Ein besonderes Baudenkmal mit
einer bäuerlichen Tradition, deren Ursprung möglicherweise vor über 800 Jahren
lag
Folgt man mitten in Wischhafen der Ausschilderung nach Oederquart bewegt man sich bald auf
sehr geschichtsträchtigem Boden. Die ersten Kilometer der Straße bis Schinkel verlaufen
schnurgerade. Interessant wird es ab dem zweiten Linksknick. Ab hier folgt die
Straße einer Deichlinie, die ihren Ursprung irgendwo im 12. Jahrhundert hat.
Vom Deich ist heute nichts mehr zu sehen. Irgendwann einmal durch einen
aktuelleren, der Elbe näher gelegenen Deich, hat er seine Funktion verloren.
Seine Erde mag der Erhöhung neuerer und höherer Deiche gedient haben.
Was heute noch an die längst vergessene Deichlinie erinnert
ist die Straßenbezeichnung „Hollerdeich“. Verräterisch ist die Lage der
Gehöfte: Allesamt liegen sie auf der südlichen Straßenseite, häufig mit der
Giebelseite der Straße zugewandt. Denken wir uns dort, wo seit 1886 die Straße
zwischen Schinkelweg und Landesbrück verläuft, einen Deich, haben wir ein Bild
wie in zahllosen Dörfern, die sich zum Beispiel entlang des Elbdeiches im Alten
Land gebildet haben.
Obwohl von der Architektur her sehr unterschiedlich, können
alle Höfe am Oederquarter Hollerdeich auf eine jahrhundertealte Siedlungstradition zurückblicken. Fluten und
Feuer haben immer Gebäude verschwinden lassen und Anlass geboten, Wohn- und
Wirtschaftsgebäude nach derzeit modernstem Stand neu erstehen zu lassen. Zu den
ältesten heute noch erhaltenen Hofanlagen gehören die in Fachwerkbauweise
errichteten Niedersachsenhäuser. Aber auch sie sind selten älter als 200 Jahre.
Der Ziegelhof, eine der ältesten und schönsten Hofanlagen am
Hollerdeich, soll auf den folgenden
Seiten ein wenig ausführlicher
beschrieben werden.
Er liegt im
Oederqarter Ortsteil Schinkel, schräg gegenüber der Abzweigung, die vom
Hollerdeich im spitzen Winkel nordöstlich zur historischen Thingstätte, dem
Schinkelplatz, führt.
Vier Gebäude der Hofanlage sind heute in sehr gutem Zustand
erhalten. Der Hofplatz wird östlich von einer großen Kornscheune begrenzt.
Schaut man von der Straße an ihr entlang, fällt der Blick auf drei
unterschiedlich große Gebäude in Fachwerkbauweise und mit Reet gedeckt. Links
befindet sich das kombinierte Wohn- und Wirtschaftsgebäude mit dem
Wirtschaftsteil und seiner Grootdör zum Hofplatz. Dieses Gebäude mit seinem
weit überhängenden Walmdach überm Wohnteil und den „Fledermausgauben“ ist wegen
einer Balkeninschrift über der Grootdör dem Jahr 1839 zuzuordnen. Die
nebenstehende Kruppscheune mit Kuh- und Pferdestall wurde bereits zum Ende des
18. Jahrhunderts errichtet. Deutlich jünger ist das kleinste und letzte Gebäude
des Ensembles, der Schweinestall. Er fand zuletzt eine Nutzung als Kälberstall.
Trotz des harmonischen Gesamtanblicks entdeckt der Betrachter nach etwas
längerem Studium der Fassaden, dass sich die Gefache von Haupthaus und
Kruppscheune leicht in der Größe unterscheiden. Außerdem ist an der
Kruppscheune am Ständerwerk in der Giebelfront die für das Niedersächsische
Hallenhaus typische Zweiständerbauweise abzulesen. Fußbänder im Giebeltrapez
geben dem Fachwerk der Kruppscheune zusätzliche Stabilität. Sie fehlen beim
jüngeren Haupthaus.
