Sonntag, 23. März 2014

Inge Deutschkron






Freiburg an der Elbe
08. Januar 2014


Jörg Petersen
Eschenhof 11
21729 Freiburg/Elbe


Liebe Frau Deutschkron,
am Montag habe ich die ARD Dokumentation „Ein blinder Held- die Liebe des Otto Weidt“ gesehen.  Eigentlich war ich schon viel zu müde zum Schauen. Bereits nach wenigen Szenen des Filmes war dann jegliche Müdigkeit verflogen.

Der Film hat mich völlig unabhängig davon, wie gut die von Ihnen miterlebte Geschichte filmisch umgesetzt worden ist, sehr berührt. Das menschenverachtende Verhalten meiner Vorfahren hat mich wieder einmal bis zu ohnmächtiger und beklemmender Atemnot gebracht.
Ich bin 1950 geboren. Wut, Trauer und Scham waren meine Empfindungen während der Filmbetrachtung. Ein Hoffnungsschimmer auch für zukünftige Zeiten: Selbst in den finstersten Zeiten unserer jüngsten Geschichte hat es Menschen, wie Otto Weidt, gegeben, die keine Scheu hatten, sich ohne Rücksicht auf mögliche Konsequenzen für das eigene Leben, die eigene Sicherheit  gegen das menschenverachtende Regime zu stellen. Otto Weidt hat in seinem Bemühen, Menschen vor dem absehbaren Tod durch das Mördersystem zu bewahren, ein musterhaftes Beispiel für Zivilcourage gegeben.

Als Lehrer, und die letzten 12 Berufsjahre als verantwortlicher Schulleiter, einer Schule bis zum 10. Jahrgang war es mir immer ein zentrales Anliegen, Kinder zu Demokratie, Gewaltfreiheit und Toleranz zu erziehen. Besonders  im Geschichtsunterricht habe ich immer wieder versucht eine Betroffenheit zu erzeugen über den Umweg von Einzelschicksalen, in die sich die jungen Menschen leichter hinein denken können, als in eine historische Abhandlung in den Lehrbüchern.
Diese Dokumentation hätte ich gerne zur Hilfe gehabt. Ich kann mir vorstellen, dass es durch die Betrachtung und Nachbereitung dieses Filmes bestimmt gut gelingt, Jugendlichen einen leichteren Zugang zu den unfassbaren Realitäten zu ermöglichen.

Mich hat der Film dazu gebracht, Ihren Namen bei Google einzugeben. Bei der Recherche stoße ich auf die  Inge Deutschkron Stiftung und lese mich fest. Ich werde der Stiftung gleich einen kleinen Betrag überweisen. Leider nur klein, weil ich zurzeit sehr in der Erhaltung eines örtlichen Baudenkmals engagiert bin. Später wird es vielleicht einmal mehr.

Vor zwei Stunden telefoniere ich mit meiner wunderbaren Tochter, die in Berlin an einer Schule unterrichtet. Ich erzähle ihr von dem Film, den sie nicht kannte, und sagte im Nebensatz, dass ich Ihnen am liebsten einen Brief schreiben würde.
 Darauf sagte sie: „Mach´ es doch!“

Ich möchte Ihnen meine Anerkennung aussprechen, für Ihren unermüdlichen Einsatz  gegen Gewalt und Intoleranz, Ihren Beitrag zur Aufarbeitung unserer Geschichte.  Ich bin voller Anerkennung für Ihren Mut, in das Land zurückzukehren, dem Sie außer einer vielleicht glücklichen Kindheit nichts Gutes zu verdanken haben. Ich möchte Ihnen für das große Vertrauen in die Nachfahren Ihrer Peiniger danken. Reichte es doch so weit, wieder in dieses Land zu gehen, um hier zu leben und aktiv an der Gestaltung einer Gesellschaft mitzuwirken, in der die  Menschenrechte nicht nur in der Verfassung festgeschrieben sind, sondern in der sie auch im ganzen Umfang gelebt und umgesetzt werden.

Liebe Frau Deutschkron, ich hoffe, dass der Brief auf diesem Wege zu Ihnen gelangt.  Ihnen wünsche ich noch Kraft für alle Aufgaben, die sich noch vorgenommen haben. Und nun benutze ich eine Wortwahl, die sonst keine Verwendung bei mir findet. Hier passt es eben!!

Hochachtungsvoll
 Jörg Petersen



 


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