Mittwoch, 28. September 2016

Hinnerk Röndigs Knochenjob



 Ich treffe Hanna König im EDEKA Markt und bin im Nu in einen sehr merkwürdigen Dialog verwickelt
„Weißt du, wo man Knochen verkaufen kann?“, fragt sie mich.
„Wie? Knochen verkaufen? Ich habe noch nie Knochen verkauft. Wer kauft denn so etwas?“
„Habe gehört, dass dafür Superpreise gezahlt werden.“
Ich weiß nicht, Hanna König aus Weidenfleth wird immer sonderlicher.
Will sie nun groß ins Knochengeschäft einsteigen?
Der Betrieb vielleicht?
Königs Betrieb ist über die Jahre stetig gewachsen mit Dienstleistungen am Bau. Den geht es sichtbar gut genug.
Was will sie mit Knochen?
Schade, wie Hanna sich über die Jahre entwickelt hat. Je besser es den Königs ging, desto mehr wurde und wird zusammengerafft und gegeizt.
Dem Harzvierempfänger  wird der Monatscheck nicht gegönnt und der Mindestlohn, der nicht einmal ausreicht, eine Familie zu ernähren geschweige denn mehrere Familienurlaube auch über die Ozeane hinweg zu ermöglichen, droht jahrhundertaltes Handwerk zu zerstören. Allen geht es besser und alle, allen voran Vater Staat, wollen den Königs die mühsam zusammengetragenen Euros wieder abnehmen.
Hanna, was hat das Leben aus dir gemacht?
Du warst als junges Mädchen so fröhlich und unbeschwert. Und nun diese stete Angst vor Verlust des Lebensstandards, unverhohlener Egoismus, Missgunst und Neid.
Wenn dein Name in Weidenfleth und Umgebung fällt, kann jeder eine Geschichte über dich erzählen.  Die Geschichten stimmen nicht immer alle zu hundert Prozent.  Allen gemein ist aber, dass sie zu 100% auf Hanna zutreffen könnten. In ihnen überwiegen die weniger schmeichelhaften Tugenden von denen ihre Erzähler fast nie ohne maßlose Übertreibung und eine schadenfrohe Häme berichten.
Hanna richtet gerne Feste aus. Seltsamer Weise ist sie dann recht spendabel und es geht nie jemand durstig oder hungrig aus ihrem Haus.
Oh Hanna, merkst du eigentlich gar nicht, was du dir antust?

Ich sitze mit Hinnerk Röndigs, dem Schlachter von Weidenfleeth zusammen. Wir nehmen ihn gerne mal als Caterer, weil er nicht nur gute Ware hat. Er verfügt über ein tolles Team und die Zusammenarbeit ist stets von hoher Zuverlässigkeit bestimmt.
Wir verhandeln über einen Auftrag größeren Umfangs. Nach 30 Minuten liegen wir mit unseren Vorstellungen nur noch 60 € auseinander. Nichts scheint mehr zu gehen, ich kenne das schon. Hinnerk schweift ab auf einen Nebenschauplatz. Nein, was er für Probleme hat:
„Zu viel Arbeit, zu wenig Personal, zu geringe Einnahmen und dann musst du dich auch noch mit zickigen Kunden rumschlagen.“
„Ja, Hinnerk, ich weiß wovon du sprichst. Ich kenne auch diese Typen. Jetzt mal ohne Namen. Die Frau bestellt sich das Essen, mäkelt rum und hat noch diverse Sonderwünsche. Alles wird zu ihrer Zufriedenheit geregelt, obwohl der Zusatzservice bei Weitem den Kalkulationspreis ihres Gerichtes übertroffen hat. Und dann, beim Bezahlen, will sie zwei Euro weniger zahlen, weil der Reis zu körnig war und die Serviette erst zu spät an den Tisch kam.“
„Die Frau kenne ich. Sie fährt einem Geländewagen mit dem Stuttgarter Stern .  Seh´  schon an deinem Gesicht, dass ich nicht ganz verkehrt liege.“
Ich schmunzle äußere mich aber nicht dazu.
„Ich hatte ihr vor einigen Monaten ein Buffet mit Koteletts und Hähnchenbeinen geliefert. Du glaubst es nicht, als alles in Sack und Tüten war, wollte sie 15% Rabatt, weil wir ja schon so oft zusammengearbeitet hätten.“
„Und, was hast du gemacht?“
„Darüber können wir reden, wenn der veranschlagte Stundenlohn   für mein Personal wie bei euch in der Firma 45 € plus 19% Mehrwertsteuer und nicht bei 12,50 € liegt.“
„Und?“
„Kannst doch nicht Äpfel mit Birnen vergleichen hat sie gesagt und ist raus aus dem Laden. Was denkt sich diese Person eigentlich? Ich hatte ihr wirklich schon einen guten Preis gemacht.“
„Tscha, das kriegst du nicht raus aus ihr.“
Das war aber noch nicht alles. Hinnerk ereifert sich förmlich:
„Und, weißt du was das Schärfste war? Nach der Feier bringt sie mir die Platten zurück. Ungewaschen und auf der oberen Platte türmt sich ein Riesenhümpel Knochen. Ich fragte sie, was das denn solle, warum sie die Knochen nicht beseitigt habe.“
„Und“, frage ich, „was hat sie geantwortet?“
„Die Knochen kommen von dir und dann kannst du sie auch zurücknehmen.“
Hinnerk macht eine kurze Pause und fährt mit Schalk im Blick fort:
„Nachdem ich für Sekundenbruchteile fassungslos war  meinte ich ganz cool zu ihr: Na klar, wenn du das Geschäft nicht machen willst, behalte ich die Knochen. Nun hättest du Hanna König sehen sollen. „Wieso Geschäft? Was für ein Geschäft?“ und ich antwortete ihr beim Heraustragen der Platten:
„Du weißt wohl nicht, was Knochen derzeit bringen. Werden dringend zur Seifenherstellung benötigt. Wenn du noch mehr davon hast, nur her damit!“

Ich weiß nun zwar immer noch nicht, wo man Knochen verkaufen kann, aber ich weiß jetzt, warum Hanna König mich Mitte Mai danach gefragt hatte.
Ach Hanna, lass es mich wissen, wenn du inzwischen erfolgreich ins Knochengeschäft eingestiegen bist.
Erfolgreich hatte ich dann aber noch meine Verhandlungen mit Hinnerk abgeschlossen. Manchmal braucht es eben einen kleinen Umweg und sei es ein Gespräch über Hinnerks „Knochenjob“.

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