Montag, 10. Februar 2014

Herrenkohlessen der Seglervereinigung Freiburg




Ein Loblied auf den Grünkohl und wie er in Freiburg dargereicht wird, anlässlich des 
75- jährigen Jubiläums der Seglervereinigung Freiburg 2002

Seit 24 Jahren bin ich Mitglied im Segelverein. Wie viele Mitglieder habe ich meine Segelkarriere mit einem Piraten, nein, eigentlich mit einem halben Piraten begonnen. Ich hatte das Schiff gemeinsam mit meinem Freund und Segelkameraden Toddi (Torsten) Eylmann. Die Karriere als Bootseigner endete schon bald und meine Mitgliedschaft im Verein beschränkte sich auf regelmäßiges Beitragzahlen, Feiern im Bootshaus und gelegentlichen Vereinsausfahrten auf die Elbe. Später kam dann eine Phase als Regattacrewmitglied auf den verschiedenen „Hein Mück´s“. Der Abschied vom Regattastress kam mit den ersten grauen Haaren. Es folgte eine Phase mit eigener VB-Jolle, die ich heute noch, allerdings meist nur in den Urlaubswochen, segle. Eigentlich keine typische SVF – Karriere – nach 24 Jahren hätte längst schon ein 10 – Meter – Schiff am Freiburger Steg liegen müssen. Bin ich aktives Mitglied?
In einer Hinsicht bestimmt! Seit 25 Jahren besuche ich das Herrenkohlessen der SVF am 1. Februarwochenende jeden Jahres.





Ein Vierteljahrhundert Kohlessen! Ja und? Na Ja, überleg mal, was das heißt! Insgesamt habe ich etwa 6250 Gramm Grünkohl, 5000 Gramm Bauchfleisch, 7,5 Meter Kohlwurst, 175 süße Kartoffeln und ca. 1 Pfund Senf vertilgt! Ich bin Augenzeuge geworden, wie Jahr für Jahr etwa die 120 – fache Menge an Essen (750000 Gramm Kohl) aus der Fußbodenöffnung im Saal des Kehdinger Hofes auf die Tische gehievt wurde. Von den Getränken will ich hier nicht reden.
Außer Kohl nichts gewesen? Kann man so nicht sagen! Neben dem Kohlessen läuft Jahr für Jahr ein mehr oder weniger ähnliches Ritual ab. Gut habe ich noch die Begrüßungsreden von Hans Mahler im Ohr: „Aus der hohen Politik begrüße ich ....., die Medizin ist vertreten durch ..., von der Schulbehörde sind......“ Begrüßung der Delegationen der benachbarten Wassersportvereine von der Niederelbe, Gejohle, wenn die Cuxhavener aufgerufen wurden. Sie füllten zeitweilig mit bis zu 20 Personnen mehrere Tische im Saal. Wehe dem, der sich mit ihnen eingelassen hat! Sie kannten kein Ende, vom Kehdinger Hof ging es später in Beckmann´s Hotel und wenn sich der Wirt dort vor Übermüdung nicht mehr auf den Beinen halten konnte, zog man um zu Kobers. Einmal habe ich diese „Kur“ mit gemacht. Im Februar im Morgengrauen nach Hause!!! Es war nicht nur Morgengrauen – es war auch ein grauenvoller Morgen! Nie wieder Alkohol! Versteht Ihr, warum ich heute fast alle gut gemeinten Schnäpse und Biere ablehne? Nein? Ihr habt eben noch nie eine solche Nacht mit Cuxhavener Seglern verbracht! Ich danke Euch, liebe Segelkameraden aus Cuxhaven! Ihr habt mir mit dieser einen Nacht viele, viele Stunden des Katerelends erspart und so manche Mark, die sonst der heimischen Gastronomie zugute gekommen wäre, hat andere Wege genommen.



25 Jahre Grußworte, freundlich beklatscht und bejohlt, je nach dem, wer wie sprach. Unvergesslich die Auftritte des Stader Kommodore Erich Waller, treuer Gast bis kurz vor seinem Tod. Unvergesslich, weil er in jedem Jahr mit wenigen Worten den Saal zum Toben brachte. Warum eigentlich? Er sprach „Platt“, zog zwei bis drei Silben zusammen, ich verstand kaum die Hälfte ( den meisten anderen im Saal ging´s nicht besser ) und hatte dennoch Tränen vom Lachen in den Augen. Das erste Jahr ohne Erich Waller war so, wie ich mir einen Silvesterabend ohne „Dinner for one“ vorstelle. 



