Freitag, 29. Mai 2015

Vom Zufall



Aus der Geschichte kennt man, dass ganze Kleinigkeiten, Zufälle  die irrwitzigsten Folgen haben.  Wäre Kolumbus damals nicht in die verkehrte Richtung gesegelt, würden wir vielleicht heute noch nichts von Amerika wissen (ha,ha).
Glück für die Menschheit!
Oder, hätte der kleine Schwächeanfall von Frau Hitler, geb. Pölzl,  am 7.5.1889 in Braunau nur vier Minuten länger angedauert, wäre der kleine Adolf in der Badeschüssel ertrunken. 
Pech für die Menschheit!
So ist das mit den Zufällen.

Nicht ganz so folgenschwer für die Menschheit, aber schön für die Entwicklung des kleinen Elbeflecken Freiburg,  noch so ein Zufall:
Dank des unermüdlichen Einsatzes des damaligen Bürgermeisters wurde der Flecken Freiburg in die Städtebauförderung des Landes Niedersachsen aufgenommen. Mit Landesmitteln wurde die Gewerbebrache eines Landhandels mit diversen Gebäuden am Hafenrand in den Besitz des Fleckens  gebracht. Auch mit Landesmitteln wurden Lagerschuppen, Hochsilo und Nebengebäude abgebrochen. Stehen blieb auf dem Gelände nur ein hässliches Gebäude, verunziert durch viele Veränderungen, die immer wieder durch die Anpassung an geänderte Nutzungen entstanden. Ungefähr 250 Jahre alt war das Gebäude und stand unter Denkmalschutz. Was es da zu schützen gab, erschloss sich derzeit nur den wenigsten Menschen. Tauben und Ratten hatten das Haus zum Leidwesen der Nachbarschaft besetzt.
„Afrieten! Wech mit denn Schiet!“
So einfach geht das aber nicht, wenn ein Gebäude erst einmal von den Behörden als schützenswert eingestuft ist, und das war beim Kornspeicher der Fall.
Erst als alle Bemühungen des Fleckens, Investoren für das arg sanierungsbedürftige Haus  zu finden, fehlschlugen, dachte man im Fleckensrat ebenfalls über Abriss nach.
Ich gehörte seinerzeit zu der Freiburger Minderheit, die das historische Gebäude um jeden Preis erhalten haben wollte. Es wollte sich mir nicht erschließen, dass eine Gemeinde, die am Ortseingang mit ihrem historischen Ortskern wirbt, nun ernsthaft plante, eines seiner ältesten Gebäude abzubrechen.
Als nun der Abriss des Gebäudes auf der Tagungsordnung des Gemeinderates stand, habe ich mich zur Ratssitzung begeben, um die Debatte und anschließende Beschlussfassung zu verfolgen. Es kam nicht anders als erwartet. Der Speicher hatte keine Lobby, allenfalls wurde Bedauern geäußert, dass leider keine andere Wahl bestünde, als das Haus abzureißen. Und so lautete dann auch der Beschluss.

Nach dem öffentlichen Teil der Sitzung verließ ich den Raum unter dem Dach des Rathauses. Auf dem Weg über die Treppe ins Erdgeschoss begleitete mich eine Freiburgerin, die sich durch den Abrissbeschlussbeschluss sehr betroffen zeigte.
„Das ist doch zu schade, dass dieses alte Haus nun aus Freiburg verschwinden soll. Man müsste eine Bürgerinitiative gründen, die sich für den Erhalt des Baudenkmals einsetzt.“
„Das wäre nicht schlecht“, stimmte ich ihr zu.

Was ich nicht wusste: Hinter mir ging die Redakteurin des Stader Tageblattes, die über die Ratssitzung berichten wollte. Sie musste unser Gespräch auf der Treppe mitgehört haben. Anders kann ich mir den Bericht im Tageblatt nicht erklären.
Dort stand am Ende der Berichterstattung über die Speicherdebatte in etwa zu lesen: „Der Beschluss des Rates stieß nicht nur auf Zustimmung. Der ehemalige Freiburger Ratsherr Jörg Petersen erwägt eine Bürgerinitiative zu gründen, um den Abriss des denkmalgeschützten Speichers zu verhindern.“
Im Laufe des Erscheinungstages klingelte mehrfach mein Telefon und Freiburger Bürgerinnen und Bürger beglückwünschten mich zu meiner Idee und wollten der BI beitreten.
Aus der BI wurde dann 2003 ganz schnell ein Verein, der bis heute im Februar 2015 auf 750 Mitglieder angewachsen ist. Diesem Verein ist es dann in der Folgezeit nicht nur gelungen, den Abriss des Hauses zu verhindern. Er wurde Eigentümer des Kornspeichers und hat ihn bis ins Jahr 2014 hinein mit viel Eigenarbeit und Hilfe von den unterschiedlichsten Förderern saniert und zu einem Soziokulturellen Zentrum der Region hergerichtet.

Heute kann sich kaum noch jemand in der Region vorstellen, dass es den Freiburger Kornspeicher um Haaresbreite nicht mehr gegeben hätte.
Zufall? Schicksal?
Wie wäre es gelaufen, wenn ich damals lieber auf dem Sofa geblieben wäre statt zur Ratssitzung zu gehen? Was wäre aus dem Speicher geworden, wenn die Redakteurin nichts von einer tatsächlich nicht geplanten Bürgerinitiative geschrieben hätte?

Wer weiß das schon, aber schön, dass es so gekommen ist, wie es ist.

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