstisch nicht an den Tischen im Saal. Übrigens, Helga Krieck vom
Seglerverein Wilster und ihre Kassenwartin Susanne Reese haben den Abend unter
den Männern sichtlich genossen. Helga sprach ihr Grußwort auf Platt und hat
sehr zur Gaudi der Männer die Besonderheit der aktuellen Situation
thematisiert.
Wo sind sie geblieben?? Weg sind
sie, die Frauen! Abgewählt?
Zurückgetreten? Eisgang auf der Elbe? Die vergangenen Jahre waren wir wieder
unter uns, wir, die letzten Männer der Niederelbe, Männer, die doch nichts anderes
wollen als einmal im Jahr einen
Abend ganz für sich zu haben.
25 Jahre Kohlessen, kann ich mich
nun langsam mal zurückziehen und anderen das fette Fleisch überlassen? Kann
schon, aber ich will nicht. Mir schmeckt er immer wieder, der Kohl, und auch
das andere, Grußworte, Ehrungen, Gesang und Klönschnack übers Segeljahr will
ich nicht missen.
Und wenn eines Tages doch Frauen
zugelassen werden?
Ich geh trotzdem hin. Und wisst
ihr warum? Ich mag Frauen fast so gerne wie Kohl und wer weist schon gerne eine
von zwei schönen Sachen zurück, wenn er auch beide haben kann! Ich nicht!
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