Es ist schon bald 22 Uhr und ich radle allein durch Neukölln im Herzen Berlins. Ich, das Landei aus Kehdingen, mit dem Fahrrad im Dunkeln durch engen Großstadtverkehr, in dem eigene Regeln gelten. Regeln, die ich jahrelang in der Schule vermittelt habe, haben hier keine Gültigkeit. Ich fahre die Wildenbruchstraße entlang über die Sonnenallee in Richtung Karl Marx Straße vorbei an den vielen kleinen Geschäften und Bars. Vor den Türen sitzen die Menschen, aus den Häusern schallt die Musik Anatoliens oder des Nahen Ostens. Ein Gerüchemix von Speisen aller Herren Länder wabbert über die Straße.
„Ein
bisschen, wie im Urlaub“, geht es mir durch den Kopf, nur würde ich da niemals
nachts mit dem Fahrrad durch die Straßen fahren. Und allein schon gar nicht.
Ich bin an
der Karl Marx Straße. Jetzt sind es nur noch 300 Meter bis zur Passage „Oper
von Neukölln“, in der sich das Kino befindet, in das ich will. Die Ampel zeigt
rot. Radfahrer mit und ohne Licht fahren links und rechts an mir vorbei. Kurz
bevor die Ampel umspringt, viel zu spät
aus Neuköllner Sicht, erliege ich dem Gruppenzwang und trete in die Pedale,
kreuze die Fahrbahn und fahre auf dem Fußweg entgegen der Fahrtrichtung zur
Passage.
Noch immer
etwas erstaunt, dass ich ohne Beschimpfungen und Beinahcrashs die letzten 300
Meter hinter mich gebracht habe, schließe ich mein Fahrrad an einen der
Stahlbügel an.
Lenas Worte gehen mir durch den Kopf.
„Entweder es
steht da noch, wenn du aus dem Kino kommst, oder es ist weg. Dein Schloss ist
für die Fahrraddiebe hier kein echtes Hindernis. Deine einzige Chance ist, dass
keiner scharf auf dein uncooles Rad ist.“
Ich freue
mich ausnahmsweise einmal darüber etwas „Uncooles“ zu besitzen und verlasse
mein Fahrrad mit dem innigen Wunsch, dass es nicht Begehrlichkeiten weckt bei jemandem, der es cool findet, etwas Uncooles
zu besitzen.
Im Innenhof
der Passage sind alle Tische und Bänke vor der Kneipe „Hofperle“ besetzt. Hundert und mehr Stimmen erzeugen
zwischen den schallreflektierenden Häuserwänden ein Geräusch, wie das Rauschen
des Verkehrs an einer vielbefahrenen Straße. Ich ertappe mich dabei wie ich
mich umdrehe, um nach den anderen zu schauen. Da ist aber niemand, weil ich
mich allein auf den Weg gemacht hatte. Ich bin 20 Minuten zu früh, hatte den
Weg von früheren Fußmärschen viel länger in Erinnerung. Ich gehe in das leere Foyer,
das ich zwei Tage zuvor voller Menschen erlebt hatte, und steure den
Ticketschalter an.
„Einmal „Ein
ziemlich kleiner Freund“ und eine Cola bitte!“
„Macht 8 €
und „Zwofuffzich“ für de Cola. Is Kino 3 die Treppe runter im Keller. In 10
Minuten könn´ se rein.“
Ich nehme
meine „Fritzcola“ und begebe mich wieder in den Innenhof. Hier scheint es nur
fröhliche Menschen zu geben, die den lauen Abend gemeinsam genießen. Ich komme
mir mit meiner Cola in der Hand irgendwie deplatziert und etwas ausgeschlossen vor. War vielleicht
doch nicht so eine gute Idee alleine in die Nachtvorstellung zu gehen. Ich
bewege mich aus der Passage raus und finde mich vor einem Laden eines
Jobcenters wieder. Im Fenster hängen interessante Angebote, die ich ohne Brille
mehr rate als dass ich sie lese.
Noch 15
Minuten bis zum Beginn der Vorstellung.
Ich bummle
zurück vorbei an den vielen fröhlich schnatternden Menschen ins leere Foyer.
Hier setze ich mich auf einen Platz mit Blick auf den Eingang und die Kasse.
Hin und wieder verkauft der Mann noch ein Ticket.
