Zu meinen schönsten Erinnerungen an
meine Jugendzeit gehören die wunderschönen, alten Parkanlagen in Blankenese und
den anderen Elbvororten. Und nun, zu Beginn meiner Zeit als Ratsherr des Elbefleckens
Freiburg, sollte im Rat über eine Parkanlage hier in Freiburg, meiner neuen
Heimat, beraten werden. Wo immer ich zu meiner Meinung über eine Parkanlage im
Ortskern befragt wurde, habe ich mich positiv zu den Plänen geäußert. Über den
Ort bestand kein Zweifel. Sie sollte im Garten des ehemaligen Amtsgerichtes
entstehen. Ich kannte das Gelände gut. Es erstreckt sich von der ehemaligen
Bäckerei Kühlcke und dem Amtsgericht mit leichtem Gefälle abwärts nach Süden
bis an die Straße „An der Börne“. Von hier, wo heute die Ausstellungshalle des
Einrichtungshauses Wendler und der Gebrauchtwagenplatz der Firma Kober die
Südseite der Straße begrenzen, bot sich ein Blick über einen teilweise von der
Natur zurück eroberten Garten zum mächtigen Backsteinbau des Amtsgerichtes mit
angrenzendem, von hohen Mauern umgebenem Gefängnishof. Ja, zum Amtsgericht gehörte auch ein
Gefängnis und, da auch Gefangene über ein gewisses Maß an Rechten verfügten,
mussten sie die Möglichkeit zum „Freigang“ in eben diesem Hof haben!
Das Gefängnis gibt es übrigens immer
noch. Hinter den dicken, mit schmiedeeisernen Beschlägen bewährten Türen sitzen
heute nur Mitarbeiter der
Samtgemeindeverwaltung ein. Es handelt sich aber um einen sehr liberalen
Vollzug, die Türen werden nicht mehr verschlossen, das Essen wird nicht mehr
durch die kleine Klappe in die Zellen gereicht. Das Amtsgericht wurde längst zu
einem modernen Verwaltungsgebäude hergerichtet und dient als Rathaus für die
Samtgemeinde Nordkehdingen und den Flecken Freiburg.
Der letzte Justizangestellte, der
noch Häftlinge in Freiburg versorgte, war Siegfried (Siggi) Neltner. Weil das
Land Niedersachsen seine Vollzugsanstalten neu ordnete, wurde der kleine
Außenstandort Freiburg geschlossen. Das Amtsgericht wurde aufgelöst und zurück
blieben nur der Justizangestellte Siggi und seine Ehefrau Anni mit ihren
Kindern. Es gab keine Häftlinge zu betreuen, Anni brauchte nur noch für ihre
Familie zu kochen. Siggi bekam im neuen
Schulzentrum eine Anstellung als Schulassistent. Die Dienstwohnung im
Amtsgericht blieb ihnen erst noch.
Der große Garten mit einigen
Obstbäumen und gutem Boden für Gemüseanbau und bunte Blumen wurde von Familie
Neltner gepflegt und genutzt. Erst, als sie auszogen in ihr neues Haus,
eroberte sich die Natur langsam den Garten zurück. Ich lernte ihn kennen, als
hier und da noch einige Blumenstauden zur Blüte kamen, ein riesiger Birnenbaum
seine überreifen Früchte abwarf und ein holpriger, mit Kehdinger Ziegeln
gepflasterter Pfad in der Mitte des Gartens von der „Börne“ zum Amtsgericht
hochführte. Diesen meist rutschigen Ziegelpfad nutzte ich manchmal auf dem Weg
zum Jugendzentrum, das inzwischen im alten Amtsgericht eine Heimat gefunden
hatte. Ich mochte den Weg durch den verwilderten Garten, die Blütenpracht des Birnenbaums
oder im Herbst auch mal eine Birne, die den Fall einigermaßen heil überstanden
hatte. Ich mochte auch den Blick auf den Kirchturm hinter dem mächtigen
Ziegelbau.
Die Vorstellung, dass hier mitten im
Ort eine Parkanlage mit einigen Sitzecken, dem alten Birnenbaum und mit roten Ziegelwegen,
mit Blumen und Büschen entstehen sollte, gefiel mir. Natürlich ist das etwas Anderes als Bauers
Park oder der Hirsch Park in Blankenese. Aber, auch wenn er erheblich kleiner
ausfallen sollte, der Park in Freiburg ,
die Idee war gut!
Ich sah bereits vor meinem geistigen
Auge die Rentner auf den Bänken in der Sonne sitzen, das Geschehen beobachtend
damit beschäftigt, zu rauchen und sich lauthals über die unerzogene Jugend oder
andere nicht gelöste Probleme im Dorf und der übrigen Welt auszutauschen.
Mütter mit Kinderwagen legen eine kleine Pause auf dem Weg zum Einkaufen ein
und abends trifft sich hier die Dorfjugend heimlich rauchend, die eine oder
andere Dose Bier trinkend.
Ja, so ein Park ist nicht nur grüne
Lunge und schön anzusehen. Er wird zum Ort der Kommunikation. Alles nur gut!
