Montag, 10. Februar 2014

53°52´ N, 09°05´S Der Baljer Leuchtturm von 1904



53°52‘ N, 09°05‘S
Der Baljer Leuchtturm von 1904
Die Geschichte von der Rettung eines maritimen Baudenkmals


                      



 3500 Menschen haben 2012 den alten Leuchtturm in Balje Hörne besucht. Noch vor zwei Jahren wäre das undenkbar gewesen. Der Turm steht in einem Gebiet mit sehr hohen Naturschutzauflagen und es gab ein ganzjähriges Betretungsverbot. Im Jahre 1980 hatte man das Gebäude als maritimes und technisches Denkmal anerkannt und es in die Liste der Baudenkmale des Landkreises aufgenommen. Der Schutzstatus allein ist allerdings, wie viele andere Baudenkmale zeigen, noch kein Garant, fürs Überleben. Der Landkreis Stade nutzte das Gebäude eine Zeit als Domizil für den Vogelwart im Schutzgebiet. Im Laufe der Jahre blätterte die Farbe und Feuchtigkeit, der Tod aller Bauwerke, begann durch Risse im Mauerwerk in das Gebäude einzudringen. Zeitweilig gab es sogar ein Betretungsverbot wegen Baufälligkeit. Das Interesse, Geld in das abgelegene Gebäude ohne spürbares öffentliches Interesse zu investieren, hielt sich im sehr überschaubaren Rahmen.
Das änderte sich ab 2004. Waltraud Gebhard, gebürtige Hörnerin und seit einigen Jahren wieder in ihr Elternhaus nach Hörne zurückgekehrt, bekam von ihrem Neffen zu ihrem Geburtstag einen Becher mit den Abbildungen des Baljer Ober- und Leitfeuers. „Sieh ´mal“, meinte der Neffe, „der Turm ist ja 100 Jahre alt, wollt ihr das nicht feiern?“ Waltraud Gebhardt griff die Idee auf und begann im Dorf für eine Leuchtturm Geburtstagsparty zu werben. Der Erfolg hielt sich in Grenzen, selbst die freiwillige Feuerwehr, die den Leuchtturm auf ihrer Standarte trägt, war nicht zu begeistern. So schnell ließ Waltraud Gebhard sich nicht entmutigen und richtete privat in ihrem Garten eine Feier zum 100jährigen Geburtstag des Baljer Leuchtfeuers aus. 30 Nachbarn und Freunde folgten der Einladung und hatten sogar die Erlaubnis vom Landkreis für einen kurzen Turmbesuch im Schutzgebiet bekommen.