Eine
Vorstellung muss gerade zuende gegangen sein. Für kurze Zeit Gedränge an der
Ausgangstür und dann herrscht wieder Stille. Die Stimme des Ticketverkäufers erschrickt
mich.
„Se könn´
nun runterjehn.“
Ich bleibe
noch. Lieber hier sitzen als im abgedunkelten Kinosaal.
22.12 Uhr,
also 3 Minuten vor Beginn, betrete ich das Kino 3 im Keller. Es ist ein eher
kleiner Saal, der noch nicht sehr gefüllt ist. Genau genommen sitzt da nur eine
junge Frau, die ich vor einigen Minuten schon in Begleitung eines Mannes am Kartenschalter gesehen hatte. Nun
ist sie hier also alleine. Und er? In einem anderen Film?
Ich setze
mich drei Reihen hinter sie und stelle fest, dass es nicht so einfach ist, sich
für einen Platz zu entscheiden, wenn alles frei ist und niemand sich an der
Entscheidung beteiligt. Ich wähle den vorletzten Platz meiner Reihe irgendwo in
der Mitte des Saales.
Zwei
Personen nur wollen diesen so gelobten Film sehen?
Ein Mann
kommt rein, es ist der Partner der Frau vor mir. Und dann zwei Mädchen oder
besser junge Frauen. Ihnen scheint es gut zu gehen. Sie plappern angeregt und
lachen. Noch verstehe ich kein Wort. Sie lassen sich in der Reihe hinter mir in
die Sitze fallen ohne ihren Redestrom zu unterbrechen. Ein Pärchen betritt den
Raum. Nichts Ungewöhnliches an den beiden. Er
hat sein Käppi verkehrt herum aufgesetzt und beide gucken beim Gehen auf
ihr Handy. Ich spüre ein Grinsen in meinem Gesicht während ich denke, dass sie
sich wohl nicht auf der Jagd nach irgendwelchen virtuellen Monstern ins Kino
verirrt haben. Sie bewältigen die Stufe im Gang, ohne zu stolpern. Vielleicht
hilft ihnen gerade eine App auf dem Handy, die Stolperfallen rechtzeitig zu
erkennen. Vielleicht vier Reihen hinter mir finden sie ihren Platz. Ein kurzer
Blick über die Schulter und ich sehe, dass ihre Gesichter immer noch leicht von
den Displays ihrer Handys erleuchtet sind.
„Ob sie wohl
auch noch während des Filmes mit ihren Handys arbeiten?“
22.15 Uhr,
es passiert etwas auf der Leinwand. Ich bringe meinen Körper in eine
vermeintlich kinotaugliche Lage. Die Fritzcola in der halbgefüllten Flasche nimmt langsam die Temperatur meiner
Hand an.
Ich sitze
mit sechs Personen in der Nachtvorstellung im Kino 3 in der Neuköllner Oper.
„ Mehr nicht?“
geht mir durch den Kopf.
Noch nicht
ganz zuende gedacht, da huscht noch eine weitere Person in das Kino, verharrt
etwas unentschlossen im Gang und entscheidet sich dann für einen Sitz eine
Reihe vor mir. Sie sitzt nur zwei Plätze links von mir und ich kann gut ihr
Gesicht erkennen, wenn helles Licht von der Leinwand reflektiert. Eine
Afrikanerin, jung und allem Anschein nach allein.
Die Werbung
läuft. Die Frau vorne Legt ihre Füße mit Schuhen auf die Vorderreihe, ihr
Begleiter hat es sich schon auf ihrer Schulter gemütlich eingerichtet. Vom
„Käppi“ und seiner Begleiterin höre und sehe ich nichts. Sie sind
wahrscheinlich noch mit ihren Handys beschäftigt.
Die beiden
Frauen hinter mir haben sich mit Essbarem aus Rascheltüten gemütlich
eingerichtet, vier nackte Füße ruhen auf den Rückenlehnen meiner Nachbarsitze.
Sie reden und ich ertappe mich beim Zuhören. Lauter belangloses Zeug über
gemeinsame Bekannte, über ihre Mütter und so weiter. Immer begleitet von
Gekicher und Lachen. Sind echt gut drauf die beiden.
