Wir hier in Friedeberg
leben, wie man in Norddeutschland sagt, weit vom Schuss. Trotzdem geht es uns
noch in mancher Hinsicht besser als so manch einem der umliegenden Dörfer. Wir
haben noch zwei Gaststätten, zwei Bankfilialen, einen Arzt, eine Apotheke, zwei
Bäcker und unseren EDEKA Markt. Außerdem haben wir eine Wasserverbindung
zur Elbe und könnten, rein theoretisch, jede Hafenstadt der Welt, wenn sie denn
nicht an einem Binnenmeer liegt, direkt von Friedeberg mit dem Boot
ansteuern. Wir haben den schönsten
Erntedank Altar und bis vor kurzem hatten wir auch noch unseren eigenen
Heiratsschwindler.
Richtig
gelesen. Bis vor kurzem.
Bringfried
von Bärenfels stand auf seiner Karte.
„Von den
Bärenfels aus Pommern?“ wurde er
häufiger schon gefragt.
Er pflegte
dann zu antworten:
„Nicht
direkt. Ich entstamme einer Nebenlinie, die nun schon seit mehreren
Generationen in Chile lebt.“
Wenn er
nicht „im Dienst“ war, was so gut wie nie geschah, gab es noch den Namen den er
von seinen Eltern mitbekommen hatte: Hans-Otto Schlingbier. Die Schlingbiers
stammen übrigens, wie der Hauptzweig derer von Bärenfels, ebenfalls aus
Pommern. Damit endet dann aber auch schon jegliche Gemeinsamkeit.
Fast!
Seine
gepflegte Erscheinung, gutes Benehmen,
sein sicheres Auftreten und die charmante Art seine Mitmenschen zu
unterhalten, hat er sich antrainiert.
Ohne irgendjemanden aus der Familie von Bärenfels persönlich zu kennen, hatte
er sich in seinem Kopf ein Bild seiner Wahlfamilie zurechtgelegt, dem er in
jeder Hinsicht zu entsprechen versuchte.
Als von
Bärenfels vor einigen Monaten in Friedeberg auftauchte, hieß er bereits wieder
Schlingbier, weil ihm ein kleinlicher Richter am Landgericht in Itzehoe bei
Androhung einer weiteren Strafe verbot, seinen adligen Wahlnamen weiter zu
führen. Das war dann auch nicht so schlimm, weil da, wo er die letzten drei
Jahre verbringen musste, sich ohnehin niemand von seinem Adelstitel hätte
beeindrucken lassen. An seiner Zellentür stand jedenfalls Schlingbier und nicht
Bärenfels.
Über 20
Jahre hatte Schlingbier als von Bärenfels sehr erfolgreich als Selbstständiger
gearbeitet. Sein Geschäftsmodell war nicht neu aber eben sehr erfolgreich.
Immer wieder fanden sich ältere Witwen mit größerem Vermögen und sehr großem
Verlangen nach Liebe und Aufmerksamkeit. In der Annahme die Liebe fürs Leben
gefunden zu haben, ermöglichten sie ihm Zugang zu ihren Konten und Depots.
Enttäuschung und Scham hielten seine Opfer von Anzeigen ab oder es gelang ihm,
für einige Monate auf irgendeiner spanischen Urlaubsinsel unterzutauchen, bis
sich die Verfolgungsbehörden anderen, aktuelleren und wichtigeren Fällen
zugewandt hatten. Es lief so gut die Jahre und so hätte es gern auch noch
weitergehen können, hätte er nicht der Versuchung nachgegeben zwei Frauen gleichzeitig
glücklich zu machen. Immer wieder musste er auf Geschäftsreise nach Bad
Oldesloe und von dort wieder zurück nach Kellinghusen zu seiner Freundin mit
den Zementaktien. Ich weiß nicht, was den Schwindel auffliegen ließ.
Verhängnisvoll war jedenfalls, dass sich beide betrogenen Frauen zusammentaten
und von Bärenfels durch ihre Aussagen für drei Jahre hinter Gitter brachten.
In Friedeberg
ist er auf dem Weg zu Alma Wehrfritz gestrandet, einer alten „Freundin“, der er
aus der Haftanstalt geschrieben hatte. Sie hatte ihm verziehen und schrieb,
dass er „danach“ gerne bei ihr wohnen dürfe. In Friedeberg angekommen musste Schlingbier
dann bedauerlicherweise feststellen, dass Alma bereits vor vier Wochen auf den
Friedhof umgezogen war. Ihr Restvermögen ist zwar nicht mit umgezogen, war jedoch
bei irgendwelchen Erben gelandet.
