Kackmann
gehört zu jenen Menschen, die immer alles besser wissen, alles besser können,
die für jedes Problem eine Lösung wissen und dann, wenn sich die Dinge weiter
entwickelt haben, selten mit ihrer Auffassung im Recht bleiben.
Unangenehm
ist er eigentlich nicht – eher etwas anstrengend für seine Mitmenschen und,
wenn man sich an seine Art gewöhnt hat, kann es sogar unterhaltsam mit ihm
sein.
Vielleicht
14 Tage vor dem Weihnachtsfest unterhielten sich Kackmanns beiden Kollegen über
den bevorstehenden Weihnachtsbaumkauf auf dem Stader Weihnachtsbaummarkt.
Private Gespräche waren keine Seltenheit in diesem Büro und kennzeichneten das
gute Klima zwischen den drei Angestellten.
Kackmann
wäre nicht Kackmann, hätte er sich nicht nach kurzer Zeit in das Gespräch über
Größe, Preise und Qualität der Weihnachtsbäume eingeschaltet.
„Versteh´ gar
nicht, warum ihr euch keinen Baum aus dem Wald holt, frischer und billiger geht
es doch wirklich nicht.“
Kackmann
hatte bisher in jedem Jahr seinen Baum vom Stader Markt geholt. In diesem Jahr
hatte er einen Zeitungsartikel über das Selberschlagen von Weihnachtsbäumen im
Tageblatt gelesen.
„Steigert
doch die weihnachtliche Vorfreude für die ganze Familie, so ein Waldausflug.
Ist auch viel billiger und der Baum nadelt nicht schon am Heiligen Abend“, gab
er sein gerade erworbenes Zeitungswissen weiter.
Sie ließen
ihn reden, um ihm am Ende seiner Ausführungen zu sagen, dass sie ihren Baum
auch in diesem Jahr wieder auf dem Stader Tannenbaummarkt kaufen würden.
„Groß wird
er sein in diesem Jahr, frisch und nach Wald duften. Silvester wird er noch
seine Nadeln haben! Ich lade euch mit euren Familien ein zum Weihnachtskaffee
am 2. Weihnachtsfeiertag. Dann könnt ihr eure Mickerpalmen mit meinem Baum
vergleichen! Ich möchte wetten, dass wir im nächsten Jahr gemeinsam in den Wald
fahren werden!“
Zu Hause am
Abendbrotstisch platzt Vater Kackmann schon mit der Neuigkeit heraus, bevor
noch alle an ihrem Platz saßen. Almut Kackmann, die heute manchmal lieber ihren
Mädchennamen Meier zurück gehabt hätte, der 12jährige Sohn Maik, den der Vater
nach dem Vorbild amerikanischer Spielfilme meistens „Junior“ nannte, die
10jährige Jennifer und der kleine 5jährige Sebastian nahmen Kackmanns
Ankündigung sehr unterschiedlich auf.
„Muss ich
auch mit?“
Mutter Almut
mit ihrer Vorliebe für Versandhausmode hoffte noch auf Befreiung von der
Weihnachtsbaumaktion.
Im Gegensatz
zu ihr waren die Kinder gleich Feuer und Flamme für Vater Kackmanns Vorschlag.
„Denk´ nur,
was für ein schönes Familienerlebnis es wird und anschließend, wenn wir unseren
Baum haben, kehren wir noch irgendwo in der Wingst zum Kaffeetrinken ein“,
schwärmte der Familienvater.
Mit „dem
schönen Familienerlebnis“ schnitt Vater Kackmann seiner Frau Almut den
zaghaften Rückzug aus der Tannenbaumaktion so gut wie ab.
Wochenende
Erwin
Kackmanns Fröhlichkeit – zugegeben etwas aufgesetzt – wirkte nur auf seine
Kinder ansteckend. Ehefrau Almut hatte sich in Anbetracht des in Aussicht
gestellten Kaffeetrinkens mit dem neuen Kleidervorschlag von der Katalogseite
314 angezogen: Kostüm in Herbstfarben, gelbockerfarbene Strümpfe, die halben
Schuhe mit den nicht ganz langen Absätzen und dem Wintermantel vom Vorjahr.