Die Geburtstagsgesellschaft war sich bald einig darüber, dass man dieses maritime Bau- und Kulturdenkmal in ihrer Gemeinde nicht länger dem Verfall und der Nutzungslosigkeit preisgeben dürfe. Schnell waren die 7 notwendigen Personen gefunden, um 2005 den „Förderverein Baljer Leuchtturm von 1904 e.V.“ mit der Zielsetzung, den alten Leuchtturm zu erhalten und ihn einer sinnvollen Nutzung zuzuführen. Der erste Vorsitzende des Vereines war Gerhard Gebhardt, der auch heute noch sehr interessiert und engagiert die Geschicke des Turmes begleitet.
Unter seiner Leitung begann der Verein ein Nutzungskonzept für den Turm zu entwickeln und für Freunde nicht nur in der Öffentlichkeit sondern besonders auch bei der Gemeinde, Samtgemeinde und dem Landkreis zu werben. Die Gemeinde unter Federführung von Bürgermeister Hermann Bösch und die Samtgemeinde mit Bürgermeister Edgar Goedecke waren schnell im Boot. Schwieriger gestalteten sich die Verhandlungen mit dem Landkreis als Eigentümer mit den zuständigen Ämtern für Denkmal- und Naturschutzangelegenheiten.
Zwei Gründe sorgten für einen Sinneswandel der zuständigen Ämter:
·         Die Aktiven des Fördervereines ließen sich nicht entmutigen. Die Drochterser und Harsefelder Briefmarkenfreunde richteten ein Sonderpostamt mit einem eigenen Stempel anlässlich des hundertjährigen Leuchtturm Geburtstages ein. Immer wieder sorgte das Ehepaar Gebhardt und seine Mitstreiter mit Vorträgen, Ausstellungen und Presseartikeln dafür, dass sich bald schon ein unübersehbares öffentliches Interesse für das fast schon vergessene Baudenkmal am Elbufer entwickelte.
·         EU-Förderprogramme boten eine Chance, die Kosten für eine Turmsanierung aufzubringen.
Mit der Bewilligung der Fördermittel rückte der Förderverein Baljer Leuchtturm von 2004 e.V. seinem Ziel, das historische Bauwerk zu erhalten, einen großen Schritt näher. Es blieb das Problem des öffentlichen Zugangs durch das Schutzgebiet. 2011 gab der Landkreis Stade den Turm an sechs Wochenenden im Juli und August zur Begehung frei. Für 2012 wurde dann zwischen allen Interessensvertretern ein Kompromiss ausgehandelt, mit dem der Förderverein gut leben kann: Im Juli und August, außerhalb der Brut- und Setzzeiten sowie nach Abflug der Rastvögel und vor deren Rückkehr ab September ist der Turm täglich, außer montags und freitags, von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Das ist auch für Dr. Uwe Andreas, den Naturschutzwart des Landkreises Stade, eine Lösung, die im Einklang mit den Interessen von Brut- und Rastvögeln steht.
Außerhalb dieser Zeiten gilt weiterhin das strikte Betretungsverbot selbst für den Förderverein. Der 1. Vorsitzende, Eckard Klitzing, und seine Vereinsmitglieder sind mit dieser Regelung zufrieden. Klitzing: „Wir wollen uns ja auch an der Natur erfreuen. Deshalb tragen auch wir von uns aus dazu bei, unsere Gäste auf ein naturverträgliches Verhalten hinzuweisen.“ Dazu gehört, dass nicht von der Zuwegung abgewichen wird, kein Müll anfällt und das Schutzgebiet ausschließlich in der Absicht betreten wird, den Turm zu besuchen.
Bei der Innensanierung und der Ausgestaltung des Turmes mit Hinweistafeln und Exponaten haben Vereinsmitglieder viele Stunden Eigenleistung eingebracht. Die Betreuung des Turmes und der Besucher haben die Mitglieder des „Förderverein Baljer Leuchtturm von 1904 e.V.“  übernommen. Zu Beginn des Jahres wirbt der Verein in seiner Mitgliederschaft ehrenamtliche LeuchtturmwärterInnen an. Sie sorgen während der Öffnungszeiten für die Aufsicht im Turm und stehen besonders den fremden Gästen für Auskünfte zur Verfügung. Ilse und Herbert Bruns haben diese Aufgabe 2012 ausgeübt und sich auch schon wieder für 2013 einteilen lassen. „Es war hier keinen Moment langweilig“, meinte Ilse Bruns, „wenn keine Gäste hier waren, konnte man sich an der Natur satt sehen.“
Naturfreunde und Geschichtsinteressierte kommen hier ebenso auf ihre Kosten wie Liebhaber der großen und kleinen Schiffe, die ohne Pause am Leuchtturm vorüberziehen. Kaum irgendwo anders auf der Welt dürfte es eine derartige Schiffsdichte geben wie gerade an dieser Stelle. Sämtlicher Verkehr, der durch den Nord-Ostsee-Kanal geht sowie der gesamte Schiffsverkehr nach und von Hamburg kann von diesem trockenen, erhöhten Platz aus nächster Nähe erlebt werden. Schautafeln helfen auch den Binnenländern zu verstehen, was sie sehen.
Die Naturfreunde blicken direkt auf das Wattufer, wo sich die heimische und ortstypische Vogelwelt ungestört von den Beobachtern auf ständiger Nahrungssuche befinden. Bildtafeln im Leuchtturm erklären den Lebensraum und zeigen Abbildungen von den hier beheimateten Vogelarten.
Den historisch interessierten Gästen wird in den einzelnen Etagen dargestellt, welch bescheidenes und einsames Leben die Leuchtturmwärter fern des Dorfes hinter dem Deich hatten. Besonders bei Sturmfluten mit länger anhaltenden „Landunter-Phasen“ gab es keine Verbindung zur Familie und zum Dorf. Die Brandung rüttelt an den Fundamenten und bevor die unteren Fenster zugemauert waren, lief manches Mal das Erdgeschoss voll Wasser. Besonders schlimm war es am Abend des 16.Februar 1962. Das Wasser stieg so hoch wie niemals zuvor, und der Sturm wollte nicht aufhören. Die Wellen zerstörten die Telefonleitung, zerschlugen den Windfang vor der Eingangstür und rissen die Gasflaschen vom unteren Balkon und das Leuchtfeuer erlosch. Um Mitternacht wurde es ganz dramatisch. Ein vor Brunsbüttel vor Anker liegendes Schiff, die Silona, riss sich los und trieb manövrierunfähig auf den Turm zu. Der diensthabende Leuchtturmwärter, Walter Drygala, hat Blut und Wasser geschwitzt. Er hatte bereits die Schwimmweste angelegt und wollte im Moment der Kollision vom oberen Balkon aufs Schiffsdeck springen, bevor ihn der zusammenbrechende Turm mit in die Fluten reißen würde. Soweit kam es dann nicht. Die Silona trieb knapp am Leuchtturm vorbei und strandete mitten im überfluteten Außendeichsgelände. Für das Schiff gab es von hier kein Zurück ins Wasser, es wurde an Ort und Stelle abgewrackt.