Noch vor einigen Jahrzehnten
stand im westlichen Gartenbereich ein Backhaus. Ilse Brümmer, die 1909
auf dem Hof geboren wurde und dort aufwuchs, berichtet außerdem noch von einem
Wagenschauer, der mit einem Schafstall kombiniert war, und von einer Remise für
die Kutschen. In ihrer Jugend gab es noch mehrere Brücken über den Hofgraben
und der Hofplatz war mit einem für die Kehdinger Hofanlagen typischen weißen
Lattenzaun umgeben.
Der Südgiebel des Wohntraktes
Typisch für die Bauweise im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts
ist der das weit überkragende Walmdach. Foto: Petersen
Professor H. Ziegert hat mit seinen Grabungen entlang des
Hollerdeiches und auf dem Hofgelände des Ziegelhofes einige Vermutungen älterer
Chronisten bestätigen können. Die von ihm südlich und nördlich der vermuteten
Deichlinie vorgenommenen Bodenuntersuchungen haben den eindeutigen Nachweis
erbracht, dass eine erste Nordkehdinger Deichlinie sich von Hohenlucht kommend
durch Oederquart auf der Trasse des Hollerdeiches und dann weiter dem Verlauf
des Schinkelweges nach Hamelwörden folgend existierte. Nachzulesen sind seine
diesbezüglichen Forschungen im Buch „Nordkehdingen – Tradition und Geschichte“
herausgegeben vom Flecken Freiburg im Jahr 1998.
Für den Ziegelhof hat er herausgefunden, dass dort erst nach
Errichtung des ersten Deiches gesiedelt wurde. Heimatkundler hatten diese
Vermutung schon immer geäußert, weil keine der Hofanlagen entlang der
ehemaligen Deichlinie des Hollerdeiches auf einer Wurt liegen. Außerdem hat
Ziegert durch die Grabungen auf dem Ziegelhof herausgefunden, dass unter dem
Baugrund keine Pflugspuren zu finden waren. Daraus schließt er, dass die erste
Bebauung erst kurz nach dem Deichbau stattgefunden haben kann.
Die große offene Frage ist nun: Wann wurde der Deich gebaut?
Es gibt weder Quellen über den Deichbau noch über seinen wesentlich späteren
Rückbau.
Hier helfen Hinweise aus heute noch gebräuchlichen
Flurbezeichnungen weiter. „Hollerdeich“, „Holenwisch“. Diese Namen verraten ebenso wie „Hollern“ im
Alten Land, dass hier eine Holländer Kolonisation stattgefunden hat. Holländer hatten bereits
in ihrer Heimat erhebliche Erfahrungen in der Urbarmachung öder und moorastiger
Niederungen. Sie kamen häufig auf Aufforderung geistlicher oder weltlicher
Fürsten. Als Anreiz wurde ihnen das urbar gemachte Land übereignet und eine
befristete Abgabenfreiheit zugesagt. Dass die Holländer eine besondere Rolle in
der Nordkehdinger Marschenbesiedlung gespielt haben, hat August von
Wersebe in seinem Werk „Über die
Niederländischen Colonien …“ von 1815
mit einigen weiteren Namens- und Begriffsanlysen zu belegen versucht. Wersebe:
„Die holländischen Namen van der Does, Douza, u.s.w. lassen mich wenigstens
vermuten, dass dieses Does oder Doese mit den deutschen Namen: Doren, Dorum,
Düring u.s.w., welche einen dürren oder trockenen, erhöhten Platz bezeichnen,
gleichbedeutend sei. Auch das deutsche Wort Dorf scheint aus dieser Quelle
abgeleitet werden zu müssen; wie denn auch der Torf einen gedörrten Moorsoden
bedeutet.“
Einen weiteren Hinweis auf das Wirken der Holländer liefert
das für den Dösebereich früher übliche friesische Deichrecht im Gegensatz zum
sächsischen Deichrecht, das später Anwendung in Freiburg und Krummendeich fand.
Die Holländer kamen zu Anfang des 12. Jahrhunderts in die
Elbmarsch. Damit dürfte zu diesem Zeitpunkt auch der früheste mögliche Ursprung
des Ziegelhofes liegen.