Kackmann
selber hat sich auf das Ereignis vorbereitet wie ein Buschläufer. Eine
Armeehose in Tarnfarbe – schon vor Jahren aus Heeresrestbeständen erworben –
olivfarbene Gummistiefel, Daunenweste unter der Bundeswehrparka und, etwas
unpassend dazu, der karierte Hut, den er auch immer zum Dienst trägt. Ein Hut
ähnlich dem, den der Altkanzler Adenauer immer trug, wenn er Boccia spielte.
Junior,
Jenni und Sebastian saßen erwartungsvoll mit ihren Gummistiefeln im Fond des
zweijährigen Japaners.
Mit Axt,
Säge und Seil im Kofferraum verließ die Familie am frühen Nachmittag ihr Dorf
in Richtung Naherholungsgebiet Wingst, das sich schon bald mit seinen dunklen
Waldhügeln am Ende der Elbmarsch vor dem hellen Winterhimmel abzeichnete.
Kackmann trommelte mit den Fingern auf das Lenkrad, pfiff dabei immer ein und
dieselbe Melodie irgendwelcher bayrischer Stimmungsmacher, die sich bei seinem
letzten Stadeumsbesuch in seinem Kopf festgesetzt hatte. Er war zufrieden.
Kackmann war meistens zufrieden – daran konnten auch seine häufigen Niederlagen
nichts ändern.
„Kinder,
dieser Tag wird euch in Erinnerung bleiben“, sprach er in den Rückspiegel
blickend. Dabei ahnte er noch nicht, wie Recht er behalten sollte.
Mitten im
Hochwald setzte Kackmann den Blinker und bog nach rechts in einen Waldweg. Vor
einem Sperrbalken führte eine Fahrspur im spitzen Winkel durch die hohen
Fichten. Am Anfang dieser Spur stoppte er den Wagen, stellte den Motor aus,
atmete tief durch und sagte genießerisch: „Oh diese Ruhe! Herrlich!“
Die
Wagentüren öffneten sich, ein Schrei durchbrach die Waldesstille! Almut Kackmann
zog ihren Fuß zurück ins Wageninnere – schwarz bis knapp über den Knöchel.
Ohnehin nicht in bester Laune hatte sie die tiefe Wagenspur neben der
Beifahrertür übersehen.
Vielleicht
war dieses Missgeschick – so unangenehm sich der schlammüberzogene Fuß auch
anfühlte – gar nicht so verkehrt: Hatte sie nun doch einen Grund, im Auto
sitzen zu bleiben.
Ohne Mutter
Kackmann bewegte sich die Familie ausgestattet mit Axt und Säge durch den
Hochwald zu der dahinter liegenden Fichtenschonung. Bald schon war der Weihnachtsbaum
gefunden. Junior hielt die unteren Zweige hoch, der Vater sägte und die Kleinen
schauten zu. Gute drei Meter neigten sich zur Seite. Als der Baum fiel, ließ
Junior die Zweige los. Einer wischte Kackmann durchs Gesicht. Mit den
leuchtendrot aufblühenden Schrammen im Gesicht entfuhr ihm ein Fluch, den er
normalerweise vor den Kindern unterdrückt hätte. Der schmutzige Handschuh fuhr
reflexartig über das Gesicht, um den aufkommenden Schmerz zu lindern und
hinterließ dabei schwarze, harzige Flecken auf dem Gesicht. Während der Schmerz
noch nicht nachgelassen hatte, johlten die Kinder vor Vergnügen, weil ihr Vater
mit diesem Gesicht so lustig aussah.
Kackmann
unterdrückte seinen Groll. Erste, heimliche Zweifel beschlichen ihn, ob die
Entscheidung, selbst einen Weihnachtsbaum zu schlagen, richtig gewesen war.
