Samstag, 21. März 2020

Oder sehe ich vielleicht zu schwarz?




Oh, oh, oh Herr Phillippsen, da haben Sie sich aber mal richtig Luft gemacht und nun komme ich noch mit meinen Anmerkungen!
Herr Philippsen, Sie müssen jetzt ganz, ganz stark sein! Sie fragen, ob sie denn zu schwarz sehen. Ich meine ja, meine sogar dunkelschwarz.
Lassen Sie mich erklären! Schon mal von selektiver Wahrnehmung gehört? Mir scheint, dass Sie ihr zum Opfer geworden sind. Selektive Wahrnehmung? Dass Sie nun auch noch ihren Keller oder Schuppen abschließen sollen, bestätigt doch endgültig, dass Sie ständig von subversiven, kriminellen Elementen umgeben sind, unter vagabundierenden Einbrechern leiden und, und, …
Nun mal wieder runterkommen und ganz ehrlich, werde ich auch gleich sein. Also ehrlich. Weil ja immer alles schlimmer wird, möchte ich Sie zu ihren ganz persönlichen Erfahrungen mit Kriminalität in den letzten 10 Jahren befragen. Ich höre zwischen den Zeilen, dass es vorher ja noch erträglicher war. Und nun zu meinen Fragen, aber wirklich ehrlich antworten! Versprochen?!

