Freitag, der
13., was das wohl bringt?
Abergläubisch?
Ich?
Nein,
abergläubisch bin ich nun wirklich nicht.
Aber so ganz
frei vom Aberglauben bin ich doch nicht. Naht einmal wieder ein Freitag, der
ausgerechnet auf einen 13. Des Monats fällt, mache ich mir schon Gedanken, was
wohl kommen mag. Im nächsten Moment wische ich aber schon wieder alle
Katastrophengedanken fort.
Bin ja nicht
abergläubisch.
Wir machten
gerade Urlaub auf Sardinien. Für
Freitag, den 13. April, hatten wir eine Wanderung um eine tiefe Schlucht mit
Wasserfall geplant. Die Anfahrt von unserem Quartier aus dauerte über eine
Stunde über Serpentinenstraßen und durch enge Dörfer. Bereits kurz hinter
Fluminimaggiore querte eine schwarze
Katze von links nach rechts die Straße. Wie war das noch mit der schwarzen
Katze? Von links nach rechts?
Vielleicht
auch umgekehrt?
Oder war die
Laufrichtung völlig egal?
Heute war
jedenfalls Freitag, der 13.!
Ist ja auch
egal, bin ja ohnehin nicht abergläubisch.
Es erfüllte
uns mit etwas Stolz, dass wir den gut 6 Kilometer langen unbefestigten Forstweg
fanden, an dessen Ende der Parkplatz, Ausgangs- und Endpunkt unserer
mehrstündigen Tour, lag.
Und das,
obwohl heute Freitag der 13. war!
Merkwürdig,
dass ich schon wieder an dieses spezielle Datum dachte, mit dem ich im Unterbewusstsein
doch irgendwie Unheil verband, obwohl ich nun wirklich nicht abergläubisch bin.
Durchgeschüttelt
von hunderten wassergefüllter Schlaglöcher erreichten wir das Ziel. Was nun kam
war reinste Routine: Wanderschuhe an die Füße, Tagesproviant, ausreichend
Wasser, warme Jacke, und Regenschutz mussten in unseren Rucksäcken Platz
finden.
Mit guter
Stimmung und dem Wanderführer in der Hand brachen wir auf. Schon nach wenigen
hundert Metern sollten wir links von einem hohen Olivenbaum in einem
Steineichenwald eine unbegehbare Fußgängerbrücke über den Fluss suchen. Gleich
unterhalb der Brücke sollte es laut Beschreibung eine Furt geben, in der man
meist trockenen Fußes über Trittsteine das andere Ufer erreichen könne.
Wir fanden
Olivenbäume und noch mehr Steineichen nur die unpassierbare Brücke nicht. Nach ca.
15 Minuten war uns klar, wir hatten den Abzweig von unserem Weg verpasst. Nach
unserer Wegbeschreibung befanden wir uns jetzt auf dem letzten Kilometer des
Rückweges, allerdings in entgegengesetzter Richtung.
Freitag, der
13.!
Quatsch,
meine Dusseligkeit konnte ich wirklich nicht diesem Freitag anlasten.
Umdrehen?
Warum? Wir entschieden uns, die Rundwanderung entgegengesetzt der
Wegbeschreibung zu machen.
Es folgte
der steile Aufstieg und ganz unerwartet öffnete sich die dichte Machia. Nur
noch wenige Schritte vorbei an einer Wegmarkierung und wir wurden für alle
Aufstiegsanstrengungen mit einer fantastische Aussicht auf einen Wasserfall belohnt, der über eine Felskante
viele, viele Meter in die Tiefe der
Schlucht stürzte.
Alles, wie
im Wanderführer beschrieben und eine ideale Stelle fürs Mittagspicknick.
Der dann
folgende Abstieg gelang ohne Probleme zumal wir immer unser Zwischenziel, einen
Gebirgsbach zu Füßen des Berges, vor Augen hatten und uns gelegentliche
Farbmarkierungen oder Steinmännchen am Wegesrand bestätigten, dass wir uns auf
dem richtigen Pfad befanden.
Mehrmals
kreuzten wir auf Trittsteinen den Bach in der Talsohle und fanden auch die
Stelle, an der unser Weg nach links rund um das Bergmassiv zurück zum
Ausgangspunkt unserer Wanderung abzweigte.
Und das
alles, obwohl heute Freitag der 13. war und wir entgegen der beschriebenen
Wanderroute gingen.
Nach einer
guten Stunde bemerkten wir, dass schon lange keine Wegzeichen zu sehen waren.
Wir liefen auf kiesigen Forstwegen.
Es wurde
Zeit für einen Blick auf unsere gute Wanderkarte.
„Ulla, gibst
du mir mal die Karte bitte.“
„Welche
Karte?“
„Die große
Karte von diesem Gebiet.“
„Die musst
du haben.“
Ich hatte
sie aber nicht!
