Donnerstag, 21. Dezember 2017

E-Bay Geschäfte mit "Schnäppchenseller"



Was für ein Morgen! Die Sonne schien bereits ins Schlafzimmer und beim langsamen Aufwachen nahm  ich den morgendlichen Chor der Vögel wahr, als würden die Singvögel direkt von meiner Bettkante aus singen. Ich stand auf, rieb mir die Augen und marschierte zum Briefkasten, um die Zeitung zu holen. Es war schon so warm, dass man fast die Zeitung auf der Terrasse lesen könnte.
Oh, wir hatten vergessen, das Auto in den Carport zu fahren. Nicht
so schlimm. Ich griff mir die Zeitung und hatte das Gefühl, dass irgendetwas anders war als sonst. Nicht das Wetter und auch nicht, dass das Auto draußen stand. Ist ja auch egal, dachte ich, setzte den Morgenkaffee an und begann die Zeitung zu lesen, während der Kaffee durchlief.
Nach dem Frühstück brachte ich den Müll vor die Tür. Ich hatte das Auto im Blick. Es war ausnahmsweise einmal schön sauber und glänzte in der Morgensonne. Irgendwie war es anders als sonst. Bereits im Hausflur kehrte ich um, blickte auf den noch ziemlich neuen Peugeot und dann hatte ich es:
Dem Auto fehlten die Radkappen!
Ich eilte auf die andere Seite und auch hier gab es keine Radkappen mehr.
Ulla war gestern in Hamburg und das Auto stand den ganzen Tag auf dem Parkplatz am Bahnhof in Hemmoor. Es lag auf der Hand, dass die Radkappen sich nicht zufällig alle am gleichen Tag während der Fahrt von den Rädern gelöst hatten.
Zurück am Frühstückstisch traf ich Ulla beim Lesen des Tageblattes an.
„Wo hast du die Radkappen von unserem Auto gelassen?“
„Wie? Radkappen? Ich habe nichts mit den Radkappen gemacht.“
„Das Auto hat jedenfalls keine Radkappen mehr und du warst gestern damit in Hemmoor.“
Ulla ging raus um zu kontrollieren, ob ich sie vielleicht auf den Arm nehmen wollte.
„Hast Recht, die Radkappen sind weg.“
„Ja, sagte ich doch!“
„Bei dir weiß man ja nie. Und nun?“
„Sind wohl am Bahnhof verschwunden. Wir müssen eine Anzeige bei der Polizei machen.“

Heinz Hagedorn nahm die Anzeige auf. Viel Hoffnung machte er mir nicht. Ich suchte dann meine Werkstatt auf und wollte vier neue Radkappen bestellen.

