Montag, 19. November 2018

Für Herbert und Herwart


Ich kenne den Trompeter nun schon einige Jahre. Also, so richtig gut kenne ich ihn eigentlich auch nicht. Auf jeden Fall kenne ich ihn besser als er mich.
Oder vielleicht doch nicht?
 Er, der große Meister aus Dresden, besitzt das Reetdach Haus neben der Ferienwohnung, die wir uns alljährlich im Sommer mieten. Die Wohnung liegt im ersten Stock und, ob wir wollen oder nicht, wir blicken schon beim Frühstück auf sein Grundstück und auf ihn, den großen Freund der Freikörperkultur.
Anfangs glaubte ich ja noch, dass er nicht merken würde, dass wir ihn sehen können. Über die Jahre, wir waren schon „die Stader“ für ihn und begrüßten uns zu Urlaubsbeginn wie uralte Bekannte, versuchte er nicht mehr über schwer einsichtige Pfade durch seinen Garten zu pirschen. Völlig entblößt mit schon leicht exhibitionistischer Tendenz, suchte er förmlich den Kontakt, einen kurzen Wortwechsel mit uns, den Feriengästen von nebenan.
Vorletzten Sommer war er auch wieder zeitgleich mit uns in seinem Ferienhaus nur schien er der Freikörperkultur abgeschworen zu haben. Erst später und endgültig in diesem Supersommer wurde deutlich, dass er seinem Körper nur eine kleine Pause gegönnt hatte: Es war im vorigen Sommer wohl einfach zu kalt, regnerisch und stürmisch.
Ja, dann aber in diesem Sommer war er wieder ganz der Alte. Nur wenn er zum Einkaufen oder zu einem seiner Konzerte aufbrach und an dem Tag, als wir ihn so richtig kennenlernten, fast schon Freunde wurden, war er bekleidet. Wir saßen im Garten bei unseren Vermietern als der große Meister an der Trompete zum Nachbarschaftsbesuch kam und sich zu uns an den Tisch setzte. Für einen Bruchteil einer Sekunde schloss ich die Augen und sah den großen Star mir gegenüber mit gekreuzten Beinen und splitterfasernackt. Es wollte sich gerade ein Grinsen über mein Gesicht ausbreiten als mich die Stimme des Weltmusikers wieder in die Wirklichkeit zurückholte.
„Wir haben uns doch dieses Jahr schon irgendwo an der Elbe gesehen. Wo war dat denn noch? Otterndorf?“
„Ja, das war in Otterndorf. Ich war mit einem befreundeten Ehepaar in ihrem Konzert.“
„Hat´s denn wenigsten gefallen?“
„Auf jeden Fall, es war ein schönes Erlebnis und besonders mein Freund Herbert, der einige Platten von ihnen besitzt und auch schon mehrere ihrer Konzerte miterlebt hat, schwärmte von dem Konzert in der Otterndorfer Kirche.“
„Wenn se wollen, können se nächste Woche in die Schifferkirche von Wustrow kommen. Ich gebe da ein Benefizkonzert zum Erhalt der Kirche. Ich gebe ihnen zwei Karten. Hab´immer ein Kontingent frei. Dann kriegen sie auch reservierte Plätze mit Blick zur Orgel.“
Wir nahmen das Angebot dankend an und warteten am kommenden Dienstag in der vollbesetzten Kirche gespannt auf den Konzertbeginn. Plötzlich ging ein Raunen durch die Reihen. Der große Meister mit dem schlechtsitzenden schwarzen Anzug und dickknotiger dunkler Krawatte schlurfte mehr als er ging mit seiner Trompete unterm Arm quer durch die Kirche hin zur Treppe, über die man zur Empore vor der Orgel gelangt. Seine Frisur erinnerte ein wenig an den alternden Einstein: grau, lang, wild.
Das Konzert war grandios gut. Zwei Trompeten und eine Orgel, die schon durch frühere Benefizkonzerte wieder zu schönem, vollem Klang gefunden hatte. Der große Ludwig aus Dresden machte seine Späße von der Empore und stöhnte wegen der unerträglichen Hitze selbst hier in der Kirche. Seit Wochen schon überschritt das Thermometer fast täglich die 30° Marke.
Güttler, ja, der große Güttler aus Dresden, der sich so unermüdlich und erfolgreich für den Wiederaufbau der Frauenkirche eingesetzt hatte, bat nach seinem ersten Trompetensolo sein Publikum um Nachsicht und zog sich die Krawatte über den Kopf, wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn und öffnete den Kragenknopf.
Es folgte ein Stück für Trompete und Orgel. Die Hitze setzte dem Meister bös zu. Er zog sich die Anzugjacke aus.
„Er wird doch nicht“, dachte ich, schloss die Augen und sah vor mir auf der Empore …
Ja, was sah ich denn wohl?