Über die Anfänge des Ziegelhofes gibt es weiter keine
Belege. Es ist allerdings anzunehmen, dass schon gleich nach der Eindeichung
mit dem Ackerbau begonnen wurde. Zusätzlich bildete bis weit in die Neuzeit
hinein die Viehzucht und Weidemast ein weiteres wirtschaftliches Standbein für
die Bauern am Hollerdeich.
Auffallend ist, dass Kehdingen eine sehr hohe „Adelsdichte“
hat. Viele große Kehdinger Höfe waren Adelssitze. Eine Erklärung dafür liefern
möglicherweise die tragischen Ereignisse während des Stader Turnieres
zu Beginn des 14. Jahrhunderts. Erzbischof Gieselbert ließ die zum
Turnier geladenen freien Bauern Kehdingens heimtückisch ermorden. Die Höfe der
ermordeten Bauern wurden angeblich adligen Gefolgsleuten des Erzbischofs
übergeben. Alte Kehdinger Adelsgeschlechter wie die Blancken, Brummer, Drewes,
Gerdes, Göben, Gruben, Lackmann, Lütken, Offen, Schwarten, Segemann und Warner
sind erst nach der Kehdinger Eroberung ins Land gekommen. Sie waren alle schon
vor 1300 als rittermäßig und in anderen Gegenden des Erzstiftes wohnend
genannt.
Ich hätte den vorangegangenen Absatz nicht erwähnt, wenn
nicht unter den „Neubürgern“ der Name „Brummer“ aufgetaucht wäre. Brummer, an
anderer Stelle auch von Brummer oder Brümmer genannt, ist also eine der alten
Kehdinger Adelsfamilien. Hier könnte sich ein weiterer Bezug zum Ziegelhof
ergeben. Es gibt Tagebuchaufzeichnungen
des Landwirtes Diedrich Brümmer, geb. 2.2.1783, über Beobachtungen, die er in
der Zeit von 1811 bis 1852 als Bauer auf dem Siegelhof gemacht hat. Sie haben
richtig gelesen, vorübergehend schreibe ich den Ziegelhof als Siegelhof. Diedrich Brümmer ein Nachkomme des
Brummerschen Adelsgeschlechtes? Der
Siegelhof ein Adelssitz?
Der Familienname spricht ebenso dafür wie auch die Tatsache,
dass der Hof in früheren Zeiten für Wert erachtet wurde, das Kehdinger
Landessiegel zu verwahren.
Diedrich Brümmer nennt seinen Hof in seinen Aufzeichnungen
mehrfach Siegelhof. Es ist nicht davon auszugehen, dass er sich verschrieben
hat. Bleibt die Frage, wie der Siegelhof zum Ziegelhof wurde?
Möglicherweise hatte man irgendwann die Beziehung zum
Kehdinger Landessiegel vergessen und als im 19. Jahrhundert die
Ziegelproduktion in der Kehdinger
Elbmarsch boomte die Namenspatenschaft des Ziegels für sinnvoller erachtet?
Diedrich Brümmers Tagebuchaufzeichnungen sollen hier in
Auszügen erwähnt werden soweit sie
Auskunft über den Hof geben. Kern seiner Berichte sind
Wetterbeobachtungen, Aussaat- und Erntebedingungen und die aktuellen Preise,
die für seine Produkte zu erzielen waren. Auf dem Acker baute er Weizen, Roggen,
Gerste und Hafer an. Raps, Bohnen, Erbsen und Flachs erwähnt er ebenfalls.
Kartoffeln und Obst drohten manches Mal zu erfrieren. Die Witterung
beeinflusste nicht nur die Ernteerträge. Notwendige Arbeitsabläufe verzögerten
sich wie die Feldbestellung, Grabenkleien, Kuhlen, Ernte, etc. In Zusammenhang
mit der Witterung verweist Brümmer mehrfach auf die Unpassierbarkeit der Wege. Unter
den erwähnten Tieren finden die Pferde, Kühe und Ochsen seine besondere
Aufmerksamkeit. Ein echtes Problem stellen immer wieder Mäuseplagen dar. Was
nicht von Katzen und Eulen aufgefressen wurde, bildete immer wieder eine ernstzunehmende
Gefahr. In Massen auftretende Mäuse vernichteten große Mengen gelagertes Saat-,
Futter- und Brotgetreide.