Schade!
Vielleicht hätte er daraus ja noch etwas machen können.
Was tun?
Sein ganzer
Lebensplan war auf eine gemeinsame Zukunft mit Alma Wehrfritz ausgelegt. Mit
dem Geld vom Amt nahm er sich eine Wohnung im alten Mehrfamilienmietshaus am
Totengang. Oh, was für edlere Quartiere hatte er schon gehabt! Dennoch, schöner
als sein Zimmer in der JVA war es hier noch allemal.
Was als
Übergang gedacht war, wurde sein letztes Quartier.
Bevor er
wieder als von Bärenfels arbeiten konnte, folgte er Alma Wehrfritz in den
Himmel. Niemand in Friedeberg wusste, was da eigentlich in seiner Wohnung
geschehen war. Schlingbiers Vermieter hat ihn tot auf dem Sofa vor laufendem
Fernseher und übervollem Aschenbecher gefunden. Hans-Otto von Bärenfels, den es
ohnehin nie gegeben hatte, verschwand aus Friedeberg. Zurück blieben ein paar
persönliche Besitztümer, nicht mehr als in einen Koffer passen, und ein älterer
Audi, der im Hof des Mietshauses parkte.
Wo
Schlingbiers sterbliche Überreste geblieben sind, weiß ich nicht. Seine paar
Habseligkeiten befanden sich beim Abtransport seines Leichnams gepackt im
Koffer, als habe er gewusst, dass es demnächst auf eine weite Reise gehen
würde. Irgendjemand, der wusste, dass ungeklärte Erbschaften eine Wohnung
monatelang blockieren konnten, hatte den Nachlass des Heiratsschwindlers
übersichtlich für den Abtransport bereitgestellt. Weil Schlingbier jedoch auf
seiner letzten Reise keinen Koffer benötigte, blieb der zunächst versiegelt im
Rathauskeller, bis irgendwann einmal die Zuständigkeiten geklärt sein würden.
Genau das aber war nicht ganz einfach, weil Schlingbier noch nicht in Friedeberg
gemeldet war und in seinen Itzehoer Papieren „Aufenthalt unbekannt“ stand.
Obwohl nicht
zuständig, gab das Rathaus der Gemeinde Friedeberg dem herrenlosen Koffer
vorübergehendes Asyl in den Kellergewölben. Vermutlich wird in einigen Monaten
ein Mitarbeiter von Wolfgang Schäuble im Rathaus eintreffen und um die
Herausgabe des Erbes an die Bundesrepublik Deutschland bitten. Wer immer den
Koffer gepackt hatte, er wird wissen, dass die
Enttäuschung des Ministers nach Öffnung des Koffers grenzenlos sein
wird. Eigentlich hätte er, also der Schäuble, wissen müssen, dass bei von
Bärenfels, pardon, Schlingbier nichts zu holen sein konnte. Aber im Gegensatz
zu allen anderen Erben in der Republik, konnte der Minister eine Erbschaft
nicht ausschlagen.
Soweit das
Schicksal des Koffers.
Nun gab es
da aber noch das Auto des Heiratsschwindlers. Vermutlich würde auch das in den
Besitz der Bundesrepublik Deutschland übergehen. Solange aber die Zuständigkeiten
nicht geklärt waren, blieb es einfach, sehr zum Ärger des Vermieters, im Hof
des Mietshauses stehen. Im Rathaus ließ man den Besitzer des Hauses mit dem
Hinweis fehlender Zuständigkeit abblitzen. Schließlich stünde das Auto ja auf
Privatgrund.
Am nächsten
Morgen stand der Audi gute hundert Meter von seinem vorherigen Standort
entfernt unverschlossen am Straßenrand.
Nach
mehreren Tagen meldete Werner Schlohbohm, ein Anwohner, dass da in der Straße
ein unverschlossenes Auto stünde und bereits Kinder und Jugendliche darin gesehen
worden seien. Man mache sich Sorgen. Was ist, wenn Jugendliche mit dem Auto
eine Spritztour unternähmen?
Noch einmal
einigen Tage später kam auf Nachfrage aus dem Rathaus, dass man sich nun zwar
zuständig fühle, jedoch auf die Polizei warten müsse, die noch den Halter
ermitteln müsse.
Die fand
dann sehr schnell heraus, dass das Auto einem gewissen Hans-Otto Schlingbier
gehöre und in Itzehoe zugelassen wurde. Eine Recherche beim Einwohnermeldeamt
habe ergeben, dass Schlingbier unbekannt verzogen sei.