Die Geschichte des Leuchtturmes
1903 wurde der Baljer Leuchtturm bau- und zeitgleich mit dem Belumer Turm gebaut. Damals sah es ganz anders aus als heute. Dort, wo heute der neue Landesschutzdeich verläuft, war zur Bauzeit die Wattkante. Ein etwa 4 km langer Pfad führte von der damaligen ersten Deichlinie in Balje Hörne durch die Außendeichsweiden, Gräben und kleinere Priele mussten über schmale und wackelige Stege gequert werden. Ein Erreichen der Baustelle von Landseite wäre nur unter erschwerten Bedingungen möglich gewesen. Man entschied sich, die Baumaterialien auf dem Seeweg heranzuschaffen. Der Turm stand zu damaliger Zeit im Watt und ein 350 m langer Faschinendamm, der bei mittlerem Hochwasser gerade frei vom Wasser blieb, bildete die Verbindung zum Außendeich.
                                             
Am 1.3.1904 wurde der Turm als Leit- und Quermarkenfeuer gezündet. Die erste Inbetriebnahme erfolgte mit Petroleum-Glühlicht, einer Gürtellinse mit 250 mm Brennweite und Otterblenden mit Antrieb durch ein Gewichtsuhrwerk. Bereits 20 Jahre später gab es eine dreijährige Betriebspause für den Baljer Leuchtturm, eine Richtfeuerlinie auf dem Hullen ersetzte vorübergehend das 1904 in Dienst gestellte Leuchtfeuer.

Weitere Stationen in der über 100jährigen Geschichte des Baljer Leuchtturmes:

·         1929 Umstellung von Petroleum auf Flüssiggas. Neben dem Turm wurde ein Gastank aufgestellt
·         1931 erhielt  die Optik eine 2. Gürtellinse mit 500mm Brennweite.
·         1959 Umstellung auf Flaschengas. Der Gastank wurde abgebaut.
·         1962 Umstellung auf automatischen Betrieb mit elektrischen Glühlampen. Ab jetzt wurde das Feuer ferngesteuert, die Ära der Leuchtturmwärter war beendet.
·         1980 am 15. Dez. wurde das Feuer im Turm gelöscht, ein neuer Turm übernahm seine Aufgabe.


Aktuelle Informationen über den Förderverein Baljer Leuchtturm von 1904 e.V. und besonders auch die aktuellen Begehungszeiten für das Jahr 2014 sind auf der Homepage des Vereines  www.foerderverein-baljer-leuchtturm.de zu finden.

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