Kaum, dass
der Schmerz sich verzogen hatte, musste Kackmann feststellen, dass er diesen
Baum unmöglich mitnehmen konnte. An den Zweigen, die zum Nachbarbaum gezeigt
hatten, waren fast alle Nadeln abgescheuert. Der Baum blieb liegen und ein
zweiter Baum, diesmal sorgfältiger untersucht, fand das Gefallen der Familie
und wurde gefällt. Das dicke Ende tragend bahnte sich Kackmann gefolgt von
Junior in knapp drei Meter Entfernung, der das dünne Ende in der Hand hielt,
einen Weg durch die Schonung. Jenni und Sebastian halfen sich gegenseitig durch
die zurückschnellenden Zweige. Ihnen waren Axt und Säge anvertraut.
„So, nun
haben wir es gleich geschafft“, meinte Kackmann zu seinen Kindern, als sie den
Waldweg erreicht hatten. Er hatte noch nicht ganz ausgesprochen, als sich eine
Gestalt mit Dackel aus dem Dunkel des Hochwaldes löste, unschwer als Förster zu
erkennen.
„Guten Tag!
Wo haben Sie denn den Baum her, bitte schön?“
Kackmann,
sichtlich verlegen, versuchte dem Forstmann zu erklären, dass er den Baum
abgesägt neben der Schonung gefunden habe.
„So, so, und
Axt und Säge rein zufällig dabei gehabt“, fragte er in einem Ton, der
zweifelsfrei erkennen ließ, dass alles Lügen zwecklos sei.
Da mischte
sich der kleine Sebastian ein und meinte: „Mein Papi hat doch ein bisschen
Recht. Ein Baum liegt da noch! Den haben wir zuerst abgesägt aber der taugte
nichts.“
Kackmann
wollte es nicht glauben! Sein eigen Fleisch und Blut brachte ihn in noch
größere Verlegenheit als er ohnehin schon war.
„Dann haben
Sie also zwei Bäume geschnitten. Sie müssen doch gewusst haben, dass man nicht
einfach so in den Wald gehen darf, um sich einen Tannenbaum zu besorgen. Wären
Sie gleich auf das Forstamt gekommen, hätte ich Ihnen eine Schonung angewiesen.
Von einer Anzeige wegen Diebstahls will ich einmal absehen, weil Weihnachten
vor der Tür steht. Bezahlen müssen Sie schon, zehn Euro nehmen wir jetzt für
den Meter.“
Er zückte
einen Quittungsblock aus seiner ledernen Umhängetasche und begann eine Quittung
auszustellen.
Kackmann
war, entgegen seiner Art, ganz still geworden. Er kramte in seinem Portemonnaie
und hielt dem Forstmann schon 30 Euro entgegen.
Als der mit
der Schreiberei fertig war, nahm er die Geldscheine, rieb sie zwischen seinen
Fingern und sah Kackmann fragend an.
„Stimmt
etwas nicht?“ fragte Vater Kackmann.
„Was ist mit
dem anderen Baum, von dem Ihr Sohn sprach? Der gehört Ihnen jetzt auch. Ich
nehme an, dass er auch um die drei Meter lang ist und habe deshalb die Quittung
auf 60 Euro ausgestellt.“
Wortlos
griff Kackmann erneut zur Geldbörse, zückte einen Fünfziger und erhielt zwanzig
von seinen bereits gezahlten dreißig Euros zurück. Dazu eine Quittung
unterschrieben mit H. von Wensow.
Der Förster
tippte mit der Fingerspitze an seinen Hut, zog seinen Hund, der gerade an den
Weihnachtsbaum pinkelte, zu sich heran und verabschiedete sich mit den Worten:
„Frohes Fest wünsche ich dann noch und im nächsten Jahr kommen Sie dann aber
bitte gleich zu mir, ja?“
Die
Amtsperson war erst wenige Schritte entfernt, als Jenni flüsternd fragte, ob
der Papi denn nun geklaut habe?
Kackmann,
der es nicht gewohnt war, Niederlagen kampflos hinzunehmen, arbeitet fieberhaft
daran, den Diebesmakel loszuwerden.