Die
Afrikanerin weiß, was sich gehört, ihre Füße sind ebenso wie meine auf dem
Boden. Ihr Blick geradeaus auf die Leinwand gerichtet. Selbst als ein sehr
witziger Vorspann des demnächst anlaufenden Filmes „Tschick“ lief,
verzieht sie keine Miene.
„Acht
Personen in einem Großstadtkino. Was die wohl bewogen hat, in diesen Film zu
gehen? Was sind das für Menschen?“
Wie ein
Ohrwurm arbeitet es in mir. Warum bin ich gerade mit diesen 7 Menschen aus der Millionenstadt
Berlin heute Abend hier im Kino?
Der Film
beginnt und er ist nett, witzig – ausgesprochen unterhaltsam wie ich es
erwartet hatte. Trotz eines harten Tages stellt sich bei mir kein
Schlafbedürfnis ein wie beim Fernsehen auf dem heimischen Sofa.
„Es liegt am
Film“, analysiere ich „und daran, dass ich mich alleine nachts auf den Weg
gemacht habe und bestimmt auch daran, dass ich die ganze Zeit daran denken
muss, warum die anderen hier sitzen.“
Die
Afrikanerin lacht nicht, wenn wir anderen lachen. Sie verzieht nicht einmal das
Gesicht. Ich ertappe mich dabei, dass bei jeder witzigen Passage mein Blick zu
ihr geht. Es rührt sich nichts in ihrem Gesicht. Versteht sie vielleicht die
Sprache nicht? Nein, dann geht man doch nicht ins Kino. Und alleine?
Ich ja auch.
Der Film
geht etwas unerwartet zuende. Das passiert mir immer wieder mit dieser Art
Filmen, sie könnten endlos weitergehen. Ich stehe als erster auf, weil ich ein
Nachspannbanause bin. Kann die schnelle Schrift so schlecht lesen. Dann bleibe
ich doch noch stehen und mir widerfährt etwas – mal wieder – als wäre ich
ferngesteuert.
Das Kino
wird hell und alle erheben sich. Da rufe ich in das Kino: „Alle bitte mal
herhören. Ich lade euch alle auf ein Getränk in die Hofperle ein.“
Die wenigen
Leute bleiben stehen. Sie sehen zu mir mit fragendem, leicht amüsiertem Blick. Sie erwarten etwas von mir,
ich muss erklären.
„Ich arbeite
an einer Studie über die Motive von Kinobesuchern, also warum sie in
Spätvorstellungen, äh.. und so.“
Der Innenhof
ist leer. Weg ist das Stimmengewirr, nur ein Tisch der Hofperle ist besetzt. Fast
alle sind mitgekommen. Das Handypärchen, das erste Paar, die jungen Frauen,
schließlich soll es ja ein Gratisgetränk geben. Nur die Afrikanerin war weg.
Aber nicht lange. Ich habe sie nicht kommen sehen, hörte plötzlich eine Stimme
hinter mir.
„Was soll´s
hab ik mir jedacht, ich bleibe noch, der Abend ist ohnehin jeloofen.“
Und dann
steht sie da, die Stimme, neben mir und es ist die Afrikanerin, die eine
waschechte Berlinerin ist. Wieder einmal bin ich Opfer eingefahrener Denkmuster geworden.
Afrikanerin!
Das mir das nun wieder passiert ist.
Während die
Runde auf ihr Getränk wartet, ist es still. Selbst die beiden jungen Frauen
sind etwas verunsichert, was hier eigentlich passiert. Es ist dann der mit dem
Käppi, der das Schweigen bricht.
„Was für
eine Untersuchung machst du da? Ist ja komisch, jeden Abend im Kino?“
Mir ist
nicht mehr wohl, ich muss aus dieser Nummer raus.
„Also, das
ist keine richtige Untersuchung.“
Und dann
habe ich erzählt von meinen Gedanken im Kino und meiner Neugierde, was gerade
uns acht hier am Tisch an diesem Abend im Kino zusammengeführt hat. Natürlich
wollten wohl alle den Film sehen, aber was gibt es noch zu wissen und dass mir
dann die Einladung so rausgerutscht ist und ich schon „Scheiße“ gedacht habe,
als ich noch im Kino zu ihnen sprach.
Mit einem
Mal reden alle, nein fast alle. Die Begleiterin des Käppis spielte weiter am
Handy. Sie hat überhaupt nicht mitbekommen, was hier in den letzten Minuten
passiert ist. Das Käppi selber hat das Handy griffbereit auf dem Tisch liegen.