Diese
Nachricht brachte den Mitarbeitern im Ordnungsamt von Friedeberg keine
Neuigkeiten. Sie wussten ja schon etwas mehr über den Halter, wenn auch sein
Aufenthalt inzwischen schon wieder, zumindest für die Rathausmitarbeiter,
unbekannt war.
Für die Friedeberger
Polizei war jetzt zumindest klar, dass der Fall des herrenlosen Autos zwischen Totengang
und Arztvilla geklärt war. Für allgemeine Sicherheit sei nun das Ordnungsamt
zuständig.
Einige Tage
später meldet der besorgte Anwohner Werner Schlohbohm er habe, als er noch
einmal mit seinem Hund los musste, zwei junge Männer überrascht, die gerade den
Audi kurzgeschlossen hatten. Auf die Frage, was denn hier passiere, hätten sie
gesagt: „Verpiss dich Alter!“ und sind in Richtung Arztvilla davongelaufen. Beschreiben
konnte er die Täter nicht, es sei ja schließlich dunkel gewesen und die
vermutlich durch einen Steinwurf zerstörte Straßenlaterne sei ja trotz
wiederholter Meldung immer noch nicht repariert.
„Also, das
mit der Lampe lassen wir mal ganz raus. Gemeindeangelegenheit, musst du da
melden. Für den versuchten Diebstahl nehmen wir eine Anzeige entgegen, “ meinte
Gerster, einer der beiden Friedeberger Polizisten, und legte deutlich
widerwillig eine Akte an.
Auf dem
Rückweg machte Schlohbohm einen Abstecher ins Rathaus, um zu hören, wann denn
endlich mit einer Laternenreparatur zu rechnen sei.
„Dafür sind
wir nicht zuständig. Wir haben den Fall aber gleich an den Stromversorger
weitergemeldet.“
„Ja und? Was
haben die gesagt?“
„Wird
gemacht, wenn mehrere Lampen hier repariert werden müssen. Sonst lohnt der
Einsatz des Hubwagens nicht.“
„Und das
Auto? Der Audi vor meiner Tür. Wann verschwindet der endlich?“
„Nun mal
ganz ruhig, da sind wir dran.“
Schlohbohm
verließ mit knappem Gruß und starker Erregung das Rathaus. Er hatte es doch
damals schon geahnt, als er noch im Rat saß und mit ungutem Gefühl dem Antrag
des Bürgermeisters auf Privatisierung der Wartung der Straßenbeleuchtung zugestimmt
hatte.
Wann hat
Privatisierung von öffentlichen Aufgaben schon einmal nachhaltigen Vorteil für
das Gemeinwesen gebracht?
Schlohbohm
fiel kein Beispiel ein.
Auf dem Hof
des Hauses am Totengang lag ein kleiner Haufen weißer, etwa hühnereigroßer
Ziersteine. Ganz kurz durchzuckte ihn ein Gedanke, den er jedoch schnell wieder
verwarf.
Selbstjustiz
war nicht sein Ding. Und überhaupt, wenn ihn jemand beim Versuch, die
Straßenlaternen in seiner Straße kaputtzuschmeißen, sehen würde?
Nein, völlig
ausgeschlossen.
Auf der
anderen Seite, für den Stromversorger würde es sich dann schon lohnen, den
Hubwagen zu schicken.
Beim
Mittagessen erzählt er seiner Frau, was ihm bezüglich der Straßenbeleuchtung
durch den Kopf gegangen sei. Sie fand die Idee eigentlich gar nicht so
schlecht. Allerdings bezweifelte sie, ob er überhaupt noch die Kondition habe
eine Straßenlaterne, geschweige denn mehrere kaputtzuwerfen.
Das fand
Schlohbohm etwas gemein, obwohl er auch nicht so recht an sich glaubte.
Trotzdem,
sie hätte es ja nicht sagen müssen.
Bis nach der
Mittagsstunde hatte er keine Lust mehr zu reden.
Um zwei Uhr
morgens wachen die Schlohbohms von Sirenenlärm auf. Blaulicht zuckt durch das
Schlafzimmer, aufgeregte Kommandos sind durch das geschlossene Fenster zu
hören.
Schlohbohm
zieht sich seinen alten, schon etwas verschlissenen Bademantel über, schlüpft
in seine Hausschuhe und verlässt das Haus, um zu sehen, was passiert ist.
Mehrere Feuerwehrfahrzeuge und ein Polizeiauto sorgen mit ihren Blaulichtern
für eine ungewollte Lichtinstallation der besonderen Art.
Schlohbohm
fragt einen Feuerwehrmann, der sich gerade eine Zigarette anzündete, was denn
los sei.