„Eigentlich“,
begann er, „eigentlich gehörte uns der Baum schon, bevor ich ihn bezahlt hatte.
Wisst ihr, was der Förster gemacht hat, war nicht ganz richtig. Dieser Wald ist
ein Staatsforst, der allen gehört, auch mir. Ich habe mir nur meinen kleinen
Teil herausgeholt, der mir ohnehin schon gehörte.“
„Warum hast
du dann noch für die Bäume bezahlt?“ fragte Junior seinen Vater.
Kackmann war
auch hier nicht um die passende Antwort verlegen.
„Förster
sind nur kleine Beamte, die nicht viel verdienen und immer auf unseren Wald
aufpassen müssen. Da habe ich mir gedacht, jetzt zu Weihnachten kann er
vielleicht gut ein paar Euros gebrauchen, um seinen Kindern und seiner Frau
Weihnachtsgeschenke kaufen zu können.“
„Und für
seinen Dackel“, ergänzte der kleine Basti, „der an unseren Weihnachtsbaum
gepinkelt hat.“
„Ja, für den
auch“, versuchte Kackmann das Gespräch zu beenden. Schon fast am Auto
angekommen, spürte er die Quittung in seiner freien Hand. Zorn stieg in ihm auf
und er schleuderte das zusammengeknüllte Papier zwischen die Fichtenstämme
neben dem Weg.
„Du hast eben
Papier verloren, Papi!“ rief Jenni. „Das ist Umweltverschmutzung!“
„Ist es
nicht!“ knurrte Kackmann. „Papier ist aus Holz, der Wald auch – passt also gut
zusammen!“
Die letzten
Meter bis zum Auto wurden wortlos zurückgelegt.
Schräg, mit
dem dicken Ende zuerst, drückten Kackmann und Junior den Baum in die Ecke des
japanischen Kofferraumes. Weihnachtsmusik drang aus dem beschlagenen Innenraum
des Autos. Almut Kackmann hatte sich mit notdürftig gereinigtem Fuß mit dem
Autoradio getröstet, nachdem die beschlagenen Scheiben ihr den Ausblick in das
Tannengrün genommen hatten.
Kaum, dass
der Baum verschnürt war, schwang Kackmann sich hinter das Steuer seines Wagens,
startete den Motor, legte den Rückwärtsgang ein und gab Gas. Der Motor heulte
auf aber das Auto bewegte sich trotz drehender Antriebsräder nicht vom Fleck.
Junior und
Mutter sollten etwas schieben, vorne, an den Scheinwerfern. „Viel fehlt nicht!“
rief Kackmann durch das Seitenfenster mit der heruntergedrehten Scheibe, „etwas
ruckeln!“
Tatsächlich
bewegte sich das Auto etwas zurück, um dann jedoch erneut festzusitzen.
„Noch einmal
nach vorne!“ schallte das Kommando des Familienvaters durch den Wald.
Almut
Kackmann stelzte wie ein Storch über Pfützen und Tannenzweige, packte das Rücklicht
und stemmte sich mit ihren ganzen 58 Kilogramm gegen den festsitzenden Japaner.
Der Motor
heulte auf – Frau Kackmann auch! Das konnte ihr Ehemann aber durch das Geräusch
des Motors und der durchdrehenden Reifen nicht hören.
Kackmann
ging vom Gas. Weder Motor noch Reifen heulten; aber durch die Stille des Waldes
hörte Kackmann nun das Heulen seiner Frau. Sie saß auf einer Fichtenwurzel, die
Hände vor dem Gesicht und von oben bis unten zog sich über den Versandhauschic
ein autoreifenbreiter, schwarzer Dreckstreifen. Selbst auf der Brille saß ein
Placken Walderde, der langsam abzurutschen begann.
Basti heulte
auch, Jenni schwieg und Junior suchte Tannenzweige, um sie vor die
Antriebsräder zu legen. Kackmann versuchte seine Frau notdürftig zu reinigen. Er
zog ihr den Mantel aus und setzte sie – nun schon erheblich sauberer und nicht
mehr heulend – auf den Beifahrersitz.