Ja und die Afrikanerin, die mit ziemlicher Sicherheit eine Deutsche ist, sagt
auch nichts. Immerhin folgt sie den Gesprächen am Tisch.
„Also“, sagt
die lockige Frau, die hinter mir gesessen hatte, „ich erzähl mal, wie wir zum
Kino gekommen sind. Also meine Mutter glaubt nicht, dass ich Single bin oder
sie will es nicht glauben. Sie gibt mir heute Nachmittag Geld für zwei
Kinokarten für mich und „meinen nicht vorhandenen Freund“. Vermute mal, dass
sie über den Umweg etwas über meinen Freund erfahren will.“
Sie und ihre
Freundin lachen.
„Und dann habe ich mich bedankt und habe Carla
angerufen, ob sie mitkommt. Weil Carla noch einen Termin hatte, sind wir erst
in die Spätvorstellung. So einfach ist das.“
„Das ist
dann ja ein billiger Abend“, meint das Käppi, „und Getränke auch noch frei. Wir
waren auf der Karl Marx unterwegs und da habe ich zu ihr gesagt – eij, kannst
du mal das Handy weglegen- hab ich zu ihr gesagt lass uns mal gucken was in der
Oper läuft. Evi hat den Film gegoogelt und dann sind wir eben rein.“
„Habt ihr
denn etwas vom Film mitbekommen?“
Irritierte
Blicke auch von Evi.
„Na ja,
meine ja nur. Ihr habt doch immer mit euren Handys rumgemacht.“
„Ejh Alter,
kannst nicht texten und filmgucken zur gleichen Zeit?“
„Kann
vielleicht schon, will aber nicht.“
Ich habe das
Gefühl, dass ich für Evi von einem anderen Stern bin. Die Nichtafrikanerin
schaltet sich ein und meint, dass texten, lesen und Film ansehen doch nun echt
kein Problem sei.
„Und“, fragt
der Lockenkopf zum Paar, das noch nichts gesagt hat, „habt ihr ihm auch etwas
zu erzählen?“
„Ich heiße
übrigens Jörg, nur mal so eben.“
„Ich bin
Alex und der, mein Freund, heißt Jussuf. Willst du erzählen, Jussuf oder soll
ich?“
„Mach du
man.“
„Wir kennen
uns seit einer Woche und haben heute
Nachmittag rumgealbert, dass man doch erst hätte ins Kino gehen müssen bevor
irgendetwas anderes läuft. Da hat Jussuf gesagt
dann können wir ja heute gehen, damit auch alles stimmt bei uns. Dann
haben wir uns das Kinoprogramm von Neukölln genommen und diesen Film rausgesucht.“
„Und, hat
euch der Film gefallen?“
Sie fanden
ihn alle gut nur die Nichtafrikanerin sagte nichts.
„Wie hat dir
denn der Film gefallen?“ frage ich sie.
„Ich heiße
Conny. Ich fand den Film schon ganz schön. Es war aber irgendwie nicht mein Tag
heute. Ich habe mich darüber geärgert, dass ich alleine im Kino saß. Das hatte
ich mir anders gedacht. Mein Freund hat mich um Viertel nach zehn angerufen und
meinte, dass er nicht von der Arbeit wegkönne. Ich stand unten und hatte schon
zwei Karten. Ich wollte sie zurückgeben. Da hat der Typ gesagt, dass er nur
eine zurücknimmt, ich sei ja schließlich da.
Hab mich nur geärgert: Über meinen Freund,
über den Typen an der Kasse und dann auch noch über mich. Ich hätte gar nicht
rein gehen dürfen.“
„Ich habe
dich beobachtet. Du hast nicht einmal gelacht und ich dachte schon, dass du
kein Deutsch kannst.“ Und dann ein wenig leiser: “Dachte du wärest aus Afrika.“
Nun hat sie
erstmals herzhaft gelacht.
