Freiburg
an der Elbe
08.
Januar 2014
Jörg Petersen
Eschenhof 11
21729 Freiburg/Elbe
Liebe Frau Deutschkron,
am Montag habe ich die ARD Dokumentation „Ein blinder Held- die Liebe
des Otto Weidt“ gesehen. Eigentlich war
ich schon viel zu müde zum Schauen. Bereits nach wenigen Szenen des Filmes war
dann jegliche Müdigkeit verflogen.
Der Film hat mich völlig unabhängig davon, wie gut die von Ihnen
miterlebte Geschichte filmisch umgesetzt worden ist, sehr berührt. Das
menschenverachtende Verhalten meiner Vorfahren hat mich wieder einmal bis zu
ohnmächtiger und beklemmender Atemnot gebracht.
Ich bin 1950 geboren. Wut, Trauer und Scham waren meine Empfindungen
während der Filmbetrachtung. Ein Hoffnungsschimmer auch für zukünftige Zeiten:
Selbst in den finstersten Zeiten unserer jüngsten Geschichte hat es Menschen,
wie Otto Weidt, gegeben, die keine Scheu hatten, sich ohne Rücksicht auf
mögliche Konsequenzen für das eigene Leben, die eigene Sicherheit gegen das menschenverachtende Regime zu
stellen. Otto Weidt hat in seinem Bemühen, Menschen vor dem absehbaren Tod
durch das Mördersystem zu bewahren, ein musterhaftes Beispiel für Zivilcourage
gegeben.
Als Lehrer, und die letzten 12 Berufsjahre als verantwortlicher
Schulleiter, einer Schule bis zum 10. Jahrgang war es mir immer ein zentrales
Anliegen, Kinder zu Demokratie, Gewaltfreiheit und Toleranz zu erziehen.
Besonders im Geschichtsunterricht habe
ich immer wieder versucht eine Betroffenheit zu erzeugen über den Umweg von
Einzelschicksalen, in die sich die jungen Menschen leichter hinein denken
können, als in eine historische Abhandlung in den Lehrbüchern.
Diese Dokumentation hätte ich gerne zur Hilfe gehabt. Ich kann mir
vorstellen, dass es durch die Betrachtung und Nachbereitung dieses Filmes bestimmt
gut gelingt, Jugendlichen einen leichteren Zugang zu den unfassbaren Realitäten
zu ermöglichen.
Mich hat der Film dazu gebracht, Ihren Namen bei Google einzugeben. Bei
der Recherche stoße ich auf die Inge
Deutschkron Stiftung und lese mich fest. Ich werde der Stiftung gleich einen
kleinen Betrag überweisen. Leider nur klein, weil ich zurzeit sehr in der
Erhaltung eines örtlichen Baudenkmals engagiert bin. Später wird es vielleicht
einmal mehr.
Vor zwei Stunden telefoniere ich mit meiner wunderbaren Tochter, die in
Berlin an einer Schule unterrichtet. Ich erzähle ihr von dem Film, den sie
nicht kannte, und sagte im Nebensatz, dass ich Ihnen am liebsten einen Brief
schreiben würde.
Darauf sagte sie: „Mach´ es
doch!“
Ich möchte Ihnen meine Anerkennung aussprechen, für Ihren unermüdlichen
Einsatz gegen Gewalt und Intoleranz,
Ihren Beitrag zur Aufarbeitung unserer Geschichte. Ich bin voller Anerkennung für Ihren Mut, in
das Land zurückzukehren, dem Sie außer einer vielleicht glücklichen Kindheit
nichts Gutes zu verdanken haben. Ich möchte Ihnen für das große Vertrauen in
die Nachfahren Ihrer Peiniger danken. Reichte es doch so weit, wieder in dieses
Land zu gehen, um hier zu leben und aktiv an der Gestaltung einer Gesellschaft
mitzuwirken, in der die Menschenrechte
nicht nur in der Verfassung festgeschrieben sind, sondern in der sie auch im
ganzen Umfang gelebt und umgesetzt werden.
Liebe Frau Deutschkron, ich hoffe, dass der Brief auf diesem Wege zu
Ihnen gelangt. Ihnen wünsche ich noch
Kraft für alle Aufgaben, die sich noch vorgenommen haben. Und nun benutze ich
eine Wortwahl, die sonst keine Verwendung bei mir findet. Hier passt es eben!!
Hochachtungsvoll
Jörg Petersen
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