Die Musik setzte wieder ein und riss mich aus meinem Tagtraum. Noch darüber schmunzelnd, dass mein Urlaubsnachbar, der Güttler Ludwig, dem ich diese Karten zu verdanken hatte, nackt in der Wustrower Kirche ein Benefizkonzert gibt, sah ich, dass er nicht (oder nicht mehr) nackt war.

Das Konzert ging unspektakulär zuende. Ludwig Güttler lud zur Programmstunde.
 Ich mache mir eigentlich nichts aus Autogrammen.
Ich habe schon den Papst, Rudi Dutschke, den russischen Botschafter und Frau Blaschke, die aus dem Schmidt´s Theater auf der Reeperbahn, getroffen und von allen holte ich mir kein Autogramm. Mit Ludwig Güttler aus dem Elbvenedig Dresden sollte diese lange und glückliche Zeit ohne Autogrammabhängigkeit ein Ende finden.
Ich reihte mich also in die Schlange der Autogrammjäger ein, suchte mir zwei CD´s aus dem Köfferchen und hielt sie dem Meister zum Unterschreiben hin. Trotz der kaum erträglichen Hitze war sein Körper noch komplett bedeckt. Lediglich zwei weitere Hemdenknöpfe waren geöffnet und ließen den Blick auf die gebräunte Brust des Freikörperfreundes frei. Er blickte zu mir auf als die Reihe an mir war und sofort ging ein Erkennen über sein Gesicht.
„Ah, der Nachbar aus Stade. Gut, dass se Musik gekauft haben, gut für mich.“
Während er noch über seinen eigenen Witz lachte, fragte er mich, was er denn auf die CD´s schreiben solle.
„Auf die eine nur Ludwig Güttler, Wustrow und Datum.“
„Fertig! Und was kommt auf die andere?“
„Für meinen Freund Herbert.“
„So wie man´t spricht?“
„Ja, genau so.“
„Also schreib ich das jetzt so, in Ordnung?“
„Ja, ist schon gut.“
Ich sah ohne Brille etwas unscharf, wie er sich auf meiner CD „für Herbert“ verewigte.
Zufrieden verließ ich die Schifferkirche zu Wustrow. In der Tasche hatte ich mein erstes Autogramm. Ein Autogramm von einem leicht exhibitionistischen Trompeter der Spitzenklasse. „Für Herbert“ stand über Ludwig Güttlers Namenszug. Ich gehörte jetzt zu den Autogrammjägern. Das erste hatte ich jedenfalls.
Zumindest bis zu Herberts Geburtstag, dann nämlich sollte er die CD bekommen, mein Freund Herbert, mit dem Schriftzug „Für meinen Freund Herbert“.
„Das hat aber ganz schön gedauert.“
„Ja, aber dafür habe ich nun eine CD für Herbert mit einem Autogramm von Güttler höchstpersönlich.“
„Zeig mal her.“
Ich reiche Ulla die CD. Sie guckt ein wenig zu lang auf das Autogramm.
„Und warum steht da `Für meinen Freund Herwart´?“

Ja, so ergeht es einem eben, wenn zwei Menschen mit alten Ohren und alten Augen miteinander kommunizieren. Was soll`s, mein Freund Herbert wird sich trotzdem über die Musik freuen. Und, so ganz jung ist er ja auch nicht mehr.  Vielleicht sieht er´s nicht und wenn doch, hat er immer ein passendes Geschenk für unseren gemeinsamen Bekannten Herwart.

Schlüsselerlebnisse


Der Metronom auf dem Weg vom Hauptbahnhof nach Cuxhaven steht schon mehr als 10 Minuten auf Gleis 6 im Bahnhof Harburg. Ich sitze an einem Vierertisch, neben mir steht meine Tasche und schräg gegenüber am Fenster schläft ein junger Mann mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze. Ein Pfiff kündigt die Weiterfahrt an. Ein Mann im besten Alter schafft es gerade noch in den Wagen. Noch ganz außer Atem lässt er sich auf den freien Platz mir gegenüber fallen. Ich lese in meinem Taschenbuch und merke erst beim zweiten Versuch meines Gegenübers, dass er mit mir spricht.
„Ist das Ihr Schlüssel? Vergessen Sie ihn nicht, wenn Sie aussteigen.“
Ich bin zwar gemeint habe jedoch nicht die geringste Ahnung, was er mit der Frage meint.
„Da, der Schlüssel da vor Ihnen, wohl ein Fahrradschlüssel.“



Und dann entdecke ich ihn auch. Er liegt ganz unscheinbar in der kleinen Mulde, die einen Getränkebehälter am Rutschen hindern soll.
„Nein, mein Schlüssel ist das nicht.“
Ich wende mich wieder meinem Buch zu und der inzwischen zur Ruhe gekommene Mann mir gegenüber verfällt in den typischen Pendlerschlaf. Erstaunlich, dass Berufspendler immer kurz vor ihrem Ausstiegsbahnhof aufwachen. In Buxtehude ist die gemeinsame Fahrt für ihn zuende. Mit einem knappen „Tschüß!“ endet unsere kurze Bekanntschaft, wir werden uns wohl nie wiedersehen.
Der junge Mann am Fenster schiebt kurz seine Kapuze zurück und schließt dann wieder seine Augen. Das war nicht sein Bahnhof.
Ab Buxtehude sitzt mir eine Frau gegenüber, vielleicht eine Verkäuferin. Sie mustert aufmerksam ihre Umgebung. Einmal begegnen sich unsere Blicke.
„Das Buch, das Sie da gerade lesen, gefällt es Ihnen?“
Ich bin etwas überrascht.
„Na, das Buch von dem Evers. Ist doch Klasse?!“
„Ja, es liest sich sehr schön.“
„Vergessen Sie nicht Ihren Schlüssel, wenn Sie aussteigen“, meint sie mit einem leichten Kopfnicken zum Schlüssel, der unter dem Buch sichtbar wurde.
„Dann stehen Sie an Ihrem Fahrrad, suchen noch den Schlüssel, dabei fährt der längst weiter nach Cuxhaven.“
Durchsage: „Nächster Halt Horneburg.“
Der Kapuzenmann quält sich an den Knien der Frau vorbei.
„Ist das Ihr Schlüssel?“ frage ich den Schlüssel in seine Richtung haltend.
Er guckt durch mich hindurch und wendet sich wortlos in Richtung Ausgang.
„Hatte der was?“ fragt mich die Frau. „Der hat ja nuscht nicht gesagt. Ausländer vielleicht?“
Dann erzählt sie mir noch, wie sie einmal ihren Fahrradschlüssel an der Ostsee im Sand verloren hatte. Über 5 Kilometer musste sie laufen, um das passende Werkzeug zum Knacken des Schlosses zu holen. Sie beschreibt mir den Weg durch den Wald so genau, dass ich immer mehr das Gefühl bekomme, den Weg zu kennen. Bei Kilometer drei ihres Berichtes endet ihre Abenteuergeschichte abrupt.
„Stade? Oh, wir sind gleich in Stade. Hätte ich fast vergessen. Sie fahren noch weiter?“
„Ja, ich muss noch bis Hemmoor.“
„Ja dann, schönen Tag noch.“

Zwei Mädchen setzen sich auf die freien Plätze an meinem Tisch. Noch nicht ganz in Hammah und ich habe ein ungefähres Bild von Nadine, einer Klassenkameradin der beiden. Wenn nur die Hälfte stimmt von dem, was ich aufschnappe, dann klaut sie, belügt ihre Eltern, ist fast jedes Wochenende betrunken, fängt mit fast jedem Jungen der Schule etwas an und postet fiese Dinge auf Facebook, „die alte Schlampe“.

Zwischen Himmelpforten und Hechthausen lerne ich Nadine kennen. Die beiden mir gegenüber haben sie am Wagenende gesehen.
„Nadine, Nadine, hier sind wir. Kann sie da sitzen?“ Das Mädchen zeigt auf den Platz neben mir.
„Ja klar!“
Ich nehme meine Tasche und stelle sie in den Gang.
Nadine setzt sich neben mich auf den Fensterplatz und ist sofort mit den beiden im regen Austausch. Dieses nette Mädchen sollte doch gerade noch so „Megascheiße“ sein. Davon merke ich nichts.
„Nächster Halt  Hemm-moor!“
Ich verstaue mein Buch, greife meine Tasche und will gehen, da spüre ich, dass etwas an meiner Jacke zieht. Nadine! Was ist das denn nun?
„Sie haben Ihren Schlüssel vergessen.“
Was klingt sie nett und dieses natürliche Lächeln.
Ich mache eine halbe Drehung zum Tisch und stecke den Schlüssel in die Jackentasche.
„Danke! Das wäre beinahe schiefgegangen.“