Brümmers Berichtszeit fällt in die französische
Besatzungszeit. Immer wieder schreibt er von den hohen Abgaben. Mal ist es
Geld, ein Ochse oder Wagenladungen Getreide, die sogar einmal bis Magdeburg
geliefert werden mussten. Gelegentlich beschreibt er, wie er sich von
irgendwelchen Verpflichtungen freikaufen kann. Trotz aller Belastungen und der
häufigen witterungsbedingten Rückschläge
scheint er immer genug für seine Familie und den Hof gehabt zu haben.
Interessant ist, dass er die Wirtschaftsabläufe auf dem Hof
und zahlreiche aktuellen politische Ereignisse ausführlich kommentiert. Seine
Familie, Krankheiten, Tod, Geburten finden keine Erwähnung. In die Zeit seiner
Aufzeichnungen fällt auch der Neu- bzw. Umbau seines Wohnhauses, damals wie
heute ein einschneidendes Ereignis. Brümmer erwähnt es nicht.
Diedrich Brümmers Tagebuch ist ein sehr ergiebiges
Zeitdokument und verdient es bei anderer Gelegenheit noch einmal ausführlicher
dargestellt zu werden.
Der Ziegelhof 1942 vom Hollerdeich aus fotografiert. Hier
ist noch die weiße, für Kehdinger Höfe typische Einzäunung des Hofplatzes zu
sehen.
Quelle: Archiv Petersen, Fotograf unbekannt
Ziegelhof 2010, Ansicht vom Hollerdeich. Foto: Petersen
Brümmers bewirtschafteten den Hof auch noch über die
Jahrhundertwende. Im Jahre 1909 erblickte Ilse Brümmer auf dem Ziegelhof als drittes
Mädchen das Licht der Welt. Sie hat für ihre Nachkommen einen lebendigen Bericht
über das Leben auf dem Ziegelhofes gegeben. Was diesen Bericht so interessant
macht ist die Tatsache, dass sich Vieles von dem, was sie berichtet, in den
Gebäuden abspielte, die heute noch vorhanden sind.
Sie beginnt mit der
Beschreibung der Raumnutzung. Im „Vorderend“ des Haupthauses befand sich die
Diele mit dem gestampften Lehmboden, auf dem im Winter das Getreide mit Dreschflegeln ausgedroschen wurde. Auf
der einen Dielenseite standen die großen Ochsen und gegenüber befanden sich die
Stuten mit den Fohlen. Im „Achterend“ befanden sich die Wohnräume, die große
Eingangsdiele mit den schwarz-weißen
Fliesen (die dort heute noch liegen) und die Küche. Von der Küche gab es einen
Gang zur „Leutestube“ und der dahinter liegenden „Kökschenkammer“. Wasser zum Waschen musste aus dem
Brunnen gepumpt werden. Für alle Leute
hing ein großes Handtuch in der Leutestube über einer Rolle.
Das nebenliegende Gebäude war die „Kruppscheune“. Sie hatte
ebenfalls eine Diele mit Lehmboden und Ställen für die Kühe auf der einen und
die Pferde auf der anderen Seite. Ein von Pferden angetriebenes Kammrad wurde
zum Häckseln und Buttern eingesetzt. Zum Buttern musste immer dasselbe Pferd,
die alte Lise, ran. Sie kannte den Vorgang so genau, dass sie am Geräusch im
Butterfass erkannte, dass die Butter fertig war. Dann blieb sie geduldig stehen
und wartete bis jemand kam. Über den Ställen befanden sich die Hillen und die
Diele war vom Heuboden überdacht.
Im kleinsten der drei giebelständigen Hofgebäude waren die
Kälber und das Jungvieh untergebracht. Auf dem Dachboden war Platz genug für
Torf.
Etwas abseits zum westlichen Hofrand hatte es zu Ilse
Brümmers Zeiten noch einen Wagenschuppen
mit angebautem Schafstall gegeben.
