Was für ein Morgen! Die Sonne schien bereits ins
Schlafzimmer und beim langsamen Aufwachen nahm ich den morgendlichen Chor der Vögel wahr, als
würden die Singvögel direkt von meiner Bettkante aus singen. Ich stand auf, rieb
mir die Augen und marschierte zum Briefkasten, um die Zeitung zu holen. Es war
schon so warm, dass man fast die Zeitung auf der Terrasse lesen könnte.
Oh, wir hatten vergessen, das Auto in den Carport zu fahren.
Nicht
so schlimm. Ich griff mir die Zeitung und hatte das Gefühl, dass
irgendetwas anders war als sonst. Nicht das Wetter und auch nicht, dass das
Auto draußen stand. Ist ja auch egal, dachte ich, setzte den Morgenkaffee an
und begann die Zeitung zu lesen, während der Kaffee durchlief.
Nach dem
Frühstück brachte ich den Müll vor die Tür. Ich hatte das Auto im Blick. Es war
ausnahmsweise einmal schön sauber und glänzte in der Morgensonne. Irgendwie war
es anders als sonst. Bereits im Hausflur kehrte ich um, blickte auf den noch
ziemlich neuen Peugeot und dann hatte ich es:
Dem Auto
fehlten die Radkappen!
Ich eilte
auf die andere Seite und auch hier gab es keine Radkappen mehr.
Ulla war
gestern in Hamburg und das Auto stand den ganzen Tag auf dem Parkplatz am
Bahnhof in Hemmoor. Es lag auf der Hand, dass die Radkappen sich nicht zufällig
alle am gleichen Tag während der Fahrt von den Rädern gelöst hatten.
Zurück am
Frühstückstisch traf ich Ulla beim Lesen des Tageblattes an.
„Wo hast du
die Radkappen von unserem Auto gelassen?“
„Wie?
Radkappen? Ich habe nichts mit den Radkappen gemacht.“
„Das Auto
hat jedenfalls keine Radkappen mehr und du warst gestern damit in Hemmoor.“
„Hast Recht,
die Radkappen sind weg.“
„Ja, sagte
ich doch!“
„Bei dir
weiß man ja nie. Und nun?“
„Sind wohl
am Bahnhof verschwunden. Wir müssen eine Anzeige bei der Polizei machen.“
Heinz
Hagedorn nahm die Anzeige auf. Viel Hoffnung machte er mir nicht. Ich suchte
dann meine Werkstatt auf und wollte vier neue Radkappen bestellen.
„Kein
Problem!“ meinte Christian, „sind morgen da.“
„Und was
sollen sie kosten?“
Der Preis
für etwas gepressten Kunststoff erschien mir entschieden zu hoch und ich machte
meine Bestellung rückgängig.
Das Internet
sollte mir helfen, günstig an gebrauchte Radkappen zu kommen.
So einfach
war es dann doch nicht, es gab nur wenig Angebote, die passten und nur einmal
fand ich Radkappen, die nicht nur zu unserem Auto passten, sondern auch noch
den Peugeot Löwen im Zentrum eingeprägt hatten. 30 € plus Versandkosten, da
kannst du nichts zu sagen. Ich habe sie gekauft.
Später rief
ich noch einmal die Anzeige auf und las „leichte Mängel, siehe Foto“. Ich schaute
mir das Foto noch einmal an und zoomte das Bild so groß, dass ich den Mangel
gut erkennen konnte. Es handelte sich um einen Kratzer. Ich kannte solche
Kratzer. Auch unsere Radkappen hatten schon derartige Gebrauchspuren.
Dann, ein
ganz kurzer Gedanke nur.
Nein, das
konnte nicht sein, nein das wäre ein zu großer Zufall.
Wenn aber
doch?
Ich
vergrößerte den Schaden auf größte Größe.
„Ulla komm
mal bitte her. Sieh dir einmal die Kratzer hier an. Erinnerst du dich noch, als
ich dir die Schrammen auf unserer Radkappe gezeigt hatte, vor drei, vier
Wochen? Wie ich noch sagte, dass es doch
merkwürdig sei, dass die Kratzer quer zur Laufrichtung des Rades verlaufen und dass
das doch eigentlich unlogisch sei?“
„Ja, ich
weiß aber eigentlich nur noch, dass wir einen Kratzer an der vorderen Radkappe
auf der Beifahrerseite hatten.
Glaubst du
etwa, dass das unsere Radkappen sind?
