Manfred,
mein Schwager, ist zu Jodi, einer New Yorkerin, gezogen. Beide reisen für ihr Leben gerne. Gerade haben sie
beschlossen, dass sie ihr Hobby zum Beruf machen wollten und haben kurzerhand ein
Reise Start Up gegründet. Sie planten
junge Deutsche mit Kleinbussen und Campingausrüstung quer durch die USA von der
Ost- bis zur Westküste bringen ohne auch nur einen einzigen der großen
Nationalparks auszulassen.
Vernetzung
ist alles. Irgendwo in NY durften sie bei Freunden von Verwandten eine kleine Ecke
eines Büros benutzen. Es wurde nicht mehr als ein Schreibtisch mit zwei Stühlen
und einem Telefon benötigt. Wohnen konnten sie vorerst mietfrei in einem
Nobelappartement in Manhattan. Verwandte hatten die Wohnung geerbt und freuten
sich, dass sie mit Jodi und Manfred Bewohner gefunden hatten, die potentiellen
Einbrechern signalisierten, dass die Wohnung belebt sei.
Was für ein
Glück in dieser Stadt, wo die Mieten längst schon jedes gesunde Maß
überschritten hatten. Leider war es eine
etwas unsichere Angelegenheit. Das Ende ihres Glückes würde irgendwann mit dem Glück ihrer
Verwandten zusammenfallen, wenn die nämlich die Wohnung zu dem gewünschten
Preis an den Mann oder die Frau gebracht hätten.
Glück für Ulla
und mich. Wir wurden nach NY eingeladen und konnten mitten in Manhattan wohnen.
So wurde unsere erste USA Reise für uns überhaupt erst erschwinglich. Mehrere
Tage erschlossen wir uns diese neue, aufregende Welt, hin und wieder auch
gemeinsam mit Jodi und Manni. Einen Tag waren wir im Central Park auf einer
Liegewiese zum Picknick verabredet. Dank guter Beschreibung fanden wir uns
schnell. Die Decke mit den Picknick Utensilien war schon ausgebreitet.
„Wir müssen
noch etwas warten, Amos ist noch nicht da.“
Amos ist ein
Freund unserer Gastgeber, der auch gelegentlich in der Firma aushalf.
Und dann kam
Amos. Ein freundlicher Junge, der sich gleich völlig unkompliziert auf der
Decke niederließ.
„Gutten Tak,
I´m Amos.“
Amos war auf
die Begegnung mit uns Deutschen vorbereitet. Er zeigt auf das Essen.
„Picnic, you understand?“
„Ja, wir
sagen auch Picknick. Do you speak German?“
„Yes …ja!“
„Wo lebst
du? Auch hier in New York?“
„Magst du
schwabbelige Eier?“
„Wie bitte?“
„Magst du
schwabbelige Eier?“
„Meinst du,
ob ich schwabbelige Eier mag?“
Ich war mir
nicht ganz sicher, ob ich richtig verstanden hätte.
„Magst du
schwabbelige Eier?“
„Nein, das
ist eher nicht so mein Ding.“
Amos
unterhält sich mit Jodi und Manni. Plötzlich kreuzen sich unsere Blicke. Er
lächelt freundlich und fragt:
„Magst du
schwabbelige Eier?“
Ich habe
wohl etwas irritiert geguckt. Jodi und Manni lachten, was mich nur noch mehr
verunsicherte.
Als Amos
dann in diesen Moment noch einmal in bestem Deutsch fragte:
„Magst du
schwabbelige Eier?“ löste Manni das Rätsel um die schwabbeligen Eier auf.
Amos war vor
einigen Jahren als Student durch Europa gereist – auch durch Deutschland. Im
engen Abteil einer fränkischen Regionalbahn guckte er einer alten Frau zu, wie
sie sich ihren Reiseproviant zubereitete. Als sie sich gerade ein gekochtes Ei
auspellte, bemerkte sie, dass Amos ihr zusah.
Er lächelte,
was sie als Aufforderung zum Dialog auffasste.
„Magst du
schwabbelige Eier?“
Amos
versuchte ihr auf Englisch klarzumachen, dass er sie nicht verstehe.
Das wiederum
verstand die Frau nicht. Sie wollte dem fremden Jungen, der nicht einmal eine
verständliche Sprache sprach, etwas Gutes tun und reichte ihm das
frischgepellte Ei entgegen.
Etwas lauter
als zuvor, der Junge versteht sie ja sonst nicht, fragte sie ihn:
„Magst du
schwabbelige Eier?“
Amos guckte
auf die runzeligen grauen Hände der Frau, vielleicht eine Kleinbäuerin,
zumindest eine Gärtnerin, und hatte nicht so großen Appetit auf das großzügige
Angebot seiner Reisebegleiterin. Die wiederum wiederholte ihr Angebot noch
einmal etwas lauter und eindringlicher.
„Magst … du
… schwabbelige … Eier?“
Amos ist
nicht sprachunbegabt und es reizte ihn, die immer wiederholten Worte
nachzusprechen. Etwas unbeholfen wiederholte er die Worte der Frau.
„Magst … du
….. schwabbel--ige … Ei--er?“
„Nein, ich
nicht aber du? Magst … du … schwabbelige
… Eier?“
Amos nimmt
endlich das ihm entgegengestreckte Ei und macht noch einen Versuch in die
fremde Sprache einzusteigen.
„Magst … du
….. schwabbel--ige … Ei--er?“
„Nein, mein
Junge. Magst du ein bisschen Salz?“
Ohne eine
Antwort abzuwarten, ließ sie einige Salzkörner auf das gepellte Ei rieseln.
„Thank you.“
Und dann schnell noch hinterher, gerad so, als wollte er seiner Lehrmeisterin
beweisen, was für ein guter Schüler er sei, wiederholte er noch mit
hartgekochtem Ei im Mund:
„Magst du
schwabbelige Eier?“
Die Frau
lachte. Sie mag wohl gedacht haben, was diese Ausländer doch blöd sind. Andernfalls
müssten sie ja wohl etwas besser Deutsch
können. Dann packte sie ihre Sachen zusammen, schob die Abteiltür auf, drehte
sich noch einmal zu dem netten aber dummen Jungen um und nickte ihm mit einem
freundlichen Abschiedslächeln zu.
Und der
dumme Junge aus Amerika, der trotz acht Semester Betriebswirtschaft und Politik
kein Deutsch konnte, verabschiedete sich mit einem „ Bye“.
Und, als
wolle er seine Abschlussprüfung in Deutsch ablegen, haute er noch einmal sein nahezu gesamtes Repertoire der Sprache
des Landes, das er gerade bereiste, raus:
„Magst du
schwabbelige Eier?“
Das erzählte
uns Manni auf Deutsch. Amos verfolgte das Geschehen mit wachem Blick. Er
verstand natürlich ohne Probleme, worum es ging. Nachdem unsere Heiterkeit sich
gelegt hatte, wandten wir uns endlich dem Picknick zu.
Ach so,
schwabbelige Eier waren nicht dabei.
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