Besondere Aufmerksamkeit widmet sie dem Backhaus. Wegen der
Feuergefahr, die vom Funkenflug ausging, stand es so weit wie möglich von den
übrigen Gebäuden entfernt. Brümmer: „Als meine Mutter als junge Frau um die
Jahrhundertwende auf den Ziegelhof kam, wurde noch selbst gebacken.“ Die
Tagelöhnerfrauen mussten helfen und durften dafür ihr eigenes Brot mitbacken.
Was hier aus dem Backofen kam war recht vielfältig: Schwarzbrot aus Roggenmehl,
Mischbrot, Semmel, Butterkuchen, Zwieback und
Kaffeebrot.
Als Kind hat Ilse Brümmer das Backhaus nur noch als
Werkstatt, Obstlager, Waschküche und „Badezimmer“ erlebt. Dort gab es nämlich
eine Pumpe über einer Zisterne und das Badewasser konnte in den großen
Waschgrapen warm gemacht werden.
Von noch früheren Zeiten weiß Ilse Brümmer zu erzählen, dass
auch Bier auf dem Hof gebraut wurde. Aus eigenem Erleben kann sie noch von
täglichem Schnapsausschank an die
Arbeiter berichten. Das war früher auf
allen Höfen besonders während der Zeit des Kuhlens und Gräbenkleiens üblich.
In der großen Kornscheune wurde das Getreide gelagert bis es
im Herbst und Winter gedroschen wurde. Außerdem beherbergte die Kornscheune auch
noch einige Pferdeboxen. In der seitlichen Remise befanden sich zwei
Ausfahrwagen, ein Einspänner und ein Zweispänner. Am Pferdegeschirr des
Zweispänners befanden sich Silberbeschläge mit den Initialen von Richard
Brümmer.
Diese Aufnahme stammt vermutlich aus den Jahren 1914-1916.
Sie zeigt links die drei Brümmertöchter Erna, Herta und Ilse (die Kleine). Die
Frauen mit den weißen Schürzen gehören zum Personal. Das
Wohn-Wirtschaftsgebäude ist von der östlichen Hofgrenze aufgenommen.
Quelle: Hofarchiv Jens Nordlohne, Katharina Kohlmayr,
Fotograf unbekannt
Am Hof hing vor 100 Jahren außer der Bauernfamilie noch eine ganze Traube von mehr oder weniger abhängigen Personen. Der Oberknecht war unter dem Bauern die zweite unangefochtene Autorität gegenüber den Leuten. Ihm unterstanden der Zweitknecht, der Großjunge, ein Mitteljunge und ein 14-jähriger „Swienjunge“. Ein Tagelöhner wohnte in einem hofzugehörigen Haus vorne am Elbdeich. Seine Aufgabe war es, auf das Vieh im Außendeich zu achten. Der Oberknecht wohnte neben dem Hof in einem Haus, das ebenfalls zum Hof gehörte. Auf dem Hochmoor wohnten drei weitere Familien im eigenen Haus, das allerdings auf Grund und Boden stand, der zum Ziegelhof gehörte. Die „Moorleute“ verdingten sich immer, wenn auf dem Hof besondere Arbeiten anfielen wie das Dreschen mit der großen dampfgetriebenen Dreschmaschine oder das Grabenkleien. Als Pacht für den Grund , auf dem sie wohnten, brachten die Moorleute im Herbst Torf und Kartoffeln.
Insgesamt gehörten 100ha zum Hof und er erstreckte sich
einmal in einem schmalen Streifen vom Moor bis an den Elbdeich in Allwörden.
Remontenschau (hier in Hamelwörden) diente dem Heer zum
Einkauf von Pferden für die Kavallerie. Für die Pferdezüchter einer der
wichtigsten Termine im Jahr. Das Foto stammt aus der Zeit von 1933 – 1935.
Quelle: Archiv Petersen, Fotograf unbekannt
Ein besonderes Ereignis in Kehdingen war in jedem Frühjahr
der Remontenmarkt, wenn die Offiziere der kaiserlichen Armee und später die
Wehrmachtsoffiziere junge Pferde fürs Heer kauften. Pferde, die nicht
militärtauglich waren, wurden als Arbeitspferde auf dem Hof eingesetzt. Allein
sechs Pferde gingen beim Tiefpflügen vor dem Pflug und jeder Wagen wurde von
Pferden gezogen.
