Ich sitze
bei Norbert am Stubentisch.
„Na, haste
mal wieder eine neue Geschichte?“
„Ja, aber du
glaubst mir meine Geschichten ja nicht mehr.“
„Na ja, ich
weiß manchmal wirklich nicht mehr. Also die mit Merkel die hast du dir doch
ausgedacht?!“
Ich zucke
mit der Schulter.
„Na und,
gibt es eine Geschichte?“
„Ja. Ich
habe den russischen Botschafter getroffen.“
„Ne, hier in
Freiburg, oder. Da hast du aber schon bessere Geschichten gehabt.“
„Du bist ja
schon genau so, wie Hans-Werner Hellwege.“
„Wie ist der
denn?“
„Na eben,
wie du. Glaubt mir auch nicht. Dabei ist die Geschichte mit dem Botschafter
total wahr.“
Seine, also
Hans-Werners Frau erinnert sich, dass ich tatsächlich in der letzten Woche zwei
Tage allein verreist war.
„Das ist
doch kein Beweis. Los erzähl!“
Und dann
habe ich ihm erst einmal von Hans-Werner erzählt.
Also, ich
treffe Hans-Werner Hellwege vor dem EDEKA. Wir haben uns schon länger nicht
gesehen und tauschen die üblichen Floskeln aus.
„Na, Hans-Werner,
wie geht´s denn so?“
„Muscha. Und
selber?“
„Ooch, immer
viel um die Ohren.“
„Speicher,
oder?“
„Ja,
Speicher.“
„Du liest da
am Sonntag ja Geschichten vor. Vielleicht kommen wir.“
„Ja, kommt
mal.“
„Und sonst?“
„Ich fahre
morgen zum russischen Botschafter.“
„Hm. –
Wohin fährst
du?“
„Zum
russischen Botschafter.“
„Schade,
können wir nicht zusammen fahren. Ich fahre morgen zum Papst.“
Hans-Werner freut
sich über seinen Gag, lacht, wünscht
gute Reise und geht weiter in Richtung Sparkasse.
Ja so ist Hans-Werner.
Man muss ihm allerdings zugutehalten, dass er mir gegenüber schon einige Male
zu leichtgläubig war. Nachdem ich ihn das letzte Mal verladen hatte, hat er mir
geschworen, dass er mir nie, nie wieder glauben würde. Ja, so ist das eben, wenn man seine
Glaubwürdigkeit aufs Spiel gesetzt hat.
Ich sitze im
Zug von Berlin nach Hamburg und rufe zu Hause an, um mitzuteilen, dass alles
nach Plan läuft. Ulla sagt mir, dass noch 4 Anmeldungen für meine Lesung von Hans-Werner
Hellwege und seinen Nachbarn reingekommen sind.
„Hans-Werner wollte dich sprechen.“
Hans-Werner
gehört noch zu den Männern, die ihre Angelegenheiten grundsätzlich lieber mit einem
Geschlechtsgenossen regeln.
„Jörg ist
nicht da.“
„Wann kommt
er denn wieder?“
„Morgen, der
ist beim russischen Botschafter.“
Dann, sagte
sie, wurde es still auf der anderen Seite.
„Beim
russischen Botschafter ?“
„Ja beim
russischen Botschafter irgendwo bei Dresden.“
Pause
„Ne, beim
russischen Botschafter. Ne nich!
Ich wollte noch 4 Personen für Sonntag
anmelden.“
Und dann hat
er „Tschüß“ gesagt. Das mit dem russischen Botschafter hat ihn irgendwie
umgehauen. Mir ist das auch einfach so rausgerutscht, weil ich in den letzten
Tagen so oft erklären musste, wo du bist.
„Ist schon
gut, ich erzähl dir zu Hause mehr. Der russische Botschafter, Hans-Werner
Hellwege und ich haben seit vorgestern eine eigene, gemeinsame Geschichte.“
Sonntag.
Der
russische Botschafter und über 1200 Kilometer Bahnfahrt sind seit gestern schon
wieder Geschichte. Ich sitze am Eingang
zur Gaststube im Speicher und kassiere für die Lesung. Hans-Werner kommt mit seiner
Frau und seinen neuen Nachbarn, die vor vier Monaten aus Iserlohn zugezogen
sind.