Undenkbar ein Kohlessen ohne die Auftritte der Politgrößen Nordkehdingens. Benedikt von der Decken fällt mir ein, der meist mit geistreichen und humorvollen Worten den Saal erheiterte und sich damit sein kostenloses Essen als Ehrengast redlich verdiente. Heinrich von Borstel, sein Nachfolger, unterhielt uns kaum weniger humorvoll in lupenreinem „Moorer“ Platt. Ja, und dann, same procedure, as every year, unser Freiburger Bürgermeister Günther Schild! Fast so ein treuer Kohlfreund wie ich. Häufig verschwand er kurz nach dem großen Essen aber nie ließ er die Gelegenheit aus, vorher noch etwas Politik, natürlich auf Platt, zu machen. Deftige, markige Sprüche, Forderungen an die große Politik in Bonn, Berlin, Hamburg, Hannover, Kiel und, ja, in den letzten Jahren sogar Brüssel, sicherten ihm den Beifall seiner Zuhörerschaft. Besonders hellhörig wurde ich immer, wenn er wohlwollend von seinen „Roten Brüdern“ sprach und mich meinte. Er brachte es sogar soweit, dass der „Rote Bruder“ selbst in die Bütt stieg, damit auch alle merken, es gibt ihn wirklich, den „Roten Bruder“. Um im Bild zu bleiben, manches Mal habe ich gedacht: „Wart´ab „Schwarzer Bruder“, eines Tages steh´ich da oben, zahle als Ehrengast keine 25 Mark für das Kohlvergnügen und gebe die Spitzen an die Opposition, die schwarze natürlich, zurück.“ Nun, liebe Segelkameraden, keine Panik, so wird´s nicht kommen, die unterhaltsamen Grußworte unseres Bürgermeisters bleiben uns auch noch die nächsten Jahre erhalten.
25 Jahre Kohlessen heißt auch 25 Jahre Männerchor, denn mindestens zwei plattdeutsche Lieder gehören zum Pflichtprogramm! Erstaunlich, was 120 mit Korn und fettem Essen geölte Männerstimmen - zum Teil ungewollt mehrstimmig – an Klangvolumen aufbringen können! Vom Kohlessen nicht wegzudenken sind die musikalischen Auftritte von Erich Reinicke, Kurt Eggers, Georg Meyer und seiner Frau Ilse. Selbstgedichtete „Riemels“ vertont und mit der „Quetschkommode“ begleitet, sorgten für Stimmung im Saal.
25 Jahre Kohlessen heißt, und auch das ein Ritual, 25 Jahre Ehrungen verdienter Mitglieder und 25 Jahre Übergabe von Pokalen an die Sieger der Vereinsregatten. Zu den Pokalen später mehr, hier soll nur der überdimensionierte „Hein Mock“ Pokal Erwähnung finden, der zugleich geliebt und gefürchtet, mit mehr oder weniger gutem Sekt des Hauses gefüllt von Mund zu Mund durch den Saal gereicht wird. Der letzte findet alles im Pokal – von der ertrunkenen Fliege bis zum Schnäuzerhaar, Kohlreste,....Na denn, Prost im nächsten Jahr! Hoffentlich kommt der Pokal am Anfang seiner Runde zu mir.


25 Jahre Kohlessen heißt auch 25 Jahre Männer unter sich! Jawoll, und das soll auch so bleiben! Ist doch Tradition auch wenn immer wieder vom anderen Geschlecht zaghafte Versuche unternommen wurden, mit dieser Tradition zu brechen. Die Zeiten haben sich gewandelt. Früher waren Männergesellschaften die Regel, heute muten sie wie ein Fossil längst vergangener Zeiten an. Frauen haben Zugang zu allen Gruppierungen gefunden, können sogar Kanzlerin werden, zum Kohlessen der SVF können sie aber nicht. Und das soll auch so bleiben selbst wenn das Freiburger Kohlessen dereinst die letzte Männerbastion bundesweit sein wird!
Moment, da war doch noch etwas mit Frauen? Ja, zwei oder drei Jahre in Folge gab es doch wirklich Frauen auf dem Herrenkohlessen. Grosse Überraschung beim Vorstand der Seglervereinigung, als plötzlich zwei Frauen dem verdutzten Vorsitzenden Bernd Mahler die Hand reichten und sich freundlich für die Einladung zum Herrenkohlessen bedankten. Was war schief gelaufen? Alle Vorstände der benachbarten Vereine waren, wie in jedem Jahr, zum Kohlessen geladen und niemand hatte mitbekommen, dass die Wassersportfreunde Wilster von der Stör einen weiblichen Vorstand hatten. Krisensitzung im SVF – Vorstand. Ergebnis der Situationsanalyse: Eingeladen ist eingeladen, wegschicken kann man die Damen nicht. Dagegen steht, Frau ist Frau und Frau hat hier nichts zu suchen. Man einigte sich auf einen Kompromiss: Die Frauen durften bleiben, aber nur am Vorstandstisch nicht an den Tischen im Saal. Übrigens, Helga Krieck vom Seglerverein Wilster und ihre Kassenwartin Susanne Reese haben den Abend unter den Männern sichtlich genossen. Helga sprach ihr Grußwort auf Platt und hat sehr zur Gaudi der Männer die Besonderheit der aktuellen Situation thematisiert.
Wo sind sie geblieben?? Weg sind sie, die Frauen!  Abgewählt? Zurückgetreten? Eisgang auf der Elbe? Die vergangenen Jahre waren wir wieder unter uns, wir, die letzten Männer der Niederelbe, Männer, die doch nichts anderes wollen als einmal im Jahr einen Abend ganz für sich zu haben.
25 Jahre Kohlessen, kann ich mich nun langsam mal zurückziehen und anderen das fette Fleisch überlassen? Kann schon, aber ich will nicht. Mir schmeckt er immer wieder, der Kohl, und auch das andere, Grußworte, Ehrungen, Gesang und Klönschnack übers Segeljahr will ich nicht missen.
Und wenn eines Tages doch Frauen zugelassen werden?
Ich geh trotzdem hin. Und wisst ihr warum? Ich mag Frauen fast so gerne wie Kohl und wer weist schon gerne eine von zwei schönen Sachen zurück, wenn er auch beide haben kann! Ich nicht!

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