Ilse Brümmer beschreibt in ihren Aufzeichnungen ausführlich
die Arbeitsabläufe auf dem Hof zur Zeit ihrer Kindheit. Pferde, die nicht ans
Militär verkauft werden konnten, wurden Arbeitspferde. Allein zum Ziehen des
Einschaarpfluges wurden schon 6 Pferde benötigt. 12 – 16 Arbeitspferde auf
einem Kehdinger Hof waren in der Zeit vor den Traktoren keine Seltenheit.
Quelle: Archiv Petersen, Fotograf unbekannt
Von Ilse Brümmers Vater wechselte der Hof 1925 auf ihre Schwester Erna und deren Mann
Franz. Mit dem Generationswechsel hatte der Name Brümmer sich vom Ziegelhof
verabschiedet. Fortan trugen die beiden letzten Familien, die den Hof
bewirtschafteten, den Namen Elfers. Richard Elfers, der letzte Bauer auf dem
Ziegelhof, hatte wie schon zuvor sein Vater, unter den Folgen hoher
Erbteilsauszahlungen zu leiden. Hinzu kamen rasante Veränderungen in der
Landwirtschaft seit den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Sie stellten
völlig neue Anforderungen an die Landwirte.
Wirtschaftsformen, Maschinen, Personaleinsatz und auch die
Gebäudesubstanz mussten den Anforderungen
zeitgemäßer Bewirtschaftung angepasst werden. Zeitgleich entwickelte sich in
der Gesellschaft das zunehmende Bedürfnis nach Erhalt historischer Bauten. Ständig strengere
Vorgaben des Denkmalschutzes verhinderten eine Anpassung der denkmalgeschützten
alten Niedersachsenhöfe an die Bedürfnisse einer modernen Bewirtschaftung. Die
Folge war der Verfall vieler schöner alter Höfe, weil das Geld für die
aufwendige Unterhaltung und die teuren Versicherungen fehlte. Landwirte mit
denkmalgeschützter Bausubstanz hatten einen erheblichen Wettbewerbsnachteil und
konnten ihren Betrieb oftmals nicht mehr erfolgreich weiter bewirtschaften.
Franz (links) und Richard Elfers mit ihren Frauen Erna, geb. Brümmer (vorne sitzend) und
Christa (hinten rechts). Die Jungen sind Richard Elfers (vorne stehend) und
Georg, Söhne von Richard und Christa Elfers. Mit der Hofaufgabe endete 1983 die
Jahrhunderte währende bäuerliche Tradition des Ziegelhofes.
Quelle: Die Aufnahme entstammt dem Privatarchiv von Georg
Elfers und entstand 1957. Fotograf: Heuschmann, Freiburg
Als Georg Elfers als dritter Elfers vor der Frage stand, ob
er den Hof weiterführen solle, ergaben alle Wirtschaftlichkeitsüberprüfungen,
dass eine erfolgreiche Weiterführung des Betriebes aussichtslos sei.
Finanzielle Altlasten und notwendige Modernisierungen überschritten bei weitem
das Volumen dessen, was mit den am Hof verbliebenen Flächen zu erwirtschaften
wäre.
Familie Richard Elfers trennten sich 1983 schweren Herzens
vom traditionellen Familiensitz. Mit ihrem Abschied vom Ziegelhof endete auf
dieser historischen Siedlungsstätte eine Jahrhunderte währende bäuerliche
Tradition.
Wenn wir uns heute über die großen und wunderschön
erhaltenen Hofanlagen in Nordkehdingen freuen, dann ist das dem Umstand zu
verdanken, dass die Besitzer nicht gezwungen sind, allein vom Hof zu leben. Zur
Gruppe der Hofeigentümer, die sich beruflich umorientierten, kam die Gruppe der
„Stadtflüchter“. Fasziniert vom Reiz der
alten Hofanlagen und getrieben von dem Wunsch nach Ruhe und Natur haben sie mit
hohem Kraft- und Finanzaufwand die Herausforderungen ihres neuen Besitzes
angenommen.
Einer von ihnen ist der freie Filmemacher und Journalist Christian
Sterley, der den Ziegelhof 1983 von der
Familie Richard Elfers übernahm. Mit viel Liebe hat er den Ziegelhof in seinen
heutigen Zustand versetzt. Alle Gebäude und die umgebenden Flächen befinden
sich in einem gepflegten Zustand. Als Dokumentarfilmer setzte Sterley sich in
aller Welt großen Strapazen aus. Auf dem Ziegelhof in Oederquart hat er sich
seine Rückzugsoase geschaffen. Hier hat er sich die Kraft für neue Projekte
geholt. Wenn wir heute ehrfürchtig und fasziniert vor diesem Denkmal bäuerlicher
Wohn- und Wirtschaftskultur stehen, haben wir unsere Freude am Ziegelhof
Christian Sterley und seinen Helfern und Beratern zu verdanken.
Katharina Kohlmayr und ihr Mann Jens Nordlohne sind die
neuen Besitzer des Ziegelhofes. Hündin Callas sorgt dafür, dass niemand
unbemerkt auf den Hof kommt.
Foto: Petersen
Der letzte Abschnitt meiner Arbeit über den Ziegelhof soll
den aktuellen Besitzern Katharina Kohlmayr und Jens Nordlohne gewidmet sein.
Sie gehören der zweiten Generationder„Stadtflüchter“ an und haben den Hof
2009 in einem sofort bewohnbarenZustandübernommen. Für beide war es wie die Liebe auf den ersten Blick. Jens Nordlohne
ist gebürtiger Norddeutscher aus der Gegend von Lohne. Er ist also bestens
vertraut mit dem, was ihn hier in Norddeutschland erwartet. Katharina Kohlmayr
kommt aus den österreichischen Alpen. Sie hat sich schon häufiger anhören
müssen, warum sie denn ausgerechnet hier zu Hause sein wolle. Neben dem schönen
Anwesen hat sie sich in die weite der Landschaft, den großen Himmel und andere
norddeutsche Besonderheiten verguckt.
Inzwischen haben sie
nicht nur ihren Wohn- sondern auch ihren Firmensitz auf den Ziegelhof verlegt. Nordlohnes
haben im weiteren Sinne eine Unternehmensberatung. Das Unternehmen lässt sich
zu großen Teilen von Oederquart aus führen.
Katharina Kohlmayr und Jens Nordlohne sind immer noch dabei
„anzukommen“. Täglich entdecken sie Neues auf ihrem Hof. Sie sprechen mit
Zeitzeugen, die auf dem Hof gelebt und gearbeitet haben und stöbern mit großer
Freude in Quellen, die ihnen irgendetwas über die Geschichte ihres neuen
Zuhauses preisgeben. Als Besucher kann man sich der Begeisterung der neuen
Ziegelhofbesitzer nicht entziehen, man wird von der Freude der Gastgeber über
ihren neuen Besitz förmlich infiziert.
Katharina Kohlmayr und Jens Nordlohne wollen ihre Freude am
Ziegelhof gerne mit anderen Menschen teilen und stecken voller Ideen, wie der
Hof vielleicht noch genutzt werden könnte. Sie sind am Anfang ihrer Suche. „Was
wir auf jeden Fall anstreben“, meint Jens Nordlohne, „ist irgendeine Form der
Bewirtschaftung. Dieser Hof soll wieder leben über das reine Wohnen hinaus.“
Lieber Herr Petersen, um die Internetseite www.mittelschule.de mit weiteren Informationen über die schöne Schulzeit zu füllen kam ich in Kontakt mir Klaus Hartleff. Klaus überließ mir eine Kopie des Tagebuches (Abschrift) von Dietrich Brümmer. Zwar nicht zur Befüllung meiner Erinnerungen an Mittelschule Freiburg geeignet, aber dennoch spannend: Ihr Blogbeitrag ebenso!
AntwortenLöschendie schönste Zeit meiner Jugend verbrachte ich als Gast bei Familie Elfers. Es verband mich eine gute und innige Freundschaft zu Richard jr. und Georg Elfers. Werde diese schöne Zeit nie vergessen, so lange ich lebe.
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