„4 Mal.
Hatte ich bei deiner Frau angemeldet. „
„Moin Hans-Werner,
habe ich hier auf der Liste.“
Seine Leute
sind schon ein paar Schritte weiter gegangen.
„Hier, 40
Euro, stimmt doch oder.“
„Ja, ist
genau richtig.“
„Und wie
war´s?“
„Was?“
„Na, mit dem
Botschafter da, dem russischen.“
„Gut, das
war sehr gut. Und was hat der Papst so gesagt?“
„War ich
doch gar nicht. Aber deine Frau hat mir gesagt, dass du beim russischen
Botschafter warst.“
„Hab´ ich
dir doch auch schon gesagt.“
„Hab ich
aber nicht geglaubt.“
„Glaubst du
es denn jetzt?“
„Wenn du
deine Frau nicht angeschmiert hast. Ihr glaube ich das schon, aber bei dir weiß
ich das immer noch nicht so richtig.“
„Mensch Hans-Werner,
wenn es stimmt, was sie dir gesagt hat, dann muss das auch stimmen, was ich dir
gesagt habe.“
„Ja,
irgendwie schon. Und du warst da? Ich meine bei diesem Botschafter?“
„Ja, sag ich
doch die ganze Zeit.“
„Hans-Werner,
wo bleibst du?“
„Komme
schon! Und, was hast du da gemacht?“
„Kann ich
dir nicht so schnell erzählen. Vielleicht nachher. Nun trink erst einmal Kaffee
und dann gibt es ein paar Geschichten.
Vielleicht haben wir ja nachher noch ein wenig Zeit.“
Die Zeit
hatten wir dann aber nicht. Eine gute Woche später, beim Treffen der Vereine im
Speicher kommt Hans-Werner an meinen Tisch.
„Du, das mit
dem Botschafter stimmt ja.“
„Habe ich
dir doch schon am Sonntag gesagt. Wieso bist du dir nun so sicher, dass es
stimmt?“
„Guschi
Tecklenborg hat mich gefragt, ob ich schon weiß, dass du beim russischen
Botschafter warst.“
„Ja, wenn
der dir das erzählt hat, dann muss es ja stimmen.“
Es stimmte
ja tatsächlich. Was Hans-Werner allerdings nicht wusste: Guschi hatte die Info
von mir bekommen, als er mich am Donnerstag fragte, warum ich heute vom
Putzbüdel komme wo ich doch sonst immer am Sonnabend gehe.
Weil mir auf
die Schnelle nichts Besseres einfiel, habe ich ihm gesagt, dass ich morgen zum
russischen Botschafter will.
Ja, Guschi
ist da ganz anders als Hans-Werner.
„Ach so!“ hat er nur gesagt und ist
weitergegangen.
Norbert
lacht.
„Coole
Geschichte. Ich kenne die Typen ja nicht, aber die haben dir die Geschichte mit
dem Botschafter abgenommen.“
„Ja und, die
stimmt ja auch.“
„Früher
hätte ich sie dir auch geglaubt.“
Ich setze
mein ernsthaftestes Gesicht auf und erzähle von der Einladung vom Ost West
Forum, den Biografiegesprächen. Bis ins letzte Detail beschreibe ich, wie das
Treffen mit dem russischen Botschafter aussehen sollte, welche Ziele das OWF
mit dessen Vortrag erreichen will.
Ich habe Norbert wieder eingefangen. Er glaubt mir und erklärt mir und seiner Frau,
welche Indizien ihn bewegen plötzlich das zu glauben, was er soeben noch ins
Reich der Märchen und Fabeln verbannen wollte.
Das ging mir eigentlich ein wenig zu einfach
und ich setzte noch einen drauf.
„Muss dir
noch erzählen, wie ich Mama Tenga im Speisewagen zwischen Berlin und Leipzig
getroffen habe. Mama Tenga kommt aus Burkina Faso.“
„Woher?“
„Burkina
Faso. Westafrika, Sahel. Weißt ja. Sie setzt sich zu mir an den Tisch. Wir
unterhalten uns über die Speisekarte. Das ging ganz gut, sie spricht echt gut
Deutsch. Und dann der Hammer. Sie fragt mich auf Platt:
„Wat wüllt
se denn eeten?“
„Weet ick
noch nich“, antworte ich und denke im nächsten Moment, wieso schnackt een
platt, de vun Burkina Faso wech is?
Sie und ihre
Begleitung, eine jüngere Frau, wählen Folienkartoffeln und ich entscheide mich
für drei Nürnberger Bratwürstchen. War dann nicht so gut, die Entscheidung. Ich
bestelle bei der Bedienung die drei Bratwürste, die auf der Speisekarte
abgebildet sind.“
„Ham wir
nich. Ham nur sechs.“
Ich zeige
mit dem Finger auf das Bild in der Karte.
„Dreie nur
als Frühstücksbeilage. Mittags mit Sauerkraut nur sechse!“
„Na dann
eben nur sechse statt nur dreie.“
Mama Tenga
und die Frau aus Plön lachen.
Norberts
Blick verrät, dass Mama Tenga aus Burkina Faso ihm alle soeben noch gewonnene
Sicherheit genommen hat.
„Das stimmt
jetzt aber nicht mit dieser Mama Temba oder, wie sie heißt. Die da aus Afrika. Die
reden kein platt, wenn sie aus Afrika sind. Ich glaube dir nix mehr! Ich weiß
gar nicht, was ich glauben soll. Russischer Botschafter und nun Mama Dingsda
aus Westafrika und redet platt!.“
Ach Norbert!
Du tust mir schon ein wenig leid.
„Das ist ja
noch nicht alles.“
„Was? Womit?“
„Mit Mama
Tenga. Meine Würstchen waren leider nicht so, wie ich sie mir in meiner
Phantasie vorgestellt hatte. Genau nach 2 2/3 Würsten verebbte jeglicher
Appetit. Die drei, die es nur zum Frühstück gibt, hätten ausgereicht.“
„Und, was
hat das mit dem Botschafter und Mama Tenja zu tun?“
„Warte ab,
lass mich doch zuende erzählen.“
Und nun
versetzte ich meiner mühsam zurückeroberten Glaubwürdigkeit den Todesstoß.
„Also ich
schiebe meine Würstchen in die Tischmitte, um etwas mehr Tischauflage für die
Arme zu bekommen. Mama Tenga aus Burkina Faso hat soeben die Folienkartoffel
mit doppelter Portion Lachs abgearbeitet. Unsere Blicke kreuzen sich und sie
fragt:
„Darf ich?“
Ohne meine
Antwort ganz abzuwarten kommt sie mit ihrer Gabel diagonal über den Tisch und
angelt sich eine der drei unversehrten Nürnberger Bratwürstel. Während sie
genüsslich kaut, teilt sie mir mit leicht verschwörerischer Stimme mit, dass
sie so etwas ja in Burkina Faso nicht bekomme.“
Eine Minute
später musste die Bedienung überzeugt gewesen sein, dass die Würstchen voll
meinen Geschmack getroffen hätten. Andernfalls wäre mein Teller ja nicht leer
gewesen.
Norbert
lacht.
„Dass ich
immer wieder auf dich reinfalle! Fast hätte ich dir die Geschichte schon
abgekauft. Aber das mit den Würstchen hättest du nicht erzählen dürfen. Damit
hast du alles kaputt gemacht, was du vorher aufgebaut hast.“
Ach Norbert.
Wie kann ich dir beweisen, dass alles ungelogen ist? Google mal Mama Tenga und du wirst eine Menge erfahren
über eine sehr interessante Frau! Und die habe ich getroffen und sie hat meine
Würstchen gegessen, hat mich, ja mich, charmant genannt.
Und das mit
dem Botschafter, Norbert, das stimmt natürlich auch. Was sollte ich denn sonst
im Zug nach Leipzig, in dem ich Mama Tenga getroffen habe.
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