Montag, 7. Dezember 2015

Horrorfest Halloween



Die Entdeckung Amerikas hat der Menschheit manchen Segen bereitet, wenn wir mal an die vielen sinnvollen und praktischen Erfindungen denken, die aus Amerika zu uns nach Europa gekommen sind.
Bei einigen Errungenschaften aus den Vereinigten Staaten wünschte ich mir allerdings, dass Amerika niemals entdeckt worden wäre, wobei das noch nicht unbedingt eine Garantie dafür gewesen wäre, dass nicht irgendwo anders auf der Welt jemand auf ähnlich dumme Gedanken gekommen wäre.
Auf Halloween zum Beispiel könnte ich nur zu gerne verzichten. In Irland und dann mit den irischen Auswanderern nach Amerika  eingeführt mag der Halloweenbrauch auch dort eine gewisse Tradition und Berechtigung haben.
Was aber haben wir damit zu tun? Kaum einer weiß über die Ursprünge des Brauches.
Halloween hat in unseren Regionen keine traditionellen Wurzeln, der Brauch ist uns von der Konsumindustrie übergestülpt worden. Mit Süßigkeiten, Kostümen, Scherzartikeln und Dekoartikeln lässt sich vortrefflich Geld verdienen.
Ich will da nicht mitmachen, will mich nicht manipulieren lassen.
Wenn das man so einfach wäre.
Bevor ich zum Wochenendeinkauf aufbreche, erinnert mich Ulla noch an Halloween.
„Denkst du daran ein paar Süßigkeiten mitzubringen, heute ist Halloween!“
Sie hat ja Recht. Stell dir vor, da stehen diese Wohlstandsbettelkinder vor der Tür, schmettern dir „Süßes oder Saures“ entgegen und du kannst ihnen nichts geben, um sie schnell wieder loszuwerden.

Ich stehe im Supermarkt vor dem Regal mit den Süßigkeiten. Die Entscheidung fällt nicht schwer. Es sollen die Mini Schokoriegel sein. Die haben den Riesenvorteil, dass ich sie auch gerne mag und vielleicht bleiben ja einige von der Schokogier der  Haloweenmonster verschont.
Ich nehme doch lieber vier statt drei Großpacks Mini Mars und Co mit. Besser ist besser. Stehst am Ende da und hast nichts. Was dann?
Haus verlassen und Abendspaziergang weg vom Haus? Nein! Nicht jetzt im Dunkeln und regnen tut es auch ein wenig.
Licht aus und auf den Fußboden legen? Na ja, muss ja nicht gleich der Fußboden sein. Einfach so tun, als sei niemand zu Hause. Ist auch irgendwie blöd, sich so im eigenen Haus verstecken.

Da müssen wir nun durch. Beim jährlichen Motorradtreffen verlassen wir schon immer Freiburg und schlafen die Nacht auswärts. Nun auch noch am Halloweentag?
Nein, zu viel Aufmerksamkeit für diesen ungeliebten, aufgezwungenen Brauch.
Wie schon gesagt, da müssen wir jetzt durch!

Auf dem Rückweg vom Einkauf wäre es beinahe passiert. Ich biege in eine der Straßen unserer Siedlung und um Haaresbreite wäre ich in eine Gruppe von Halloweenmüttern gefahren. Sie begleiten ihre kleinen „Monster“ auf deren Betteltour durch die Siedlung. Während ihre Kleinen an der Haustür auf Beutezug gehen kauern sie rauchend und miteinander flüsternd im Schatten von Hecken und Büschen, den Nachwuchs immer im Blick.
Kaum, dass die Haustüren zuklappen, müssen die Kleinen berichten, was es bei Tegtmeyer gebracht hat. Die waren letztes Jahr ziemlich knauserig.
Dieses Jahr war es  nicht so schlecht. Hat ihnen wohl im vergangenen Jahr jemand gesteckt, dass sie weit unter der Norm gelegen haben.
Bevor es weiter geht an die nächste Tür wird erst einmal umgepackt. Die Mütter übernehmen  die Last. Weiß inzwischen ja jeder, dass es für die Skelette  der unausgewachsenen Kinderkörper nicht gut ist, wenn Lasten über längere Zeit auf einer Seite getragen werden.
„Süßes oder Saures“ schallt von der nächsten Haustür. Die Gelegenheit, die mit Alkohol gefüllten Pralinen mit der Kirsche auszusortieren. Eine Runde Mon Cheri  für alle.  Es reicht mal eben, weil Petra gerade fastet.
Gewarnt durch meinen „Beinahcrash“ fahre ich vorsichtig weiter.
War das nicht M. mit seiner Tochter. Sie ist drei Jahre alt, versteht nicht, warum ihre Eltern ihr die merkwürdige Kleidung angezogen haben. Sie geht brav an der Hand ihres Papas. Angst kennt sie nicht, der Papa ist ja dabei. Tagelang haben die Eltern ihr die  Betteldrohung beigebracht, ohne dass das arme Kind auch nur annähernd eine Ahnung hatte, was es da lernte. Halloween Nachmittag war es so weit. Sie konnte „Thütheth oder Thaureth“ wie mit englischem „th“ sagen.  Alles war perfekt Kostüm und der Spruch saßen, M. und seine Frau konnten ihr gerade windelfreies Töchterchen ins Rennen um die Haloweenkalorien schicken.
Ich bin fast zu Hause. Da, wo unsere Straße abzweigt, steht eine weitere Müttergruppe, kleine „Halloweenies“ stürzten im Beuterausch eine Auffahrt runter und müssen von ihren Müttern wegen des herannahenden Autos im letzten Moment gestoppt werden.
Keine Angst! Ich bin ja inzwischen vorgewarnt.