In der Einladung zu einer meiner
ersten Ratssitzungen stand auf der Tagesordnung „Vorstellung der Pläne für die
Errichtung einer Parkanlage im Amtsgerichtsgarten“. Ich war gespannt. Zu Hause
hatte ich mich schon vorbereitet und eigene Ideen in einer Skizze zu Papier
gebracht. Ich hatte an alles gedacht: Der Birnenbaum musste bleiben, Sitzbänke
und Sitzgruppen wurden eingezeichnet und ein Wegesystem durch den Garten
gelegt. Und dann hatte ich noch die Top-Idee am Schreibtisch: Freiluftschach
und Grillecke! Das alles hatte ich mit bunten Stiften auf eine Folie übertragen,
die ich mit einem Overheadprojektor auf die Wand des Sitzungssaales projizieren
wollte. Ein bisschen stolz war ich schon, etwas Eigenes in der Tasche zu haben.
An einen Brunnen hatte ich nicht
gedacht. Eigentlich schade, hätte auch ganz gut gepasst.
Im Sitzungssaal wurde uns Herr Butt
aus der Wingst als Planer vorgestellt. Ich kannte ihn schon von früheren
Begegnungen. Niemand sonst ist mir bekannt, der allzeit so korrekt gekleidet
auftrat, wie unser Architekt Butt. Er trug stets und ausschließlich Fliegen unter dem Kragen.
Davon hatte er wohl mehrere, die er immer mal abwechselnd zum Einsatz brachte.
Ich fragte mich manchmal in der Sitzung gedanklich abschweifend, wie er sich am
Badestrand kleiden würde. Badehose, na klar! Und Fliege? Etwas anderes war für
mich eigentlich nicht denkbar. Ich musste schmunzeln bei diesem Gedanken.
Herr Butt trug eine große Rolle mit
seinem Plan unter dem Arm und machte gerade Anstalten, den Plan zu entrollen um
ihn dann an die Wand zu heften. Auch ich bereitete mich vor und legte schon mal
den Aktendeckel mit meiner Folie und einigen erläuternden Stichworten vor mich auf
den Tisch.
Butts Plan hing an der Wand und er
begann auf Einladung des Bürgermeisters
mit seinen Erläuterungen.
„Die Erschließung der Parkanlage
stelle ich mir von der Straße „An der Börne“ ringförmig als Einbahnstraße vor
mit einer Ausfahrt auch am Amtsgericht vorbei in die „Hauptstraße“ einmündend
vor.“ Ich folge seinem Teleskop Zeigestock und plötzlich begreife ich, was für
einem Riesenirrtum ich bis eben aufgesessen war.
Keine Bäume, keine Bänke, keine
Fußwege in seiner Parkanlage!
Dafür: Einfahrten, Ausfahrten,
Parkplätze – eben eine Parkanlage nicht für Menschen – für Autos!
Gott sei gedankt, dass ich niemandem
aus meiner Fraktion und auch sonst niemandem von meinen Ideen bezüglich der
Parkanlage erzählt hatte. Es hat mir die Sprache verschlagen und, statt aktiv
an der Planung mitzuwirken, saß ich stumm da und folgte fassungslos Butts
Worten.
Butts Pläne wurden später noch etwas
verändert, es entstand eine fantastische Parkanlage, die sich auch problemlos
als Festplatz für den Bockmarkt oder andere Veranstaltungen nutzen ließ. Richtig glücklich war ich nicht
mit diesem Ergebnis. Gedanklich hing ich noch allzu sehr meinen Vorstellungen
vom kleinen Park an.
Die Parkanlage erhielt in einem
feierlichen Akt den Namen Fleckensplatz.
Zu meiner Freude wurde irgendwann ein
Brunnen, der schon in Butts Planung eingetragen war, errichtet. Den hatte ich
nicht in meiner Parkanlage. Hineingepasst hätte er aber sicherlich auch sehr
schön.
Die ersten Jahre wurde die Parkanlage
nicht so gut angenommen, lieber parkten die Freiburger in der viel zu engen
Hauptstraße. Bloß keinen Schritt zu viel laufen! Es wurden sogar schon
Freiburger beobachtet, die nach dem Besuch des Lebensmittelmarktes das Auto
eben noch umparkten, weil sie ja noch zur 100 Meter entfernten Kasse (Kreissparkasse) mussten. Belebter sah
der Fleckensplatz erst aus, als das Amtsgericht zum neuen Rathaus umgebaut war
und die Autos der Rathausbediensteten dort den Tag über darauf warteten, am
Abend wieder nach Hause gefahren zu werden.
Und, weil die Idee für die Parkanlage
neben vielen anderen guten Ideen aus dem Kopfe unseres damaligen Bürgermeisters
Schild stammte, hat Freiburg den Fleckensplatz aus lauter Dankbarkeit in einem
erneuten Festakt in Bürgermeister Günther Schild Platz umbenannt.
Dabei hätte es durchaus auch anders
kommen können. Eine Parkanlage, wie ich sie skizziert hatte, hätte uns deutlich
näher an Blankenese gerückt. Wir hätten einen Park, wie Bauers Park bekommen,
zugeben etwas kleiner, und der hätte
dann heute Bürgermeister Schild Park geheißen.
Darauf wird Freiburg nun wohl
vergeblich warten müssen.
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