Ich möchte
heute von Konrad erzählen. Konrad ist einer meiner Kehdinger Freunde.
Konrad und
ich waren nicht immer Freunde.
Nicht, dass
wir uns früher nicht leiden konnten. Nein, so war es nicht!
Wir kannten
uns einfach noch nicht.
Kennengelernt
haben wir uns erst über Martina, Martina Leithemeyer aus Franken. Sie hat
Konrad unten am Elbdeich in Freiburg getroffen, sich in ihn verliebt und
heimlich ein paar Fotos von ihm gemacht. Martina hielt sich gerade für eine
Woche als Gast des Kunstvereines Kehdingen in Freiburg auf. Ihre Aufgabe war
es, sich kreativ mit der Tierwelt Kehdingens auseinanderzusetzen. Auf langen
Spaziergängen in die Natur ließ sie sich inspirieren.
Und dabei
ist es eben passiert - also das mit Konrad!
Liebe auf
den ersten Blick, wenn auch durch einen Zaun und einige 30 Meter voneinander
getrennt. Am liebsten hätte sie ihn mitgenommen, was aber in ihrer aktuellen
Situation überhaupt nicht ging.
Aber einige
gute Fotos hatte sie von Konrad, von dem bis heute nicht sicher ist, wie sein
wirklicher Name lautet.
Konrad hat
ihn Martina genannt.
Einfach so,
weil sie der Meinung war, dass er irgendwie aussehen würde, als hieße er
Konrad.
Zurück in
ihrem Gastatelier hat sie sich die Fotos von Konrad auf den Bildschirm gezogen.
Fasziniert von der Ausstrahlung „ihres“ Konrads, beschloss Martina ihm einen
Platz in ihrer Ausstellung zu geben.
Warum auch
nicht?
Tierwelt
Kehdingens, passt doch!
Was ich
bislang noch nicht gesagt habe, Konrad ist ein Schaf. Genaugenommen müsste er
ein Schafbock sein, dem Namen nach zumindest.
Aber da
traue ich Martina nicht ganz.
Künstlerin
eben. Nicht die Fakten zählen, allein die Wirkung.
Und, wenn
das Schaf auch weiblich ist, aber bei ihr das Gefühl von Konrad auslöst, dann
ist es eben ein Konrad.
Und dann war
es so weit. Konrad, leicht verfremdet mit Wachs, Speiseöl und schwarzer
Schuhcreme, fand einen schönen Platz in der Nähe des Eingangs. Perfekt
ausgeleuchtet blickte er den Ausstellungsbesuchern ins Gesicht. Sehr viele
Menschen verharrten vor ihm, häufiger
als vor anderen Bildern.
Heute,
nachdem ich Konrad so gut kenne, glaube ich zu wissen, was mich und viele
andere Menschen an Konrad fasziniert: Er ist ein Schaf mit menschlichen
Gesichtszügen!
Belustigt? Arrogant? Kokettierend? Genießend? Überheblich? Besserwissend?
Ich weiß
es nicht genau.
Ich weiß aber noch genau, wie ich vor ihm stand und
überlegte, warum er mir gefällt.
Susanne trat
hinter mich.
„Gefällt er
dir auch?“
„Ja,
irgendwie schon. Aber 120 € für ein schwarzes Schaf?“
Ich
schmunzle über meinen ungeplanten Wortwitz.
„Mein
Kunstbudget ist eigentlich auch schon ausgeschöpft, gefallen tut er mir aber
schon sehr. Ich glaube bei 60 € wäre ich weich geworden.“
Wir stehen
vor Konrad und blicken in seine zusammengekniffenen Augen. Es ist nicht raus,
ob er uns so überhaupt sehen kann.
Eine Idee
breitet sich in Windeseile in meinem Kopf aus.
„Sechzig
Euro wäre OK?“
„Ja schon.
Sie lässt aber bestimmt nicht mit sich handeln.“
„Nein, das
glaube ich auch nicht. Was hältst du davon, wenn wir Konrad zusammen kaufen?
Jeder 60 €!“
„Und, wie
soll das gehen? Soll ich ihn dann immer in Freiburg besuchen kommen? Oder
willst du nach Stade kommen?“
„Nein.
Konrad zieht einmal im Jahr um. Ein halbes Jahr ist er in Stade und die zweite
Jahreshälfte in Freiburg.“
Susanne
lacht.
„Das ist ja
dann so etwas wie „Kunst Sharing“, ich glaube so etwas gibt es noch nicht.“
„Ja, Kunst
Sharing hört sich gut an. Wir machen Kunst Sharing. Konrad wird sich schon an
uns beide gewöhnen.“
Noch lachend
besiegelten wir unser gemeinsames „Start Up“ mit Handschlag.
Nun gehört
Konrad uns. Inzwischen ist er schon einige Male von Stade nach Freiburg und
wieder zurück gewandert. Trotz anfänglicher Befürchtungen meinerseits scheint
er gut mit dem Leben in zwei Haushalten zurechtzukommen.
Nun, gerade,
wie ich hier schreibe, guckt er mir von der Fensterbank aus zu.
Verschmitzt?
Verschlagen? Amüsiert? Schnippisch? Überlegen? Weise?
Vielleicht,
Konrad, vielleicht fängst du eines Tages an zu reden. Dann werde ich dich
fragen, was du damals gedacht hast, als du mir beim Schreiben deiner Geschichte
zugeschaut hast.
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