Seitdem reist der Schlüssel mit mir wann immer ich allein nach Hamburg fahre. Im Metronom wähle ich stets einen Platz am Tisch. Den Schlüssel deponiere ich meist in der Bechermulde und warte geduldig darauf, von Mitreisenden angesprochen zu werden. Lesestoff nehme ich nur mit, um die Zeit bis zum ersten Gespräch zu überbrücken. Langeweile während der Bahnfahrt nach Hamburg gibt es nicht mehr. Manchmal helfe ich etwas nach, wenn meine Mitreisenden nicht von sich aus fragen, ob das mein Schlüssel sei. Dann nehme ich den Schlüssel scheinheilig in die Hand und Frage:
„Ist das vielleicht Ihr Schlüssel?“
Eines Tages, wenn ich genügend Begegnungen dank meines Schlüssels habe, werde ich vielleicht einmal eine Geschichte darüber schreiben.

Nachtrag 1:
Ich komme in die Küche und sehe auf dem Tisch meinen Schlüssel liegen.
„Ach so“, sagt meine Frau, „den habe ich in deiner Hosentasche gefunden. Ist das dein Schlüssel?“
„Ja.“
„Dann steck ihn bitte ein.“

Nachtrag 2:
Nur wenige Tage später verstaue ich die Fahrräder auf dem Autofahrradträger. Weil sie eine Nacht in Berlin auf dem Träger zubringen müssen, sichere ich sie mit zwei zusätzlichen einfachen Ringschlössern. Am ersten Schloss befindet sich ein Schlüssel. Nach dem Schlüssel für das zweite Schloss suche ich gewohnheitsgemäß in meiner Hosentasche. Ich finde ihn unter meinem Schlüsselbund und schließe unsere Fahrräder zusammen. Gerade will ich den Schlüssel ins Seitenfach der Fahrertür packen, da mache ich eine erstaunliche Entdeckung.
??

Donnerstag, 8. November 2018

Das tut man aber nicht


„Und du besorgst Sonnenblumen. Einen schönen großen Strauß. Der soll auf der Bühne stehen und muss ordentlich zur Geltung kommen.“
Ein bisschen klang es so, als wollten sie mich los sein.
„Hinterm Sommerdeich da wachsen welche am Feldrand.“
„Und die kann man da einfach so abschneiden?“
„Stell dich nicht so an, da sind so viele. Die Bienen merken das doch gar nicht, wenn da ein paar weniger sind.“

Ich habe mir dann ein scharfes Messer geholt und bin los in den ehemaligen Außendeich. Nach der Beschreibung musste ich einen Weg nehmen, der nur für Landwirtschaft freigegeben war. Gerne mach ich das nicht. Polizei ist hier draußen allerdings noch seltener als die Trauerseeschwalbe – und die, die gibt es hier so gut wie gar nicht.
Ist ja für einen guten Zweck.
Es war schön im Außendeich, reichlich Sonne und ein schöner Wolkenhimmel dazu – nur Sonnenblumen fand ich nicht, wo sie nach der Beschreibung hätten sein sollen.
Was tun? In Hamelwörden am Köckweg hatte ich Sonnenblumenstreifen am Feldrand gesehen. Auf dem Weg dahin hatte ich dann eben noch bei Gundi und Klaus reingeschaut, liegt ja auf dem Weg.

Die Sonnenblumen entlang des Köckweges standen in vollster Blüte. Ich stellte das Auto in einer Ausweichstelle ab und begab mich in das gelbe Blütenmeer.
Gar nicht so einfach, wenn man sich bei so einem Angebot entscheiden muss. Eigentlich hätte ich rund um mich zu schneiden können. Da hatte ich allerdings nicht die Rechnung mit dem Jäger in mir gemacht.
Vielleicht gab es ja doch noch schönere Blütenstiele weiter drin im Blühstreifen.

