In einer
langewährenden Beziehung gibt es Absprachen und Regeln, über die nie gesprochen
wird und die dennoch so fest stehen, als seien sie in einem Ehevertrag
festgehalten.
Kommt dir das irgendwie
bekannt vor?
Um nur ein
Beispiel zu nennen: Fahren meine Frau und ich gemeinsam im Auto, habe ich an
der Heizungsanlage nichts mehr verloren. Sie bestimmt, wann es zieht, wann es
zu warm oder zu kalt ist, ob und welche Luft von oben, aus der Mitte oder von
unten in das Wageninnere strömt. Sehr früh schon hat sich in unserer Beziehung
gezeigt, dass hier jegliche Einmischung zwecklos ist. Also habe ich es sehr
schnell aufgegeben.
Ein anderes
Beispiel: Auswahl des Hotelbettes! Das Bett mit dem kürzesten Weg zum Bad ist ihr
Bett. Kombiniert mit einem weiteren ungeschriebenen Gesetz, nämlich dem, dass
jegliches Licht gelöscht sein muss, damit sie schlafen kann, hat sich bei mir
eine unschlagbare Fähigkeit entwickelt. Ich präge mir sofort in fremder
Umgebung den Weg vom Bett zum Klo ein, um ihn dann auch bei absoluter
Finsternis problemlos bewältigen zu können. Wenn es einmal nicht klappt, liegt
es meistens nicht an mir. Dann hat sie, nachdem ich eingeschlafen bin, noch
etwas in meiner "Laufbahn" abgestellt. Schuhe oder Taschen sind
beliebte Stolperfallen. Schmerzlaute, wenn der kleine Zeh sich aufgehängt hat,
oder Stolpergeräusche werden dann von einem schlaftrunkenen: "Was machst
du denn da?" kommentiert.
Aber das
ist ja nur die Ausnahme. Passiert nur ausgesprochen selten. In Riga zum
Beispiel vor einigen Jahren. Wir hatten Quartier in einer ehemaligen
Kammgarnspinnerei bezogen, die liebe- und stilvoll in ein Hotel umgebaut worden
war. Da wir nicht sehr anspruchsvoll sind und wir lieber Geld für andere
Genüsse während des Reisens ausgeben, begnügen wir uns meist mit den
einfacheren Zimmern. So auch hier. Das Zimmer war sehr nett und sauber; aber es
war recht klein. Der Koffer, nur zum Teil ausgeräumt, weil es aus dem Schrank
nach uns ungewohnter Chemie roch, verengte den Weg von meinem Bett zum Bad noch
zusätzlich.
Vor dem
Schlafengehen speichere ich unterbewusst den Gang zum Bad in meinem Hirn ab: Um
das Fußende vom Bett herum, am Stuhl mit der Kleiderablage vorbei, Kofferecke
ragt in den Weg, Fernseher in Kopfhöhe bedenken, geradeaus 2 Meter, Bad Tür
links. Es lagen keine Schuhe und keine Rucksäcke oder Taschen im Weg, ich
konnte mich beruhigt zur Ruhe begeben.
Es kam, wie
es kommen musste. Der Weckreiz funktionierte perfekt und ich begab mich im
Halbschlaf auf den Weg zum Bad. Zwei Schritte am Bett entlang, um das Fußende,
den Stuhl ertastet, weiter geradeaus, Vorsicht Kofferecke! und, jetzt die
Meisterleistung, den Fernseher in Kopfhöhe mitbedacht, und schon war ich im
Bad.
Und nun in
umgekehrter Reihenfolge wieder zurück. Fast hätte es mit dem Fernseher nicht
geklappt, ich habe ihn schon etwas am Kopf gespürt. Koffer geht klar, Stuhl
links ertastet und nur noch zwei Schritte. Da trat er ein, der seltene Fall.
Der kleine Zeh des rechten Fußes hängt sich am Bettpfosten auf. Ein kurzer
Schmerzruf wird von tiefem Stöhnen abgelöst.
Aus ihrem
Bett kommt mit hellwacher Stimme:
"Kannst du auch nicht schlafen?"
"Kannst du auch nicht schlafen?"
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