„Kein Problem!“ meinte Christian, „sind morgen da.“
„Und was sollen sie kosten?“
Der Preis für etwas gepressten Kunststoff erschien mir entschieden zu hoch und ich machte meine Bestellung rückgängig.
Das Internet sollte mir helfen, günstig an gebrauchte Radkappen zu kommen.
So einfach war es dann doch nicht, es gab nur wenig Angebote, die passten und nur einmal fand ich Radkappen, die nicht nur zu unserem Auto passten, sondern auch noch den Peugeot Löwen im Zentrum eingeprägt hatten. 30 € plus Versandkosten, da kannst du nichts zu sagen. Ich habe sie gekauft.
Später rief ich noch einmal die Anzeige auf und las „leichte Mängel, siehe Foto“. Ich schaute mir das Foto noch einmal an und zoomte das Bild so groß, dass ich den Mangel gut erkennen konnte. Es handelte sich um einen Kratzer. Ich kannte solche Kratzer. Auch unsere Radkappen hatten schon derartige Gebrauchspuren.
Dann, ein ganz kurzer Gedanke nur.
Nein, das konnte nicht sein, nein das wäre ein zu großer Zufall.
Wenn aber doch?
Ich vergrößerte den Schaden auf größte Größe.
„Ulla komm mal bitte her. Sieh dir einmal die Kratzer hier an. Erinnerst du dich noch, als ich dir die Schrammen auf unserer Radkappe gezeigt hatte, vor drei, vier Wochen? Wie  ich noch sagte, dass es doch merkwürdig sei, dass die Kratzer quer zur Laufrichtung des Rades verlaufen und dass das doch eigentlich unlogisch sei?“
„Ja, ich weiß aber eigentlich nur noch, dass wir einen Kratzer an der vorderen Radkappe auf der Beifahrerseite hatten.
Glaubst du etwa, dass das unsere Radkappen sind?
Nein im Ernst? Glaube ich nicht.“
„Ich glaube es langsam schon. Ich habe sie gekauft aber noch nicht bezahlt. Wäre ja´n Ding, wenn wir unsere geklauten Radkappen wiederkaufen würden. Wahrscheinlicher ist doch, dass es sich um einen Zufall handelt mit diesem Schaden.“
Ich rief noch einmal die E-Bay Seite mit den Radkappen auf. Schnäppchenseller war der E-Bay Name meines Verkäufers. Bei Standort stand nur Deutschland. Ich suchte weiter unter seinen Kontakten und Bewertungen. Seine Kunden waren durchweg zufrieden mit ihm. Einer seiner Kontakte hatte den Namen „Hasenfleth“.
Hasenfleth ist doch die kleine Bauernschaft zwischen Oederquart und Oberndorf. Was für ein Zufall, dass sich ein Geschäftspartner von „Schnäppchenseller“ ausgerechnet „Hasenfleth“ nennt. Sie schienen sich ganz gut zu kennen und manch ein Autozubehörteil hatte in der letzten Zeit den Weg von „Schnäppchenseller“ zu „Hasenfleth“ gefunden. Ich fand eine Nachricht, die mit dem Satz endete: „Sehen uns Dienstag in Cad.“ Die beiden schienen sich persönlich zu kennen. Cad? Cadenberge? Die Hadeler Gemeinde Cadenberge?!
„Schnäppchenseller“ kommt aus der Gegend hier!
Dann war es also doch nicht so ausgeschlossen, dass ich meine Radkappen gekauft habe?
Ich wollte meinen Kauf stornieren. Schließlich hatte ich die Radkappen ja schon einmal mit dem Rest des Autos gekauft.
Wer glaubt, dass man einen Kauf einfach so einseitig rückgängig machen kann, irrt. Ich musste lesen, dass bei unbegründetem Rücktritt mein Name auf eine Liste gesetzt wird und ich zur Unperson bei Ebay werde.
Was sollte ich tun??
Ich ging zur Polizei und berichtete von meinem Verdacht. Heinz Hagedorn hörte sich alles geduldig an, machte sich ein paar Notizen.
„Weiß nicht, ob wir damit weiterkommen. Ich gebe das mal an unsere Experten weiter. Vielleicht genügen die Verdachtsmomente, um die Identität von „Schnäppchenseller“ von E-Bay zu bekommen.“
Ich sollte den Kauf nicht rückgängig machen, um nicht unnötig Staub aufzuwirbeln. Erst einmal nur die Zahlung etwas herauszögern.
Dann ging alles ziemlich schnell. Zwei Tage später bekamen wir einen Anruf von der Polizeiwache in Cadenberge. Wir sollten gucken kommen, ob unsere Radkappen sich unter sichergestelltem Diebesgut befinden.
Wir machten uns sofort auf den Weg. Die Polizeiwache sah aus wie das Verkaufslager eines Schrotthändlers. Reifenstapel, Scheinwerfer, Nummernschilder, Kotflügel, Radios und auch Radkappen verschiedenster Autofabrikate türmten sich im Eingang. Wir bahnten uns einen Weg bis an den Tresen. Der Polizist schien schon leicht genervt von dem plötzlichen Autoteilelager in seiner Wache. Wir legten ihm die Kopie der Anzeige vor.
„Hmm, Radkappen liegen kurz vor dem Ausgang. Wenn Sie da mal gucken möchten.“
Glück für uns: „Schnäppchenseller“  hatte nicht nur eine Vorliebe für Dinge, die ihm nicht gehörten. Er hatte allem Anschein nach auch eine praktische Ader. Im Stapel befanden sich vier Radkappen mit dem Löwen im Zentrum, in der passenden Größe und ordentlich mit einem Bändchen zusammengebunden. So brauchten wir uns nicht alle einzeln zusammensuchen.
Wir sollten dann nur noch den Empfang quittieren.
„Die Kollegen haben irgendwoher einen Tipp bekommen, dass mit einem Internethändler etwas faul sei. Hatten wohl etwas von sich im Netz wiedererkannt. Gestern haben wir ihn dann besucht und haben einen ganzen Schuppen mit all diesen Sachen leergeräumt. Er hatte gleich gestanden, dass alle Teile aus Diebstählen hier in der Umgebung stammten.“
Dann setzte er noch hinterher:
„Ja, wenn Kommissar Zufall nicht manchmal helfen würde.“
„Den kenne ich zufällig“, sage ich leise beim Gehen.
„Wie bitte?“
„Nichts. Danke noch mal und Auf Wiedersehen.“




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