Freitag der
13. April!
Ah was! Es
musste auch so gehen. Auf meinen guten Orientierungssinn in freier Natur konnte
ich mich schon immer gut verlassen.
An
Weggabelungen verließ ich mich auf die kleine Skizze im Wanderführer, den Stand
der Sonne und irgendwelche Gipfel, hinter denen ich unser Auto vermutete.
Erschüttert
wurde mein Selbstvertrauen, als wir plötzlich auf eine Asphaltstraße stießen,
die es nach meinem Gefühl hier überhaupt nicht hätte geben dürfen. Es war
später Nachmittag.
Umkehren?
Bei all den
verschiedenen und doch so ähnlich aussehenden Kieswegen durch die waldige
Bergwildnis schien es eher unwahrscheinlich, dass wir irgendwann auf den Weg
gelangen würden, von dem wir den falschen Abzweig genommen hatten.
Wir einigten
uns, dem Asphaltband zu folgen. Es war eine Entscheidung basierend auf Logik –
unserer Logik, nach der Asphaltstraßen nur dort sind, wo es auch Nutzer gibt.
Also mussten irgendwo an dieser Straße weiter talwärts Dörfer liegen, von denen
wir uns dann mit einem Taxi zu unserem Auto bringen lassen könnten.
Nach ein
oder zwei Kilometern erblickten wir weiter unten im Tal ein Anwesen mit
mehreren Gebäuden, alle gedeckt mit den ortsüblichen rotbraungebrannten
Tonpfannen. Als wir die eingezäunte Gebäudeansammlung erreichten, verschwand
die Sonne gerade hinter den etwas niedrigeren Bergen in westlicher Richtung.
Was für eine
Enttäuschung, als wir feststellen mussten, dass es sich um eine
Ferienappartementanlage zu handeln schien, die anscheinend nur im Sommer
bewohnt wurde. Das Tor zur Anlage war verschlossen, kein Zeichen von Leben.
Kein Hund, der bellt, kein Hahn, der kräht, kein Rauch aus dem Schornstein,
kein Auto vor den Häusern und keine Wäsche an der Leine.
Hier gab es
kein Leben, das war nun mal so sicher, wie das Amen in der Kirche!
Wir
verharrten in Ratlosigkeit vor dem Gittertor. Die Füße und Waden schmerzten
bereits, wir hatten ihnen schon viel mehr zugemutet, als geplant.
Wir mussten
weiter und zwar weiter abwärts an den Fuß des Gebirges, dorthin, wo die kleinen
Dörfer und Städtchen lagen, durch die wir auf dem Hinweg gefahren waren.
Wir liefen
also weiter. Von der Sonne war nichts mehr zu sehen und, führte die Straße
unter Bäumen längs, bekam man schon eine leichte Ahnung von der Dämmerung. Die
Knie begannen zu schmerzen. Der ständige Schub beim Abwärtsgehen auf der harten
Asphaltstraße verleidete einem das sonst so angenehme Gefühl, wenn man nach
längerer Steigung wieder bergab laufen darf.
Wie konnte
mir das nur passieren?
Was sollten
wir machen, wenn uns die Dunkelheit umgibt, die Kräfte aufgebraucht sind und
immer noch keine Siedlung in Sicht ist. Draußen übernachten? In kurzen Hosen
und Regenjacken über dem Pullover? Irgendwo eng aneinander gekuschelt hinter
dem Stamm einer dicken Stein- oder Korkeiche?
Oder
vielleicht zurückgehen und in die Ferienanlage einbrechen?
Hätte ich
doch wenigstens Streichhölzer, wir hätten uns ein Feuer machen können.
Brennholz gab es überall im Überfluss.
Wir setzten
uns schweigend auf ein Steinmäuerchen am Straßenrand und gönnten unseren
geschundenen Gliedern eine kleine Rast. Ein Jeder in Gedanken versunken, und, was
entdeckten wir später? Unsere Gedanken
ähnelten sich sehr.
Gleichzeitig
kam Leben in unsere Mienen. Es näherte sich ein Motorengeräusch von oben. Es
war keine Täuschung, wir sahen einen Pickup die Serpentinen der Straße
herabfahren, auf der wir uns gerade befanden.
Ich stoppte
den Wagen, indem ich in der Mitte der Straße einfach keinen Durchlass bot.
Widerwillig
ließ der Fahrer seine Fensterscheibe herab. Sehr schnell hatten wir dann
geklärt, dass er perfekt sardisch sprach, wir gut deutsch konnten, er über
deutlich mehr Französischkenntnisse verfügte, als wir. Wir boten ihm
Konversation auf Englisch an und er antwortete mit einem entwaffnenden Lächeln
auf Italienisch, dass er kein Englisch könne. Soviel konnte ich gerade noch
verstehen. Ansonsten beschränkt sich mein Italienisch mehr auf Pizzeria -
Italienisch, also nicht viel mehr, als der Fahrer – unser Fahrer, auf Englisch
konnte.