„Fred
Köneckes Schuppen hat gebrannt. Ist aber alles in Ordnung. Blöd war, dass ein
Auto direkt vor dem Hydranten stand. Hat unnötig Zeit gekostet.“
Der Audi! Ja
jetzt bemerkte er es. Das Ärgernis der letzten Wochen stand nicht mehr
gegenüber seiner Auffahrt.
„Wo ist das
Auto geblieben?“
„War nicht
abgeschlossen. Wir haben ihn dahinten auf den Parkplatz hinter dem Mietshaus
geschoben. Vor dem Arzt Haus!“
Schlohbohm
wurde kalt in seinem Bademantel und er kehrte mit den aufregenden Nachrichten
über den Brand aber ganz besonders auch
über den verschwundenen Audi ins Haus zurück.
In den
nächsten Tagen beherrschte die versuchte Brandstiftung das Dorfgespräch.
Dann aber
meldete sich der Audi des Heiratsschwindlers zurück. Er stand mit geöffneter
Fahrertür auf dem Parkplatz des Mietshauses. Schlohbohm konnte es aus seiner
Schlafstube sehen. Bei seinem nächsten Gang mit dem Hund suchte er den Audi
auf, um die Tür zu schließen. Da sah er, dass das Radio fehlte.
„Lieber
nichts anfassen“, sagte er sich und ging weiter.
Einen Tag später
schreckte ihn blecherner Lärm aus der Mittagsstunde. Vier oder fünf Kinder
hatten den herrenlosen, unverschlossenen Audi entdeckt und tanzten auf Dach,
Motorhaube und Kofferraumdeckel. Eigentlich wollte er das Fenster öffnen und
die Kinder von ihrem Spielplatz vertreiben. Dann aber besann er sich eines
Besseren und rief im Rathaus an.
Ohne seinen
Namen zu nennen rief er dem verdutzten Angestellten zu, wann denn endlich der
verfluchte Audi aus seiner Straße verschwände. Fred Glüsing, seit Jahrzehnten
vertraut im Umgang mit Zornausbrüchen seiner Mitbürger, blieb die Ruhe selbst.
„Herr
Schlohbohm, wir hatten Ihnen doch gesagt, dass wir dran sind.“
„Es ist aber
nichts passiert!“
„Wir sind ja
auch nicht mehr zuständig. Der Wagen steht ja jetzt nicht mehr auf öffentlichem
Grund. Jetzt ist der Besitzer des Mietshauses verantwortlich und den können wir
schon seit Tagen nicht erreichen. Soll auf Safari in Südafrika sein. Kann man
nichts machen. Sowie er zurück ist, kriegen wir das Problem in den Griff. Haben
Sie Vertrauen zu uns!“
Vertrauen?? Schlohbohm
beendet grußlos das Gespräch.
Mittags
bringt der Postbote einen Brief vom Landkreis, in dem er lesen konnte, dass man
sich nun in einem gemeinsamen Termin von Jugendamt, Polizei, Gemeinde, Schule
und Kirche am 23. März mit dem Problem des Fahrzeuges IZ-VB-734 im Siedlerweg
beschäftigen werde.
Mit
freundlichem Gruß
Der Landrat
23. März? In
vier Wochen? Das muss doch schneller gehen! So kann es jedenfalls nicht
weitergehen!
Karin
Schlohbohm rief nun schon zum zweiten Mal zum Kaffee. Als Werner wieder nicht
antwortete machte sie sich auf den Weg zu seinem Arbeitszimmer, um ihn zu
holen.
„Werner
Kaffee!“
„Hmm!“
Und nichts
passierte, als hätte er sie nicht gehört. Helga schaut ihm über die Schulter.
Werner sitzt vor dem PC und ist in einen Film vertieft. Ein junger Mann
hantiert unter dem Armaturenbrett eines Autos und erklärt, was zu tun sei, um
„ihn“ zum Laufen zu bringen.
„Willst du
wieder mit dem Autobasteln anfangen?“ fragt Helga Schlohbohm erstaunt ihren
Mann.
„Ja,
vielleicht. Das hier habe ich früher auch schon mal an meinem ersten Wagen
gemacht. Irre, was man im Internet alles finden kann.“
„Nun komm
man erst einmal zum Kaffeetrinken.“
Heute muss
etwas passieren, heute Nacht, wenn ich vom Kegeln zurückkomme, denkt Werner und
gießt sich die zweite Tasse Kaffee ein.
Am nächsten
Morgen klingelt es an der Tür. Die Schlohbohms sitzen noch am Frühstückstisch.
Vor der Tür stehen die beiden Polizisten der Friedeberger Wache.
