Ausgangssituation: Schlange vorm Räucherfischstand in Wustrow,
Verkäuferin, Kundin Typ mollige Hausfrau Mitte 40 und ich, Kunde 68, loses
Mundwerk.
„Zum
Mitnehmen oder hier essen?“
„Mitnehmen!“
„Nicht
drücken, ist noch ganz frisch!“
Da rutschte
mir halblaut raus:
„Können mich
drücken, bin nicht mehr ganz frisch!“
Ich biss mir
fast auf die Zunge und dachte: „ Gott sei Dank, hat sie nicht gehört.“
Dann musste
ich mit meiner Makrele an der Hausfrau vorbei und hörte, wie sie ihrem
Begleiter zu tuschelte:
„Dat is er,
der Unverschämte, der mit dem weißen Bart.“
„Soll ick?“
„Nee, lass
ma, kein Ärga!“
Das letzte
hatte das ganzkörpertätowierte Muskelpaket wohl nicht mehr verstanden, stand
auf und schob mich vorsichtig zur Seite. Ich rechnete mit dem Schlimmsten.
Dann das
Wunder von Wustrow: Er ging an mir vorbei, baute sich vor einem gut aussehenden Rentner mit weißem
Bart auf.
„Is woll ne
kleine Entschuldigung fällig, Ziegenbart, oder dat setzt wat.“
Das war nun
das Letzte was der urlaubende Ziegenbart wollte und er entschuldigte sich
umgehend.
Ich hatte
mich inzwischen zu einer älteren, nett aussehenden Dame an den Tisch gesetzt.
Konnte ja
nicht wissen, dass sie die Frau des weißen Ziegenbartes war, der sich kurz nach
mir etwas verstört auf die Bank setzte.
„Irma, guck
mal unauffällig rüber zu dem Mann mit der braunen Glatze. Bei dem musste ich
mich eben entschuldigen.“
„Der mit den
Tätowierungen?“
„Psst, nicht
so laut!“
Zu spät, der
Tätowierte drehte sich schon um.
„Ja, ja, erzähl
deiner Alten ma ruhig von deine versaute Anmachtouren.“
Die
Begleitung des Muskelprotzes legte ihm beschwichtigend die Hand auf den
Unterarm.
„War doch
allet nich so schlimm!“
Nun lernte
ich die nette Irma von einer ganz anderen Seite kennen.
„Hubert, was
um Gottes Willen hast du gemacht? Kann ich dich nicht mal mehr alleine zur
Fischbude schicken? Red´ schon!“
„Nix, ich
habe definitiv nichts gemacht!“
„Aber
gesagt.“
„Auch nichts
gesagt.“
„Und warum
hast du dich dann entschuldigen müssen?“
„Weiß ich auch
nicht!“
„Hast es
aber getan. Wie blöd bist du denn, wenn du doch nichts getan hast?“
„Ich fang
doch mit dem nix wegen nix an. Willst du das kleine Stück oder dieses hier?“
Ganz
entsprechend meiner zurückhaltenden Art mischte ich mich nicht in das Gespräch
ein. Still aßen wir mit offensichtlich sehr unterschiedlichem Genuss unseren
Räucherfisch.
Ich stand
dann auf, um meine Fischreste zu entsorgen.
„Tschüß“,
sagte ich den beiden halbzugewandt.
Irma hatte
zu ihrer anfänglichen Nettigkeit
zurückgefunden.
„Schönen Tag
noch!“
„Ja, danke,
Ihnen auch“, antwortete ich. Ich sah Irmas fröhlich, freundliche Augen und auch
der Ziegenbart lächelte mich an.
Ich hätte
jetzt einfach gehen können. Es wäre so einfach gewesen. Aber ich brachte es
nicht übers Herz, die beiden mit ihrem „Nix-Problem“ allein zu lassen.
„Er hat
übrigens nix gemacht.“
„Wer?“
„Ihr Mann!“
„Sag ich
doch“, meldete Hubert sich zurück.
„Und woher
wollen Sie das so genau wissen?“ fragte Irma mit interessiertem Blick.
„Weil ich
das gesagt habe wofür Ihr Mann sich bei dem Herren entschuldigt hat. Schönen
Tag noch.“
Zwei Tage
später, ich saß im „Walfisch“ in Born. Hinter mir hörte ich Stimmen.
„Alles voll
hier.“
„Lass uns
gehen.“
„Oder wir
fragen mal den Herren hier, sind ja noch dreie frei.“
Gesagt, getan!
Ich wandte der fragenden Stimme mein Gesicht zu und erkannte sie sofort: Irma!
„Nein Sie
schon wieder. Hubert, erkennst du ihn wieder?“
Natürlich
hatten wir uns sofort wiedererkannt. Irma und Hubert setzten sich zu mir an den
Tisch. So nette Leute, wie sie sich über ihre Speisekarten gebeugt über die
Vorzüge und Nachteile des einen oder anderen Gerichtes austauschten.
Nein, ging
es mir durch den Kopf, sie haben ein Recht auf Auflösung des Rätsels aus der
Räucherbude von Wustrow.
„Danke noch
mal, wegen vorgestern.“
„Wie? Was?
Da in Wustrow?“
„Ja, dass
Sie sich für mich entschuldigt haben.“
„Ach keine
Ursache. Nur eine Sache noch. Seit vorgestern rätseln wir immer wieder wofür
ich mich entschuldigt habe. Können Sie da vielleicht weiterhelfen?“
„Ich hatte
zu der Frau des Tätowierten gesagt sie könne mich ruhig drücken, weil ich ja
auch nicht mehr der Frischeste wäre.“
Ein Blick in
die Gesichter von Irma und Hubert und ich wusste, dass die Erklärung nicht
ausreichte.
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