Wie oft wurden Sie seit dem 24.2.2010
  • ·         Von subversiven, kriminellen Elementen ausgeplündert?
  • ·         Von Einbrechern besucht?
  • ·         Von Banden besucht, die Ihr Auto mitgenommen haben?
  • ·         Mit dem Enkeltrick oder Ähnlichem hereingelegt?
  • ·         Im Park von Drogendealern angehauen?
Ach so, Herr Philippsen, bevor ich Ihnen von meiner ganz persönlichen Kriminalstatistik berichten werde, noch ein kleiner Tipp zu vorbeugenden Maßnahmen. Höre ich doch heraus, dass Sie kein Freund von Vorsichtsmaßnahmen sind.
Oh, oh, oh, lassen Sie das nicht ihre Versicherung lesen. Die wird sich sicher freuen, wenn bei Ihnen ein Schadensfall eintritt. Unverschlossene Türen werden von Ihrer Versicherung als Einladung an die von Ihnen beschriebenen subversiven Elemente gesehen. Man wird Ihnen wegen Ihres fahrlässigen Verhaltens nichts zahlen.
Herr Philippsen, ich mache mir ein wenig Sorgen, ob Sie sich der Risiken bei Ihrem sorglosen Verhalten bewusst sind? Seien Sie vorsichtig, Mann! Es gibt ja tatsächlich Menschen, die es mit dem Eigentum ihrer Mitmenschen nicht so genau nehmen wie Sie und ich. Gott sei Dank sind es aber nur wenige gemessen an der Gesamtbevölkerung und sie haben nach jüngsten Zahlen aus Niedersachsen auch noch abgenommen. Aber dahin komme ich gleich noch.
Also, bevor ich´s vergesse, vorbeugen! Machen Sie den fehlgeleiteten Elementen in unserer Gesellschaft keine Steilvorlagen. Sie sind doch Fußballfan, oder? Wenn nicht, sind Sie bibelfest? Und führe mich nicht in Versuchung heißt es im Gebet. Gemeint ist da der Herr. Für uns sollte gelten, schwächere Mitmenschen nicht unnötig in Versuchung zu führen. Da haben wir, also Sie, ich und all die vielen anderen Menschen, die einen sozialverträglichen Umgang mit ihren Mitmenschen pflegen, eine gewisse Verantwortung!
Und nicht vergessen, die Versicherung! Waren Sie überhaupt Opfer in den letzten 10 Jahren?
Also: Schuppen, abschließen, Keller verrammeln, Fahrrad nicht unverschlossen abstellen, Bogen machen um finstere Ecken, Geldbörse nicht auf den Pfosten des Gartentores legen oder im Einkaufswagen spazieren fahren, Auto ruhig abschließen, keine Wertsachen offen liegen lassen, schließen Sie Fenster und Türen, wenn Sie das Haus verlassen. Und noch ein Tipp, nehmen Sie Ihr Passwort aus der Geldbörse mit ihrer Kreditkarte. Und bloß keine Passwörter im Internet weitergeben! Da gibt es nämlich auch noch Banditen in Ghana, Moskau und wer weiß wo, die unheimlich tricky sind, um an Ihr Geld zu kommen.
Also unsere Polizei (Staat) ist nicht ganz so untätig, wie Sie glauben. Komme ich noch hin. Aber nicht ohne Grund mahnt sie immer wieder, potentiellen Straftätern keine Einladungen auszusprechen. Ich und viele Menschen sind vorsichtig und das wirkt sich in den Statistiken aus. Kommen wir noch zu!
Nun erst einmal zu mir. Habe ja versprochen, dass ich auch ehrlich sein will. Meine Statistik sieht nicht schlecht aus. Trotz Reisen z.T. auch in Regionen, die man lieber meiden sollte, bin ich noch nicht beklaut worden. Stimmt nicht ganz. Vor wenigen Tagen hat mir mein Freund Hans Henning während ich leere Gläser und Flaschen einsammelte, mein Portmonee aus der Gesäßtasche gezogen, ohne dass ich es bemerkte. Er wollte mir demonstrieren, dass ich es den Banditen zu leicht machen würde. Recht hat er. Normalerweise steckt mein Portmonee nie in der Gesäßtasche, wenn ich mich in größeren Menschenansammlungen befinde. Hans Henning ich danke dir für diese kleine Lehrstunde!
Bei mir ist auch noch nicht eingebrochen worden, toi, toi, toi! Ich schließe immer alle Fenster und Türen und erwecke nicht unnötig den Eindruck, als gebe es etwas bei mir zu holen. Die Fenster sind mit Schlössern versehen. Hat bisher funktioniert. Ich weiß, dass das keine Garantie gibt aber ich bin vorsichtig. Nicht anders verhalte ich mich mit dem Schuppen, Keller und Auto. Es hat auch noch kein Enkel versucht, mich um mein Erspartes zu bringen, ich bin noch nicht beim Spaziergang überfallen worden und die Dealer, also die Dealer von denen Sie sich belästigt fühlen, sind hier bei mir in meinem Dorf unsichtbar. Aber selbst, wenn ich in Kreuzberg oder Neukölln in den Grünanlagen unterwegs bin, werde ich nicht belästigt. Irgendwie erkennen die armen Schweine, die dealen (müssen), dass ich nicht zu ihrem typischen Kundenkreis zähle. Auto geklaut? Fehlanzeige! Vielleicht ist es nicht das richtige Modell, zu alt oder immer am richtigen Platz abgestellt. Und, halten Sie sich fest, ich bin 14 Tage mit dem Auto durch Polen gereist. Nix passiert! Kein Aufbruch und mit dem eigenen Auto wieder nach Hause gekommen!
Noch ein Wort zu den Ausländern, haben Sie ja gar nicht so direkt angesprochen. Wir hier begegnen unseren Neubürgern überwiegend sehr freundlich und in der Regel kommt die Freundlichkeit von ihnen zurück. Da gibt es einige stille in sich gewandte Menschen, die die Traumata von Krieg und Flucht und wahrscheinlich abgrundtiefes Heimweh verarbeiten müssen. Sie bereiten mir keine Angst. Sie machen mich eher traurig.
Also Kriminalität hier bei uns? Es gibt alle paar Jahre mal einen Betrugsfall. Überfälle? Sind mir nicht bekannt. Autodiebstähle? Unerheblich! Andere Diebstähle? Nichts Besonderes. Ladendiebstähle? Immer mal wieder aber nicht das große Problem.
Vielleicht ist das bei Ihnen ja alles anders. Ich habe von Ihnen ja noch keine Antwort auf meine oben gestellten Fragen.
Oder Sie nehmen vielleicht selektiv wahr. Und das könnte mit einer selektiven Berichterstattung zusammenhängen.
Ja so ist es wahrscheinlich! Unsere Medien überschütten uns mit Horrormeldungen über Naturkatastrophen, Kriege, Gewaltverbrechen, etc. . Man muss schon sehr aufmerksam sein, dass man dieser gewollten oder unbeabsichtigten Manipulation nicht auf den Leim geht. Ich erwarte ja nicht, dass das Tageblatt berichtet, dass nach dieser Urlaubssaison wieder mehrere Millionen Deutsche im eigenen Auto aus dem Urlaub (sogar aus Polen) zurückgekehrt sind. Es würde uns aber allen besser gehen, wenn wir das Gute im Menschen und Miteinander höherrangig behandeln täten, wenn Alternativen zu Gewalt, Krieg, Umweltzerstörung, Verstöße gegen die Menschenrechte, unmenschlichen Wohn- und Arbeitsbedingungen etc. im Vordergrund der Berichterstattung stehen würden.
Da tut es doch gut, wenn im Tageblatt die Kriminalitätsstatistik des Landes Niedersachsen und des Landkreises Stade veröffentlicht werden.*