„Ich bin
Neuköllnerin, in der Fuldastraße aufgewachsen. Mein Vater war hier in Berlin
stationiert und er wollte nicht zurück in die Staaten und meine Mutter ist zu
ihm nach Berlin gekommen. Sie sind schon 29 Jahre deutsche Staatsbürger und ich
besitze nur die deutsche Staatsbürgerschaft. In den USA habe ich noch
Großeltern und viele Verwandte. Aber sei beruhigt, du bist nicht der einzige,
der auf meine Hautfarbe hereingefallen ist. Der Gipfel war als ein Kontrolleur
der BVG mich ansprach mit den Worten: Ich Kontrolleur du mir Fahrkarte zeigen.
Nach dem ersten Erstaunen sagte ich in meinem besten Berlinerisch. Wat, du
willst ´n Kontrolleur sein? Wo haste denn Deutsch jelernt? Kann ja kaum eener
verstehen. Er ist weitergegangen ohne dass ich meine Karte zeigen musste. So
etwas kann dir passieren als Deutsche mit der verkehrten Hautfarbe.“
Alle haben
an ihren Lippen gehangen und nun, als sie schwieg, ist es ein oder zwei
Sekunden still. Und dann fragt Carla: „Nun weißt ja alles über uns aber wir
wissen nicht warum du so alleene unterwegs bist.“
„Das kann
ich euch ganz schnell sagen. Meine Frau und ich besuchen unsere Tochter in
Alttreptow. Ich hatte von diesem Film gehört und wollte ihn unbedingt sehen und
die beiden hatten mich auch begleiten wollen. Heute waren wir auf Radtour in
der Uckermark. 70 Kilometer sind wir gefahren und waren erst um 20 Uhr wieder
zurück in Berlin. Die beiden Frauen wollten nicht mehr los, sie waren zu
kaputt. Ich hatte vorhin noch etwas auf
dem Sofa geschlafen und fühlte mich ausgeruht genug, um die Vorstellung ohne
einzuschlafen überstehen zu können. Da
bin ich dann einfach alleine los und mal ehrlich gesagt, es macht keinen Spaß
alleine ins Kino zu gehen. Der Film war aber gut, hat mir sehr gefallen.“
„Besonders
die Szenen, wie der große Hund sein Herrchen immer wieder umrannte“, warf Conni
mit strahlendem Lachen, wie es ihr während der Vorstellung nicht ein einziges
Mal gelungen war, in die Runde.
Nach dem
zweiten Getränk kommt die Bedienung an den Tisch, um uns, den nunmehr letzten
Gästen der Hofperle, mitzuteilen, dass
jetzt geschlossen würde. Der Lockenkopf schaut auf die Uhr und meint zu
Carla: „Ist Zeit für uns, woll´n wir?“
Das war das
Zeichen für den allgemeinen Aufbruch. In weniger als einer Minute löst sich
unsere Gruppe auf. Die Menschen, mit denen ich die letzten 3 Stunden verbracht
hatte, verschwinden wieder in die Anonymität, aus der sie gekommen waren.
Ich gehe
durch die fast menschenleere Passage. Dort, wo vor drei Stunden noch
dichtgedrängt ein Fahrrad neben dem anderen gestanden hat, steht nun nur noch
eines und das ist, Gott sei Dank, meines.
Ich fahre
zurück durch Neukölln. Die Stadt hat sich verändert: Die Geschäfte sind
geschlossen und nur vor einigen Kneipen sitzen noch die letzten Nachtschwärmer.
Der Verkehr ist fast zum Erliegen gekommen und ich fahre sämtliche Ampelfarben
ignorierend aber mit vorzüglicher Beleuchtung durch die Stadt, als würde ich
immer schon hier leben.
Am nächsten
Morgen werde ich gefragt, wie der Film war und wann ich wieder zu Hause war.
Erstaunte Blicke über den Frühstückstisch.
„Und warum
bist du erst so spät gekommen?“
„Ich habe
noch das ganze Kino nach der Vorstellung in die Hofperle eingeladen.“
„Kannst du
vielleicht einmal ernst sein, bitte?!“
Und dann
habe ich ihnen meine Geschichte erzählt vom Käppi und seiner Freundin, dem
Lockenkopf und Carla, Jussuf , Alex und Connie der Afrikanerin, die eine
Deutsche aus Neukölln ist.
Skeptische
Blicke.
„Das hast du
wirklich gemacht?“
„Hmm.“
Bestimmt bin
ich der erste Kinobesucher in Neukölln, der nach dem Film alle Gäste einer
Vorstellung zu einem Getränk eingeladen hat.
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