„Dürfen wir
reinkommen?“
„Na klar!“
Gerster und
Timm werden an den Frühstückstisch gebeten. Helga Schlohbohm gießt ihnen eine
Tasse Kaffee ein.
„Weshalb wir
hier sind, ist euch heute Nacht irgendetwas aufgefallen?“
Bevor Werner
antworten kann sagt Helga schon: „Nöö, is was?“
„Der Wagen
vom Heiratsschwindler ist weg.“
„Häh? Heute
Nacht, als ich vom Kegeln kam, war er noch da. Da habe ich noch gedacht „wann
passiert hier endlich einmal etwas mit der Karre?“
„Wir haben
den Wagen heute Morgen im Friedeberger Fleet zwischen Friedeberg und der
Moorkreuzung gefunden. Das Auto war offensichtlich kurzgeschlossen. Hülsen von
der Citroen Werkstatt hat ihn rausgezogen und ihn dann auf seinem Platz abgestellt.“
„Und“, fragt
Timm noch einmal, „nix gehört?“
„Nee“, gibt
Helga zurück. „Wir schlafen ja mit Stöpseln im Ohr seit „die“ hier alle wohnen.
Ist ja immer laut hier.“
„Na, ja,
Werner, du hast ja schon immer gesagt, dass da mal was passiert. Und nun ha´m
wir den Salat. Komm Kalle, kannst jetzt Bericht schreiben.“
Die beiden
freundlichen Polizisten verließen das Schlohbohm Anwesen, Werner kehrte kopfschüttelnd
zum Frühstückstisch zurück.
„Hab’s doch
gewusst, dass das nicht gut geht. Gott sei Dank ist wohl niemand zu Schaden
gekommen.“
Zufrieden
greift Schlohbohm zur Zeitung, schenkt sich entgegen aller Gewohnheit eine
dritte Tasse Kaffee ein und denkt: „Ist doch optimal gelaufen. Und das mit den
Laternen kriege ich auch noch hin. Zwar nicht mit Steinen aber mit Opas
Kleinkalibergewehr. In der nächsten Unwetternacht gehen hier so viele Lichter
aus, dass es sich lohnt, den Hubwagen zu schicken.“
Niemals
hätte er bis zum heutigen Morgen geglaubt, dass man durch kriminelles Handeln
so viel Befriedigung erfahren kann.
Und noch
einer hatte Anlass zu großer Freude: Fred Glüsing, Leiter des Ordnungsamtes.
Nachdem er es hinbekommen hatte, dass der Wagen des Heiratsschwindlers bei
Hülsens Werkstatt auf dem Platz stand und nicht, wie erst von der Polizei
gewünscht, auf dem Bauhof, bekam er Besuch von einem Beamten der
Oberfinanzdirektion Hannover. Der Herr legte ein Schreiben seines obersten
Dienstherren, dem Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland, vor, aus dem
hervorging, dass er autorisiert sei, den Nachlass des Hans-Otto Schlingbier
entgegenzunehmen.
Die Freude
von Wolfgang Schäuble, dem Finanzminister, über diese Erbschaft dürfte nur von
kurzer Dauer gewesen sein. Der Koffer aus dem Keller des Rathauses enthielt
nichts, das sich zu Geld machen ließe. Das Auto hatte nur noch Schrottwert und
wurde noch in Hülsens Werkstatt zur Entsorgung freigegeben. Blieben für
Schäuble noch die Bestattungskosten Schlingbiers und die Reisekosten seines
Beamten von Hannover nach Friedeberg und zurück. Obwohl vom Heiratsschwindler
bestimmt nicht so geplant, roch sein Abgang doch ein bisschen nach Rache für
die drei Jahre Freiheitsentzug in Itzehoe.
Glüsing war
durch und durch zufrieden. Der Vorgang war geschlossen. Er griff zum Telefon,
wählte Schlohbohms Nummer.
„Ja,
Schlohbohm.“
„Glüsing
hier, Ordnungsamt. Wollte nur sagen, dass wir die Geschichte mit dem Audi in
den Griff bekommen haben. Hatte ja gesagt, dass wir dran sind. Regelt sich doch
alles.“
„Danke, hab
wohl etwas überreagiert. Ihr seid schon echt gut, Jungs. Danke. Und das mit der
Laterne vor meinem Haus bekommt ihr auch noch hin. Bin ich mir ganz sicher!“
Das Telefon
ruht wieder in der Station und Schlohbohm guckt zufrieden zur Arztvilla rüber,
wo gestern Abend noch der Audi mit offener Tür, Beulen im Dach und ohne Radio
stand.
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