Aber, Herr Philippsen, kommt die Botschaft dieser Nachrichten bei Ihnen an? Wollen Sie wirklich wahrhaben, dass die Kriminalität im Wesentlichen nicht gestiegen – in vielen Bereichen sogar gesunken ist?  
Ist das so, dann sind Sie ein Opfer selektiver Wahrnehmung geworden.

Sie fragen, wie lange unsere Gesellschaft die von Ihnen so drastisch geschilderten Verhältnisse noch aushalte?
Ich frage mich, wie lange hält unsere Gesellschaft die vereinfachende und verfälschende Interpretation von Fakten aus? Menschen, die sich in permanente Weltuntergangsstimmung versetzen lassen, sich unnötig im Dauerangstzustand befinden, machen sich zur leichten Beute der Heilsprediger, die nicht einlösbare Versprechen machen. Das sind unverantwortliche Menschen, die die Werte unserer Gesellschaft wie Rechtstaatlichkeit, Menschenrechte, Demokratie, Toleranz, Meinungs- und Pressefreiheit, - kurz die im Grundgesetz verankerten wunderbaren Grundrechte Artikel 1-19 für ihre Machtinteressen hemmungslos opfern würden. Diesem Grundgesetz und den ihm zugrundeliegenden Werten haben wir es zu verdanken, dass Deutschland sich nach zwei überwundenen Unrechtssystemen in zuvor nie gekanntem Wohlstand, Frieden und zuvor nie gekannter Freiheit entwickeln konnte. Übrigens verdanken wir der im Grundgesetz verankerten Meinungsfreiheit auch, dass wir Leserbriefe veröffentlichen, selbst wenn sie nicht unbedingt der Meinung der Herrschenden entsprechen.
Also mal ehrlich, Herr Philippson, Sie gehören doch nicht zu denen, die sich mit Rattenfängermethoden einlullen lassen?  
Ich atme tief durch, Herr Philippsen, und wünsche mir, dass Sie nun hinaus gehen, Ihren Schuppen abschließen, zum Sternenhimmel schauen und zu der Erkenntnis gekommen sind, dass doch nicht alles so schlimm ist, wie Sie noch dachten, als der Schuppen noch unverschlossen auf die vagabundierenden Horden wartete, um sich ausplündern zu lassen.

So, Herr Philippson, das hört sich alles so an, als wären Sie der alleinige Adressat. Stimmt und auch nicht! Ich möchte nicht wissen, wie viele Leser*innen Ihres Briefes zustimmend genickt haben. Sollten die mal meine Geschichte lesen, hoffe ich, dass sie nachdenklich werden und das hier Gelesene zustimmend abnicken.

*) Zwei Tage nach der Presseinformation aus dem Innenministerium wurde im Tageblatt ein Artikel über die Kriminalitätsentwicklung im Landkreis Stade veröffentlicht. In der Tendenz entspricht sie dem Niedersachsentrend bei leichten Abweichungen nach oben und nach unten. Man findet ihn im Tageblatt Online Archiv unter dem 15.03.2020. Hier möchte ich nur die Überschrift abdrucken.
Landkreis Stade ist laut Polizei sicher

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