Werner Bodeit – ein Tippelbruder aus Berlin
27. Juni 2015
Ich
begegnete Werner Bodeit am 27. Juni 2015. Aus dem fahrenden Auto nahm ich ihn und
sein interessantes Gespann im letzten
Moment auf dem Parkplatz kurz vor der Abfahrt von der B 73 zum Natureum wahr. Ich brauchte noch etwa
einen Kilometer, bis mich meine Neugier zur Umkehr bewegte. Ich habe es nicht
bereut. Mit Bodeit habe ich einen freundlichen und ausgesprochen genügsamen
Menschen kennengelernt, der ausgeglichen und im Einklang mit seinen ganz
speziellen Umständen zu leben scheint.
Seit 11 Jahren auf der Straße, Sommer
und Winter, kein Zuhause!
Für die allermeisten Menschen ist das eine
Vorstellung, die einem Albtraum recht nahe kommt. Nicht so für den 52 jährigen Werner Bodeit.
Vor 11 Jahren hat er sein damaliges Zuhause in Berlin Pankow verlassen, lebt
seitdem auf der Straße und macht dabei
keinen unzufriedenen Eindruck. Im Winter
hält er sich gern im Emsland auf, „weil dort das Klima milder ist.“ Steigt die
Sonne zum Frühjahr, wandert Bodeit entlang der Küste nach Norden. Alles, was er
braucht zum Leben, zieht er auf drei zusammengekoppelten Karren hinter sich
her. Elementar sind Schlafsack, Zelt und Planen zum Schutz vor Regen, Wind und
Kälte sowie einfaches Kochgerät. Buswartehäuschen oder Schutzhütten an
Rastplätzen bieten bevorzugte Übernachtungsplätze. Bodeit berichtet von seinen
bescheidenen Unterkünften: „Die meisten Buswartehäuschen haben drei Wände. Wenn
ich die offene Seite mit einer Plane verhänge, habe ich einen geschlossenen
Raum. Im Winter bekomme ich mein Quartier mit dem Kocher ungefähr 4°C wärmer
als die Temperatur außerhalb meiner Hütte.“
Auf das ihm zustehende Tagegeld für reisende
Obdachlose verzichtet Werner Bodeit meistens. Er lebt von Zuwendungen der
Menschen, denen er auf seiner Wanderung begegnet. Dabei bettelt er nicht.
Seine freundliche Art, das seltsame Gefährt,
behängt mit skurrilen Erinnerungsstücken, aus den vielen durchreisten Dörfern
und Städten und nicht zuletzt seine vier Hunde bringen ihm immer wieder
spontane Kontakte zu seinen Mitmenschen.
Schnell öffnen sich die Herzen und nicht
selten die Portemonnaies seiner Gesprächspartner. Einsam wird Werner Bodeit
nicht auf seiner Reise ohne festes Ziel. Es gab Zeiten, in denen er mit einem
Gefährten zusammen tippelte. Die Gemeinschaft endete oft schon wieder nach kurzer
Zeit. Heute leisten ihm sein Schäferhund
Rüde, „ein von und zu“, und seine Berner Sennen Mischlingshündin mit ihren zwei
Welpen Gesellschaft. Hunde waren schon einmal sehr wichtig in Bodeits anderem
Leben, damals, als er noch Hunde für den Polizeidienst ausbildete. Heute
ersetzen sie ihm die Familie und Freunde, in der Nacht bieten sie Schutz vor
unerwünschtem Besuch und tagsüber helfen die beiden ausgewachsenen Hunde schon
einmal mit, die bepackten Karren zu ziehen.
Nie ist sicher, wo sie am Abend sein werden.
An guten Tagen schafft die Karawane bis zu 20 Kilometer, häufig sind es aber
auch nur 7 oder 10 Kilometer. In den nächsten Tagen will Werner Bodeit von
Wischhafen nach Glückstadt übersetzen. Vorher möchte er aber noch einen
„schnellen“ Abstecher nach Hemmoor machen. „Ich habe gute Erinnerungen an den
Ort, da habe ich einmal nette Leute kennengelernt“, sagt Bodeit, tritt seine
Zigarette aus, legt den Hunden ihre Leinen an und marschiert los.
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