Dienstag, 4. Februar 2014

Nelson Mandela Augusto Pinochet



Was Nelson Mandela, und Augusto Pinochet mit Freiburg/ Elbe verbindet

28. Dezember 2013
Es war zu der Zeit, als Nelson Mandela noch wegen seiner Forderung nach Aufhebung der Apartheit irgendwo in einem Südafrikanischen Gefängnis saß. Der Druck auf die weiße Regierung Südafrikas, endlich die unmenschliche Apartheit, d.h. die ungleiche Behandlung der weißen Bevölkerung auf der einen und sämtlicher Nichtweißer auf der anderen Seite, abzuschaffen, wuchs von Tag zu Tag. Viele Staaten verhängten mehr oder weniger rigorose Ein- und Ausfuhrbestimmungen. Mein Land, die Bundesrepublik Deutschland, sprach zwar gerne von dem Unrechtsystem im südlichen Afrika, forderte die Einhaltung der Menschenrechte mal mehr mal weniger laut ein. Zu einem durchschlagenden Handelsboykott konnte die Bundesrepublik sich nicht durchringen. Zu verlockend waren die Handelsgewinne für die Exportnation ohne eigene Rohstoffe.
Genau das war der Moment, in dem ich beschloss, maßgeblich in das Weltgeschehen einzugreifen.
Ich drehte ab sofort mit an der Schraube, die die Unrechtssysteme unserer Erde zu vollwertigen Mitgliedern der demokratischen Staatengemeinschaft mit garantierter Wahrung der Menschenrechte verwandeln sollte. Für mich bedeutete das, dass ab sofort keine Datteln aus Tunesien, kein Obst und Gemüse aus Chile und Südafrika, kein Erdöl aus den USA, Nigeria, Nordafrika, UdSSR, Venezuela  und keine Handfeuerwaffen aus Nordkorea in unseren Haushalt kamen. Am leichtesten fiel es mir, mich an mein selbst auferlegtes Handfeuerwaffenembargo zu halten. Bis dahin hatte ich keine Verwendung für sie und auch für Zukunft sah ich keinen Sinn darin, damit anzufangen. Beim Tanken habe ich nur zwei Mal gefragt, aus welchem Land das Rohöl für das getankte Benzin stammt. Ich hatte es beide Male mit weniger fachkundigem Personal zu tun. Da ich aber fahren wollte und musste, habe ich mir eingeredet, dass es bestimmt Treibstoff aus der heimischen Kohle oder der Nordsee sei.
Richtig Druck machte ich bei Obst und Gemüse. Das war auch nicht so schwer, galt doch schon seit einigen Jahren die Pflicht, das Herkunftsland der Ware auszuweisen. Wenn ich es eilig hatte, nahm ich zur Kenntnis, dass der Spargel im Januar aus Chile kam, lief aber weiter, weil ich im Januar ohnehin keinen Spargel will. Wenn meine Zeit es zuließ und auch genügend Publikum rundherum stand, veranstaltete ich durchaus schon einmal eine Mini Demo in der Gemüseabteilung bei EDEKA . Das sah dann so aus: Ich sehe den Chilenischen Spargel, warte bis ein paar Hausfrauen in der Nähe stehen, steure dann zielstrebig auf den Spargel zu, nehme dann ein Bund von dem Edelgemüse in die Hand und stelle überrascht mit einer nach leichtem Ekel und Verachtung klingenden Stimme fest: „Das ist ja Spargel aus Chile!“ Wenn sich dann alle Köpfe zu mir drehten, flog der Spargel  mit leichtem Bogen diesmal nicht über den Atlantik, sondern nur zurück in die Steige zu den anderen Spargelbunden. Als richtigen Erfolg wertete ich meine Mini Demo erst, wenn jemand fragte, was das denn solle und ich dann mitten in der Gemüseabteilung ins Gespräch kam über Pinochets Faschistenregime, das ich nicht durch Spargelkauf finanzieren wolle.
Dabei nahm ich billigend in Kauf, dass meine Gesprächspartnerinnen davon ausgehen mussten, dass in unserem Lehrerhaushalt der Verzehr von Spargel im Januar der Normalfall sei.
Einen herben Rückschlag erfuhr mein verschärfter Kampf gegen die Apartheit in Südafrika ausgerechnet in meinem Lieblingsgemüseladen Olga Bartels – Neuensteden. Hier gab es immer das frischeste Obst und Gemüse in ganz Freiburg – nein, in ganz Kehdingen. Und das, weil Walter Bartels, Ehemann der Geschäftsinhaberin, mehrmals in der Woche zum Gemüsegroßmarkt nach Hamburg zum Einkaufen fuhr.
Mit der Auszeichnung klappte es nicht immer so und, wenn das Herkunftsland nicht angezeigt war, musste man schon mal nachfragen und gelegentlich auch mit „ich glaube aus…“ – Antworten zufrieden sein.
Ich stand nun im kleinen Eckladen, die Gemüse- und Obstabteilung direkt vor der großen Schaufensterscheibe und mein Blick fiel auf wunderbar dunkelrote (eigentlich blaue; aber sie sagen immer alle „rote“) Trauben. Mental hatte ich sie schon gekauft.
Selbstbedienung war hier nicht erlaubt, Tast- Druck- oder Naschproben musste man heimlich vornehmen, wurde man erwischt, was mir trotz aller Vorsicht schon einige Male passiert ist, wurde man von Olga Bartels für alle im Laden befindlichen Personen deutlich hörbar, gehörig in die Schranken verwiesen. An diesem Tag hatte ich keine Gelegenheit gegen die hier geltende Ordnung zu verstoßen. Frau Bartels „Top Sellerin“ , Gerlinde Hoop, sah mein Interesse an den Trauben, erhob sich von dem kleinen Schemel an der Kasse und kam zu mir und dem Gemüse rüber.

„Ich hätte gerne von den blauen“, und zeigte auf die Trauben.
„Sie meinen die roten, Herr Petersen?“
Batsch! Das hatte gesessen. Dem Schulmeister doch schnell mal gezeigt, dass der richtige, auch sprachlich richtige, Umgang mit dem Obst eben gelernt sein will.
Einfach ignorieren und durch beschloss ich für mich!
„Ja, von denen.“
Dann dachte ich in letzter Sekunde an meine Kampfansage an die Schurkenstaaten jener Tage, suchte das Schildchen mit dem Herkunftsland, konnte es nicht finden. Inzwischen hatte Frau Hoop schon eine prächtige Traube in die Waagschale gelegt.
„Woher kommen die Weintrauben eigentlich?“
„Aus Südafrika.“
„Oh, dann kann ich sie leider nicht nehmen.“
Gerlinde Hoop starrte mich ratlos an, bis sie sich ein erstauntes „Wieso nicht?“ abrang.
Ich: „Wegen der Apartheit!“
„Ja und, was hat das mit meinen Weintrauben zu tun?“
„Na ja“, sagte ich „wegen der Schwarzen, die in Südafrika die Arbeit für einen Hungerlohn  machen müssen. Das will ich nicht unterstützen, das finde ich nicht gut. Sie wissen doch, was da abgeht in Südafrika, mit der Apartheit.“
Frau Hoop wusste in dem Moment gar nichts.
Während sie die Traube zurück legte  ging ein Schimmer des Verstehens über ihr Gesicht. Verschwörerisch beugte sie sich zu mir und flüsterte:
 „Kann ich verstehen, Herr Petersen, wenn die Schwarzen die Weintrauben bei der Ernte angefasst haben.“

Ich war sprachlos, was nicht so leicht passiert, und ratlos, wie ich diesem Satz entgegnen sollte. Heute weiß ich nicht mehr, ob ich so aus dem Laden gegangen bin oder, ob es noch ein Gespräch gab.
Eines weiß ich aber mit Sicherheit, mein Kampf gegen das Unrecht hat sich gelohnt: Nelson Mandela kam wenige Wochen nach meinem Traubenboykott frei, Südafrika schaffte die Apartheit ab und  im März 1990 habe ich auch noch das Pinochet Regime in Chile zu Fall gebracht.

 Unglaublich, was man mit ein paar Weintrauben und einigen nicht gekauften Spargelbunden erreichen kann!


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