Kackmann
begann den Familienausflug heimlich zu verfluchen, wenngleich er das niemals
zugeben würde. Juniors Patent mit den Zweigen klappte. Der Wagen machte einen
gehörigen Satz über den Weg, beinahe gegen den Sperrbalken, den Kackmann wegen
der beschlagenen Scheiben nicht gesehen hatte. Lediglich der Tannenbaum ist an
dem Pfosten entlanggeschrammt. Von den drei oberen Zweigenkreisen hing jeweils
ein Zweig - nur noch mit ein wenig Borke dem Stamm verbunden – senkrecht nach
unten. Das aber konnte Kackmann nicht sehen.
Es fing zu
dämmern an. Die Scheiben wurden klar, alle wollten nach Hause. An gemütliche
Einkehr dachte niemand mehr. Kackmann fing vorsichtig wieder damit an, die
Melodie von der Hinfahrt zu pfeifen, Mutter Kackmann saß schweigend, ja, wenn
nicht gar anklagend auf dem Beifahrersitz. Die Kinder, von der Waldluft müde,
vergaßen sogar, sich auf der Rückbank zu streiten.
Ein rotes Licht
auf der Straße kurz vor der Molkerei Hasenfleet, fast schon an der Kreisgrenze,
ließ Vater Kackmann auf die Bremse treten. Er drehte die Scheibe herunter. Ein
freundlicher Polizist bückte sich runter und sagte durch das geöffnete Fenster:
„Guten Tag! Fahrzeugkontrolle, die Papiere bitte!“
Gott sei
Dank! Kackmann hatte alles dabei und der Wagen war auch gerade in der
Werkstatt.
Der Beamte
ging um den Wagen, reichte die Papiere durch das Fenster und meinte freundlich:
„Alles in Ordnung!“ Wohl als Scherz gemeint fügte er noch hinzu: „Den
Tannenbaum haben Sie aber nicht geklaut?“
Er wollte
sich schon abwenden, da mischte Basti sich in das Gespräch ein.
„Richtig
geklaut haben wir den Baum nicht. Der kommt nämlich aus dem Staatsforst und der
gehört sowieso allen. Dieser Baum gehörte meinem Papi!“
Kackmann
wäre am liebsten in den Fußraum seines Japaners versunken.
„Herr
Kackmann“, sagte der Polizist, „können Sie einen Nachweis darüber bringen,
woher Sie diesen Baum haben? Eine Quittung vielleicht?“
Kackmann blätterte
in seiner Brieftasche, obwohl er sehr genau wusste, dass er die Quittung dort
nicht finden würde.
„Ich habe
den Baum gekauft vom Forstamt. Äh, ich habe 60 € dafür gegeben, äh, Kinder sagt
dem Polizisten, dass das wahr ist.“
„Das
stimmt“, sagt Jenni, „Papi hat dem Jäger 60 € gegeben, damit er für seine
Familie Weihnachtsgeschenke kaufen kann.“
„Getrunken
haben sie nichts, Herr Kackmann?“ fragte der Polizist. „Das kommt mir doch
alles sehr merkwürdig vor. Fahren Sie uns bitte nach zur Polizeiwache in
Cadenberge. Wir werden von dort klären, ob Sie den Baum bezahlt haben.“
Glück für
Kackmann: Der Förster war gleich am Apparat. Er konnte sich nur zu gut an die
Familie erinnern und bestätigte dem Polizisten, dass die beiden Bäume
ordnungsgemäß bezahlt wurden.
Die beiden
Bäume? Der Polizist runzelte die Stirn. Da war doch nur ein Baum, im
Kofferraum? Irgendetwas stimmte heute nicht. Na ja, wird schon seine
Richtigkeit haben. „Sie können fahren, Herr Kackmann, und denken Sie daran,
dass Sie im nächsten Jahr die Quittung aufheben! Gute Fahrt!“
Almut
Kackmann überlegte die ganze Rückfahrt über, ob sie ihr Schweigen brechen
sollte. Wenn ja, würde es ein fürchterliches Gewitter geben. Sie entschied
sich, weiter zu schweigen – bis zum nächsten Morgen.
