Oh, oh, oh
Herr Phillippsen, da haben Sie sich aber mal richtig Luft gemacht und nun komme
ich noch mit meinen Anmerkungen!
Herr Philippsen,
Sie müssen jetzt ganz, ganz stark sein! Sie fragen, ob sie denn zu schwarz sehen.
Ich meine ja, meine sogar dunkelschwarz.
Lassen Sie
mich erklären! Schon mal von selektiver Wahrnehmung gehört? Mir scheint, dass
Sie ihr zum Opfer geworden sind. Selektive Wahrnehmung? Dass Sie nun auch noch
ihren Keller oder Schuppen abschließen sollen, bestätigt doch endgültig, dass
Sie ständig von subversiven, kriminellen Elementen umgeben sind, unter vagabundierenden
Einbrechern leiden und, und, …
Nun mal wieder runterkommen und ganz ehrlich, werde ich auch
gleich sein. Also ehrlich. Weil ja immer alles schlimmer wird, möchte ich Sie
zu ihren ganz persönlichen Erfahrungen mit Kriminalität in den letzten 10
Jahren befragen. Ich höre zwischen den Zeilen, dass es vorher ja noch
erträglicher war. Und nun zu meinen Fragen, aber wirklich ehrlich antworten!
Versprochen?!
Wie oft wurden Sie seit dem 24.2.2010
- · Von subversiven, kriminellen Elementen ausgeplündert?
- · Von Einbrechern besucht?
- · Von Banden besucht, die Ihr Auto mitgenommen haben?
- · Mit dem Enkeltrick oder Ähnlichem hereingelegt?
- · Im Park von Drogendealern angehauen?
Ach so, Herr
Philippsen, bevor ich Ihnen von meiner ganz persönlichen Kriminalstatistik
berichten werde, noch ein kleiner Tipp zu vorbeugenden Maßnahmen. Höre ich doch
heraus, dass Sie kein Freund von Vorsichtsmaßnahmen sind.
Oh, oh, oh,
lassen Sie das nicht ihre Versicherung lesen. Die wird sich sicher freuen, wenn
bei Ihnen ein Schadensfall eintritt. Unverschlossene Türen werden von Ihrer
Versicherung als Einladung an die von Ihnen beschriebenen subversiven Elemente
gesehen. Man wird Ihnen wegen Ihres fahrlässigen Verhaltens nichts zahlen.
Herr
Philippsen, ich mache mir ein wenig Sorgen, ob Sie sich der Risiken bei Ihrem
sorglosen Verhalten bewusst sind? Seien Sie vorsichtig, Mann! Es gibt ja tatsächlich
Menschen, die es mit dem Eigentum ihrer Mitmenschen nicht so genau nehmen wie
Sie und ich. Gott sei Dank sind es aber nur wenige gemessen an der
Gesamtbevölkerung und sie haben nach jüngsten Zahlen aus Niedersachsen auch
noch abgenommen. Aber dahin komme ich gleich noch.
Also, bevor
ich´s vergesse, vorbeugen! Machen Sie den fehlgeleiteten Elementen in unserer
Gesellschaft keine Steilvorlagen. Sie sind doch Fußballfan, oder? Wenn nicht,
sind Sie bibelfest? Und führe mich nicht in Versuchung heißt es im Gebet.
Gemeint ist da der Herr. Für uns sollte gelten, schwächere Mitmenschen nicht
unnötig in Versuchung zu führen. Da haben wir, also Sie, ich und all die vielen
anderen Menschen, die einen sozialverträglichen Umgang mit ihren Mitmenschen pflegen,
eine gewisse Verantwortung!
Und nicht
vergessen, die Versicherung! Waren Sie überhaupt Opfer in den letzten 10
Jahren?
Also:
Schuppen, abschließen, Keller verrammeln, Fahrrad nicht unverschlossen
abstellen, Bogen machen um finstere Ecken, Geldbörse nicht auf den Pfosten des
Gartentores legen oder im Einkaufswagen spazieren fahren, Auto ruhig
abschließen, keine Wertsachen offen liegen lassen, schließen Sie Fenster und
Türen, wenn Sie das Haus verlassen. Und noch ein Tipp, nehmen Sie Ihr Passwort
aus der Geldbörse mit ihrer Kreditkarte. Und bloß keine Passwörter im Internet
weitergeben! Da gibt es nämlich auch noch Banditen in Ghana, Moskau und wer
weiß wo, die unheimlich tricky sind, um an Ihr Geld zu kommen.
Also unsere
Polizei (Staat) ist nicht ganz so untätig, wie Sie glauben. Komme ich noch hin.