Aus der Ferne hörte ich eine Stimme. Ein älteres Paar näherte sich auf Fahrrädern. Das erste, was ich verstehen konnte war:
„Ick hebb di dat ja schon secht. Dor is een in´ne Sünnblooms vun Gundi und Klaus. Klaut sick de Bloomen, Erwin.“
Dann hielten sie auf meiner Höhe kaum 10 Meter von mir entfernt.
„Hallo, Sie wissen aber, dass das nicht geht?“ rief die Frau rüber.
„Wie? Was nicht geht? Ich habe eine gutes Messer dabei. Doch, das geht schon ganz gut“, antwortete ich der silberhaarigen Radlerin.
Halblaut aber gerade noch verständlich sprach sie zu Erwin:
„Is de dusselig, ick meen doch nich dat Afsnieden.“
Und dann wieder lauter an mich gerichtet:
„Sie können doch nicht einfach hier Sonnenblumen abschneiden.“
„Warum nicht, sind doch genug hier. Ob da nun ein paar fehlen.“
„Erwin, hest dat heueert? De is nich nur dösig, de is ook noch utverschoomt. Schriew di mol de Autonummer op.
Aber junger Mann (da war ich 64) die Blumen gehören doch jemanden zu. Mögen Sie das denn, wenn bei Ihnen jemand die Blumen im Vorgarten pflückt?“
„Nein, das geht natürlich nicht. Sind ja auch viel weniger als hier.“
„Nu heueert sick oober alln´s op. Secht Se mool, also, Sie sind doch der Lehrer aus Freiburg? Jo, Se sünd de Peiters ut Freiborch. Schoomt Se sick gor nich? 
Erwin, brukst dat Kennteeken nich noteern.
Wir wissen ja nun, wer sich hier bedient, Herr Peeterrrsen. Sie wissen aber, dass Sie Vorbild sein sollten?“
„Ja“, antworte ich, „ich versuche es auch möglichst immer zu sein.“
„Oober Bloomen klaun is doch allns annert as Vörbild. Ick bitt Se!
Das tut man nicht!
Erwin, wat sechst du dor tau?“
Erwin secht nix!
„Ich klau doch nicht. Ich schneide mir nur einen Strauß Sonnenblumen und trampel auch nichts kaputt.“
„Errwien, hör sick dat een an! De Schoolmester klaut nich, hei snied sick bloots ´n poor Sünnbloom. Also, junger Mann, wenn dat keen klaun is, dann sünd wi ook nich mit´n Rad ünnerwegens. Ick bün enttäuscht vun Se, Herr Petersen.“
„Nun mal nicht so fix, gute Frau. So´n schlechten Kirl bün ick nu ook nich. Also taumindst wat dat Klaun angeiht.“
Unbemerkt bin ich in ihre Sprache geraten. Das hat sie vielleicht ermuntert, zum entscheidenden Schlag.
„Dat sleit dat Fat doch den Böön ut! Erwin, hest dat heueert? Sech nix, Erwin. Wi föhrt furts no Klaus und Gundi Wist hin“, und zu mir gewandt „dat sünd nämlich Wistns Bloomen. Lehrer hin, Lehrer her, ji mööt ook weeten  wo man sick tau beneehm het.“
„Schöne Grüße an Klaus und Gundi vom Schulmeister aus Freiburg.“
„Hest dat heueert Erwin? Noch het hei de Nees ganz scheun no booben. Dat ward anners, wenn hei de Bloomen trüchbringen mööt. Wi föhrt, Erwin.“
„Ach so, wat ick noch seggen wull, Gundi het mi heuchstpersönlik de Erlaubnis geven, dat ick mi hier ´n grooten Struß Sünnbloom förn Spieker in Freiborch holen dröff.“

Sie stieg wieder vom Rad.
„Harrn Se dat nich glieks seggen kunnt?“
„Ick wull dat woll, ober Se geev mi jo keen Chance mit all ehre Verdächtigungen.“
Nun schlägt Erwins große Stunde. Wer bis jetzt noch glaubte, dass Erwin stumm sei, muss sich eines Besseren belehren lassen.
„Un, hebb ick nich secht, dat uus dat all nix angeiht? Nu het hei noch nich mool klaut. So is se nu mool, Herr Peiters“, meinte er schulterzuckend an mich gerichtet.
„Erwiiien, keen het di secht, dat du dien Muul oprieten schallst?“

Als ich den Arm voller Sonnenblumen den Kofferraum meines Autos öffnete, waren Erwin und seine Frau nur noch kleine Punkte am Ende des Köckweges.

Ach so, irgendwann erzählte ich Gundi von meiner Begegnung am Köckweg.
„Und“, fragte sie mich, „wer waren die Leute?“
„Das wüsste ich auch gerne!“