Dass er
unser Fahrer sein würde wusste er zu diesem Zeitpunkt im Gegensatz zu mir noch
nicht. Ich war nämlich von Anfang an fest entschlossen, dieses Auto nicht
talwärts fahren zu lassen, ohne, dass wir drinnen sitzen.
Ich zeigte
ihm auf der kleinen Skizze den Parkplatz, auf dem wir unser Auto zurückgelassen
hatten. Er schüttelte immer nur den Kopf und murmelte etwas in seiner für uns
unverständlichen Sprache. Ich versuchte ihm klar zu machen, dass wir ein Taxi
bräuchten, um dort hinzukommen. Er lachte kurz auf und schüttelte leicht und
für uns viel zu lange den Kopf. Dann Griff er zur Seite und macht Platz auf der
Bank neben sich.
Er hatte
ganz schön lange gebraucht, um zu kapieren, dass er vielleicht das Taxi sein
sollte.
Egal! Nun
saßen wir im Auto.
Das Auto
bewegte sich nunmehr schon mit eingeschalteten Scheinwerfern talwärts. Wir
redeten nicht mehr miteinander. Warum auch? Niemand hätte den anderen
verstanden.
Plötzlich
und unerwartet war sie dann da, die Zivilisation. Domusnova, der Ortsname auf
dem Schild am Ortseingang sagte mir nichts. Es war ein kleiner Ort und nach
wenigen hundert Metern hielt unser Wohltäter vor einer Bar. Er begleitete uns
bis an Tresen und gab an den Barkeeper all das wenige Wissen weiter, das er
über uns hatte. Als er ging, bot ich ihm einen Fahrerlohn. Fast beleidigt
lehnte er ab.
Der
Barkeeper konnte Englisch und sogar ein wenig Deutsch. Als wir ihm zeigten, wo
unser Auto stand, schüttelte auch er ungläubig den Kopf. Unserem Wunsch nach
einem Taxi kam er freundlich nach. Nach
einigen Telefonaten war alles klar. Die Fahrt würde 70€ kosten und das Taxi
würde in einer halben Stunde da sein.
Tatsächlich
übergab uns Marco, der Barkeeper an Alfredo, der kein Taxifahrer war. Der
freundliche Alfredo sprach Englisch, hatte kein Taxi und auf dem Beifahrersitz
saß noch „a friend“.
Was einem
nicht alles egal ist, wenn man nur noch den einen Wunsch hat, nämlich
schnellstmöglich im Quartier zu sein, vielleicht ein Glas Rotwein und dann nur
noch zu schlafen.
Auch Alfredo
wollte nicht ganz glauben, wo unser Auto stand. Die überraschend große
Entfernung versuchte er mit hohem Tempo auszugleichen. Weil ich Angst hatte,
dass er über die letzten Kilometer durch Dreck und Pfützen verärgert sein
könnte, erhöhte ich den Fahrpreis auf 80 € und erklärte es ihm mit dem
vermuteten Reinigungsaufwand.
Er lachte
und meinte, dass das nicht nötig sei. Er wies mit der Hand auf seinen „friend“
und sagte dass er zum Autosäubern schließlich ja ihn da habe.
Ohne ein
Zeichen des Ärgers steuerte er den SUV mit hohem Tempo durch Schlaglöcher und
Pfützen. Und dann, ganz plötzlich stand da unser Mietwagen im
Scheinwerferlicht. Eine gute Stunde hatten wir von der Bar hierher gebraucht.
Wir stiegen aus und ich wollte Alfredo entlohnen.
Von wegen,
dass noch in jedem Sarden ein kleiner Bandit stecken würde. Alfredo schüttelte
den Kopf. Geld wollte er nicht. Ich könne ihm ja einen Kaffee ausgeben, wenn
wir uns mal wieder treffen. Mit einem fröhlichen „Ciao“ verabschiedete er sich
und es dauerte nicht lange bis die Rücklichter im Steineichenwald verschwanden.
Kurz vor
Mitternacht saßen wir dann auf der Terrasse unserer Herberge hoch am Hang, 6
Kilometer vom Meer entfernt. Weit draußen irgendwo leuchtet ein Licht von einem
vorbeifahrenden Schiff. Der Rotwein schmeckte an diesem Tag irgendwie besser
als sonst.
„Weißt du
eigentlich, dass heute Freitag der 13. ist?“ hörte ich aus dem Dunkel von der
anderen Tischseite.