Nein im
Ernst? Glaube ich nicht.“
„Ich glaube
es langsam schon. Ich habe sie gekauft aber noch nicht bezahlt. Wäre ja´n Ding,
wenn wir unsere geklauten Radkappen wiederkaufen würden. Wahrscheinlicher ist
doch, dass es sich um einen Zufall handelt mit diesem Schaden.“
Ich rief
noch einmal die E-Bay Seite mit den Radkappen auf. Schnäppchenseller war der
E-Bay Name meines Verkäufers. Bei Standort stand nur Deutschland. Ich suchte
weiter unter seinen Kontakten und Bewertungen. Seine Kunden waren durchweg
zufrieden mit ihm. Einer seiner Kontakte hatte den Namen „Hasenfleth“.
Hasenfleth
ist doch die kleine Bauernschaft zwischen Oederquart und Oberndorf. Was für ein
Zufall, dass sich ein Geschäftspartner von „Schnäppchenseller“ ausgerechnet
„Hasenfleth“ nennt. Sie schienen sich ganz gut zu kennen und manch ein
Autozubehörteil hatte in der letzten Zeit den Weg von „Schnäppchenseller“ zu „Hasenfleth“
gefunden. Ich fand eine Nachricht, die mit dem Satz endete: „Sehen uns Dienstag
in Cad.“ Die beiden schienen sich persönlich zu kennen. Cad? Cadenberge? Die
Hadeler Gemeinde Cadenberge?!
„Schnäppchenseller“
kommt aus der Gegend hier!
Dann war es
also doch nicht so ausgeschlossen, dass ich meine Radkappen gekauft habe?
Ich wollte
meinen Kauf stornieren. Schließlich hatte ich die Radkappen ja schon einmal mit
dem Rest des Autos gekauft.
Wer glaubt,
dass man einen Kauf einfach so einseitig rückgängig machen kann, irrt. Ich
musste lesen, dass bei unbegründetem Rücktritt mein Name auf eine Liste gesetzt
wird und ich zur Unperson bei Ebay werde.
Was sollte
ich tun??
Ich ging zur
Polizei und berichtete von meinem Verdacht. Heinz Hagedorn hörte sich alles
geduldig an, machte sich ein paar Notizen.
„Weiß nicht,
ob wir damit weiterkommen. Ich gebe das mal an unsere Experten weiter.
Vielleicht genügen die Verdachtsmomente, um die Identität von
„Schnäppchenseller“ von E-Bay zu bekommen.“
Ich sollte
den Kauf nicht rückgängig machen, um nicht unnötig Staub aufzuwirbeln. Erst
einmal nur die Zahlung etwas herauszögern.
Dann ging
alles ziemlich schnell. Zwei Tage später bekamen wir einen Anruf von der
Polizeiwache in Cadenberge. Wir sollten gucken kommen, ob unsere Radkappen sich
unter sichergestelltem Diebesgut befinden.
Wir machten
uns sofort auf den Weg. Die Polizeiwache sah aus wie das Verkaufslager eines
Schrotthändlers. Reifenstapel, Scheinwerfer, Nummernschilder, Kotflügel, Radios
und auch Radkappen verschiedenster Autofabrikate türmten sich im Eingang. Wir
bahnten uns einen Weg bis an den Tresen. Der Polizist schien schon leicht
genervt von dem plötzlichen Autoteilelager in seiner Wache. Wir legten ihm die
Kopie der Anzeige vor.
„Hmm,
Radkappen liegen kurz vor dem Ausgang. Wenn Sie da mal gucken möchten.“
Glück für
uns: „Schnäppchenseller“ hatte nicht nur
eine Vorliebe für Dinge, die ihm nicht gehörten. Er hatte allem Anschein nach
auch eine praktische Ader. Im Stapel befanden sich vier Radkappen mit dem Löwen
im Zentrum, in der passenden Größe und ordentlich mit einem Bändchen
zusammengebunden. So brauchten wir uns nicht alle einzeln zusammensuchen.
Wir sollten
dann nur noch den Empfang quittieren.
„Die
Kollegen haben irgendwoher einen Tipp bekommen, dass mit einem Internethändler
etwas faul sei. Hatten wohl etwas von sich im Netz wiedererkannt. Gestern haben
wir ihn dann besucht und haben einen ganzen Schuppen mit all diesen Sachen
leergeräumt. Er hatte gleich gestanden, dass alle Teile aus Diebstählen hier in
der Umgebung stammten.“
Dann setzte
er noch hinterher:
„Ja, wenn
Kommissar Zufall nicht manchmal helfen würde.“
„Den kenne
ich zufällig“, sage ich leise beim Gehen.
„Wie bitte?“
„Nichts.
Danke noch mal und Auf Wiedersehen.“
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen