Ein Brief per E-Mail versandt am 17.09.2016 an den Parteivorsitzenden der SPD, Herrn Sigmar Gabriel, Ministerpräsidenten von Niedersachsen, Herrn Stephan Weil, Ministerpräsidentin von NRW, Frau Hannelore Kraft, Landtagsabgeordnete Frau Petra Tiemann und 5 weitere SpitzenpolitikerInnen der SPD.
Anmerkung: Bis zum 3. Oktober 2016 gab es keine Antwort. Nicht einmal eine Eingangsbestätigung.
Vielleicht ist es auch ein wenig zu viel verlangt. Und, nun mal ganz ehrlich:
Ich habe eigentlich auch keine Antwort erwartet. Dennoch hat es mir irgendwie gut
getan, denen „da oben“ mal kräftig die Leviten gelesen zu haben.
Liebe
Genossinnen und Genossen,
ich bin die
Partei, Genosse seit 1976. Bisher hat die SPD immer meine Stimmen, mein
Engagement und meine Beiträge bekommen.
Nun bekommt sie einen Brief von mir. Ich schreibe nicht aus Langeweile, es ist
die Sorge um unsere Partei mit ihrer ruhm- und segensreichen Geschichte.
Ich bin müde,
mich ständig in der Öffentlichkeit dafür rechtfertigen zu müssen, dass meine
Partei ihren Grundsätzen untreu ist. Ich bin müde zu antworten: „Du hast ja
Recht, aber…“
Es macht mich traurig und wütend, dass über
die Jahre viele unserer kreativsten Genossinnen und Genossen der Partei den
Rücken gekehrt haben. Ich bin nicht wütend auf die Abtrünnigen. Ich zürne
meinen Parteiführungen, die diesen Menschen keine Heimat mehr geboten haben.
Oft verspüre ich den Wunsch, ihnen zu folgen. Dann aber denke ich, dass ich mir
meine politische Heimat mit ihren wunderbar formulierten und jahrzehntelang
praktizierten Grundsätzen nicht von meiner leichtfertig agierenden Parteispitze
nehmen lassen will.
Warum
spürt ihr nicht, dass Parteimitglieder
und Wahlvolk gradlinige Politik mit klaren Aussagen im Interesse besonders
der abhängig Beschäftigten und Benachteiligten in unserem Staat suchen,
wünschen, fordern?
Verhindert den
Eindruck, gemeinsame Sache mit denen zu machen, die nur ihre eigenen Interessen
und niemals die der von ihnen abhängigen Menschen und die unseres Gemeinwesens
verfolgen!
Abkehr von
sozialdemokratischer Politik zu Heilsverkündern unterschiedlichster Richtungen
werdet ihr nur verhindern können, wenn ihr den Menschen das Gefühl gebt, sie
und ihre Sorgen ernst zu nehmen, wenn ihr sie optimal über die politischen
Zwänge informiert und sie viel, viel mehr in Entscheidungsprozesse einbezieht.
Weil es so
aktuell ist und meine (und eure) SPD auf dem besten Weg ist, einen weiteren
Riesenschritt in Richtung politische
Bedeutungslosigkeit zu gehen, muss ich TTIP und CETA ansprechen. Im Umgang mit
diesen Abkommen wird derzeit eklatant gegen Informations- und Beteiligungsbedürfnisse
der Partei- und sonstigen Öffentlichkeit verstoßen. Völlig unnötig setzt die Parteispitze sich
dem Vorwurf der Arroganz und Oberflächlichkeit aus.
Euch ist der
Appell von unserem Genossen Hans-Georg Tillmann bekannt. Ich muss nicht daraus
zitieren. Ich kann ihm in vieler Hinsicht sehr gut folgen.
Wenn ihr schon
hinsichtlich der Zukunftsauswirkungen von TTIP und CETA anderer Meinung seid
als tausende eurer WählerInnen und GenossInnen, warum erweckt ihr dann auch
noch den Eindruck, schnell etwas durchwinken zu wollen, bevor der Druck aus
Öffentlichkeit und Partei zu groß wird?
Derartiges
Verhalten stinkt nach Unredlichkeit selbst, wenn es nicht an dem ist!
Das mögen weder
wir Genossinnen und Genossen in den Ortsvereinen noch unsere WählerInnen.
Vertrauensbildend
wäre, sofort den Zeitdruck aus den Entscheidungen herauszunehmen. Wir konnten
bislang ohne TTIP und CETA leben und würden es auch noch 12 oder mehr weitere
Monate können. Dann nutzt die Zeit, alle
Ängste und Sorgen der Bevölkerung gründlich auszuräumen. Und, wenn es euch
nicht gelingt, die Argumente eurer KritikerInnen zu widerlegen, dann, verdammt
noch mal, habt endlich mal den Mut, einen eigenen Weg zu denken und zu gehen.
Schiss vor
Stimmenverlusten?
Braucht ihr nur
zu haben, wenn ihr weiterhin den Eindruck vermittelt, fremdgesteuert, unkreativ
und bürger- bzw. wählerfern zu agieren. Ja, dann werden uns weiterhin Stimmen
verloren gehen und ich weiß nicht, wie lange ich noch dem Druck widerstehen
kann, außerhalb der SPD sozialdemokratische Grundsätze zu vertreten und zu
leben.
Liebe
Genossinnen, liebe Genossen, besinnt euch auf die Grundsätze unserer Partei .
Macht nicht nur sozialdemokratische Politik , sondern agiert auf dem Weg
dorthin auch sozialdemokratisch und nichts anderes!
Ich wünsche mir
noch einen langen weiteren gemeinsamen Weg. Aber mit "Weiter so!"
sehe ich schwarz für unsere Partei.
Jörg Petersen
OV Nordkehdingen
Unterbezirk
Stade
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