„Ja und?“
„Na ja, wenn
man bedenkt, was uns heute passiert ist. So gesehen ist doch etwas dran, am
Aberglauben mit dem 13. und Freitag.“
„Kann man
auch anders sehen. Obwohl wir heute Freitag den 13. hatten, mussten wir nicht
im Freien übernachten und wir haben jemanden getroffen, der uns mit zur Bar
genommen hat. Von dort hat uns Alfredo zu unserem Auto gefahren und, obwohl
dieser Freitag heute war, hat Alfredo kein Geld haben wollen.“
„Hm, kann
man auch so sehen.“
Nachtrag:
Zwei Tage
später führte uns unser Weg an der Bar in Domusnova vorbei. Wir überlegten lange,
ob wir uns nicht mit einer Gabe für die freundliche Hilfe bedanken sollten. Wir
taten es dann aber doch nicht, weil wir unsere Helfer nicht in irgendwelche
Konflikte mit ihrem Ehrgefühl bringen wollten. Stattdessen habe ich zurück in
Deutschland einen Brief an Marco in der Bar geschrieben (in 3 Sprachen dank
Google Übersetzer!). In dem Brief lagen 40 € und ich hatte geschrieben, dass
Alfredo kein Geld für die Fahrt haben wollte.
Caro Marco,
questa lettera proviene da Ulla e Jörg Petersen. Se ci vedi nella foto, ci
riconoscerai. Ad aprile ci siamo persi tra le montagne dietro a Domusnova.
Avevamo bisogno di un taxi per la nostra macchina, che si trovava in un
parcheggio a ovest di Vilacidro a un'ora da Domusnova. Tu e i tuoi colleghi
abbiamo preso un taxi. Era un tuo amico e non era un taxi ma la sua auto
privata. Ci ha portato alla nostra macchina. Non voleva soldi per il suo
servizio. Ha detto che una volta avremmo potuto prendere un caffè per lui, se
ci incontrassimo di nuovo un giorno. È improbabile. Abbiamo trascorso delle
belle giornate sulla tua splendida isola Sardegna e siamo tornati a casa vicino
ad Amburgo.
Nella lettera
troverai 40 euro. Si prega di depositare i soldi nel bar Ogni volta che il tuo
amico e aiutante arriva al bar, per favore dagli da bere finché i soldi non
sono esauriti.Se lui vuole pagare, allora dici: I tedeschi lo hanno già fatto
hai portato alla loro macchina.
Grazie ancora
per il tuo gentile aiuto. Parliamo della disponibilità dei sardi ovunque e i
nostri amici sono felici della nostra disponibilità.
Cordiali saluti
dal nord - Germania.
Ulla e Jorg
Petersen
Lieber Marco, dieser Brief kommt von Ulla und Jörg
Petersen. Wenn du uns auf dem Foto siehst, wirst du uns wohl wiedererkennen.
Wir hatten uns im April in den Bergen hinter Domusnova verlaufen. Wir brauchten
ein Taxi zu unserem Auto, das auf einem Parkplatz westlich von Vilacidro eine
Stunde von Domusnova entfernt stand. Du und deine Kollegen besorgten uns ein
Taxi. Es war ein Freund von dir und es war kein Taxi sondern sein privates
Auto. Er brachte uns zu unserem Auto. Er wollte kein Geld für seinen Dienst. Er
meinte dass wir ja einmal einen Kaffee für ihn bezahlen könnten, wenn wir uns
irgendwann einmal wiedertreffen würden.Das ist aber unwahrscheinlich. Wir
hatten noch schöne Tage auf eurer wunderschönen Insel Sardinien und sind nun
wieder zu Hause in der Nähe von Hamburg.
Im Brief
findest du 40 Euro. Bitte deponiere das Geld in der Bar. Immer wenn dein Freund
und unser Helfer in die Bar kommt, gibst du ihm bitte ein Getränk, bis das Geld
verbraucht ist.Wenn er bezahlen will, dann sagst du: Das haben die Deutschen
schon gemacht, die du zu deren Auto gebracht hast.
Danke noch
einmal für eure nette Hilfe. Wir erzählen überall von der Hilfsbereitschaft der
Sarden und unsere Freunde freuen sich mit uns über so viel Hilfsbereitschaft.
Herzliche Grüße
aus dem Norden - Deutschland.
Ulla und Jörg
Petersen
Ein bisschen
hatte ich gehofft, dass sich aus diesem Brief eine neue Geschichte ergeben
würde. Die Hoffnung ist nicht eingetroffen. Immerhin bleibt noch die Hoffnung,
für ein wenig Freude bei Marco und/oder Alfredo gesorgt zu haben. Vielleicht
haben diese 40 € auch ein wenig dazu beigetragen, das Bild der Deutschen bei
unseren südlichen Nachbarn etwas freundlicher aussehen zu lassen. Selbst wenn
es das nur war, sind die 40 € gut angelegt.