Stumm
verließ die Familie das Auto und ging ins Haus. Kackmann, allein mit seinem
frischen, selbstgeschlagenen Tannenbaum nach einem „herrlichen
Familienausflug“, fühlte sich einsam, wie selten zuvor. Während er den Baum
auspackte bemerkte er die abgeknickten Zweige. „Nicht so schlimm“, dachte er,
„da werde ich neue Zweige in den Stamm einbohren.“
Der
regennasse Baum musste in den Heizungsraum zum Abtrocknen. Die schwere Eisentür
zum Heizungsraum stieß er mit dem Fuß auf, die Hände waren ja belegt. Ein
rascher Schritt vorwärts in den Raum, jedoch nicht schnell genug. Die Tür
klappte zu und die Spitze des Weihnachtsbaumes fiel auf der anderen Seite der
Tür auf den Boden. Kackmann bemerkte es, aber ihm fehlte der nötige Antrieb die
abgefallene Spitze vom Boden aufzuheben.
Zwei Tage
vor dem Fest drängte Almut Kackmann ihren Mann, den Weihnachtsbaum in die Stube
zu holen. Kackmann hatte fast den Albtraum der Baumexpedition vergessen. Auch
im Büro redete er nicht darüber, obwohl seine Kollegen Meiners und Holten ihn einmal
fragten, ob er denn einen schönen Baum gefunden habe.
Er ging also
in den Keller, griff den schön abgetrockneten, kräftig nach Fichte duftenden
Baum und zwängte ihn durch die Tür des Heizungskellers. Zurück blieb ein
Nadelteppich. Nicht anders war es an der nächsten Tür und, als der Baum im
Wohnzimmer ankam, trug er nur noch die Hälfte seiner Nadeln, drei Zweige hingen
wie an einem dünnen Faden, Die Spitze fehlte ganz und gar.
Almut
Kackmann war lautlos hinter ihrem Mann in das Zimmer getreten.
„Raus! Raus
mit diesem elendigen Baum und sieh zu, wo du einen anderen her bekommst!“
zischte sie mehr als sie sprach durch die kaum geöffneten Zähne ihren Mann an.
Am letzten
Tag vor Weihnachten schlich Kackmann sich mit „Fröhliche Weihnachten!“, das
alles andere als fröhlich klang, nach Feierabend aus dem Büro. Viele Bäume gab
es nicht mehr auf dem Stader Weihnachtsbaummarkt. Die guten Bäume waren längst
schon ausgesucht. Kackmann entschied sich am Ende für einen Baum, für den er in
den vergangenen Jahren nicht einen Euro hingelegt hätte.
Ach ja! Ganz
ist die Geschichte noch nicht zuende. Von Kackmann ganz vergessen, standen am
zweiten Weihnachtstag die Familien seiner Kollegen vor der Tür. Großes Hallo!
„Und nun wollen wir uns doch einmal euren Weihnachtsbaum ansehen!“ Nett waren
sie, die Kollegen. Besonders der lange Holten schwieg zum Kackmannschen Baum.
Meiners konnte sich nicht verkneifen, diesen Baum zu kommentieren.
„Weißt du,
Erwin, wenn ich mir deinen schönen, frischen und selbstgeschlagenen Baum so ansehe, glaube
ich, dass ich meine „Mickerpalme“ doch lieber weiter vom Weihnachtsbaummarkt in
Stade holen werde.“
Mutter
Kackmann und die Kinder, soweit sie es verstanden hatten, grinsten. Vater
Kackmann wechselte schnell das Thema und versuchte seine Gäste von den Vorzügen
japanischer Autos zu überzeugen.
Die Wahrheit
über Kackmanns Weihnachtsbaum erfuhren die Kollegen erst im Sommer während des
alljährlich stattfindenden Betriebsausfluges. Das war, als Kackmann, der lange
Holten und Meiners sich der letzten Liter Bowle angenommen hatten – aus reiner
Sorge, dass sie sonst verkommen könnte.
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