Ich komme ins Haus und höre aus der Stube:
„Hast du an die Süßigkeiten gedacht?“
„Ja. Es kommen gleich welche, ich habe sie schon an der Abzweigung zu unserer Straße getroffen.“
Ich fülle die Schokoriegel in eine Glasschüssel und stelle sie griffbereit in den Hausflur. Zwei Teile nehme ich mit in die Stube. Ich kann das. Einfach so, brauche auch keinen Spruch aufzusagen.
Wir sitzen in der Stube in Erwartung der Halloweentrupps und vernaschen inzwischen schon den zweiten Schokoriegel.
„Wir sind als Kinder Rummelpott gelaufen. Das kennt heute niemand mehr.“
„War eigentlich nicht anders. Zumindest was das Einfordern von süßen Leckereien anging. Verkleidung musste auch sein, “ sagte ich zu Ulla.
„Wieso eigentlich Verkleidung beim Rummelpottlaufen?“
„Man sollte doch nicht erkannt werden, wenn man allzu geizigen Leuten ein Spottlied sang.“
Und dann begannen wir die alten Verse zusammenzubekommen.
„Rummel, rummel rusch, de Nigger sit in Busch…“
„Geht heute gar nicht!“ meint Ulla und fuhr schmunzelnd fort „ Anni Berger würde die Kinder ohne etwas wegschicken und sie als Rassisten beschimpfen.“
Ja, da kannte die Berger keinen Spaß. Bei Rassismus hört er auf, der Spaß!
Ich muss auch bei der Vorstellung von Anni Bergers Reaktion lachen. Mir fällt das Schmählied wieder ein. Wie ging es noch?
"Witten Tweern, swatten Tweern,
disse Olsch, de gifft nich geern!"
„Ich erinnere das noch ein wenig anders. Ich meine, dass es hieß:
Witten Tweern, swatten Tweern, Ohle Wieber geevt nich gern!“
„Kann auch sein. Auf jeden Fall mussten wir schon ein wenig mehr leisten, als nur „Süßes oder Saures“ rufen.“
Der Spielfilm ist zuende, 22 Uhr. Ulla blättert die Fernsehzeitung durch. Plötzlich blickt sie auf:
„Es war keiner hier.“
„Was meinst du?“
„Kein Halloweenbesuch! Jetzt kommt auch nichts mehr.“

Schon ein bisschen enttäuschend, hatte ich mich doch extra noch auf den Weg gemacht, Süßigkeiten einzukaufen.
Und nun?
Niemand gekommen!
Ob diese Helikoptermütter hinter den Büschen telepathische Fähigkeiten haben und ihren Kindern am Haloweentag ein Horrorerlebnis ersparen wollten?
Na ja, so schlimm sind wir ja nun auch wieder nicht!

Die Enttäuschung hielt sich aber in Grenzen, als mein Blick auf dem Weg zur Küche auf die bis oben mit Schokoriegeln gefüllte Glasschale fiel.
So schlecht war Halloween dann in diesem Jahr doch nicht. Nichts Saures, dafür aber jede Menge Süßes!

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