Aber nicht ohne Grund mahnt sie immer wieder, potentiellen Straftätern keine
Einladungen auszusprechen. Ich und viele Menschen sind vorsichtig und das wirkt
sich in den Statistiken aus. Kommen wir noch zu!
Nun erst
einmal zu mir. Habe ja versprochen, dass ich auch ehrlich sein will. Meine
Statistik sieht nicht schlecht aus. Trotz Reisen z.T. auch in Regionen, die man
lieber meiden sollte, bin ich noch nicht beklaut worden. Stimmt nicht ganz. Vor
wenigen Tagen hat mir mein Freund Hans Henning während ich leere Gläser und
Flaschen einsammelte, mein Portmonee aus der Gesäßtasche gezogen, ohne dass ich
es bemerkte. Er wollte mir demonstrieren, dass ich es den Banditen zu leicht
machen würde. Recht hat er. Normalerweise steckt mein Portmonee nie in der
Gesäßtasche, wenn ich mich in größeren Menschenansammlungen befinde. Hans
Henning ich danke dir für diese kleine Lehrstunde!
Bei mir ist
auch noch nicht eingebrochen worden, toi, toi, toi! Ich schließe immer alle
Fenster und Türen und erwecke nicht unnötig den Eindruck, als gebe es etwas bei
mir zu holen. Die Fenster sind mit Schlössern versehen. Hat bisher
funktioniert. Ich weiß, dass das keine Garantie gibt aber ich bin vorsichtig.
Nicht anders verhalte ich mich mit dem Schuppen, Keller und Auto. Es hat auch
noch kein Enkel versucht, mich um mein Erspartes zu bringen, ich bin noch nicht
beim Spaziergang überfallen worden und die Dealer, also die Dealer von denen
Sie sich belästigt fühlen, sind hier bei mir in meinem Dorf unsichtbar. Aber
selbst, wenn ich in Kreuzberg oder Neukölln in den Grünanlagen unterwegs bin,
werde ich nicht belästigt. Irgendwie erkennen die armen Schweine, die dealen
(müssen), dass ich nicht zu ihrem typischen Kundenkreis zähle. Auto geklaut?
Fehlanzeige! Vielleicht ist es nicht das richtige Modell, zu alt oder immer am
richtigen Platz abgestellt. Und, halten Sie sich fest, ich bin 14 Tage mit dem
Auto durch Polen gereist. Nix passiert! Kein Aufbruch und mit dem eigenen Auto
wieder nach Hause gekommen!
Noch ein
Wort zu den Ausländern, haben Sie ja gar nicht so direkt angesprochen. Wir hier
begegnen unseren Neubürgern überwiegend sehr freundlich und in der Regel kommt
die Freundlichkeit von ihnen zurück. Da gibt es einige stille in sich gewandte
Menschen, die die Traumata von Krieg und Flucht und wahrscheinlich abgrundtiefes
Heimweh verarbeiten müssen. Sie bereiten mir keine Angst. Sie machen mich eher traurig.
Also
Kriminalität hier bei uns? Es gibt alle paar Jahre mal einen Betrugsfall.
Überfälle? Sind mir nicht bekannt. Autodiebstähle? Unerheblich! Andere
Diebstähle? Nichts Besonderes. Ladendiebstähle? Immer mal wieder aber nicht das
große Problem.
Vielleicht
ist das bei Ihnen ja alles anders. Ich habe von Ihnen ja noch keine Antwort auf
meine oben gestellten Fragen.
Oder Sie
nehmen vielleicht selektiv wahr. Und das könnte mit einer selektiven
Berichterstattung zusammenhängen.
Ja so ist es
wahrscheinlich! Unsere Medien überschütten uns mit Horrormeldungen über
Naturkatastrophen, Kriege, Gewaltverbrechen, etc. . Man muss schon sehr
aufmerksam sein, dass man dieser gewollten oder unbeabsichtigten Manipulation
nicht auf den Leim geht. Ich erwarte ja nicht, dass das Tageblatt berichtet,
dass nach dieser Urlaubssaison wieder mehrere Millionen Deutsche im eigenen
Auto aus dem Urlaub (sogar aus Polen) zurückgekehrt sind. Es würde uns aber allen
besser gehen, wenn wir das Gute im Menschen und Miteinander höherrangig
behandeln täten, wenn Alternativen zu Gewalt, Krieg, Umweltzerstörung, Verstöße
gegen die Menschenrechte, unmenschlichen Wohn- und Arbeitsbedingungen etc. im
Vordergrund der Berichterstattung stehen würden.
Da tut es
doch gut, wenn im Tageblatt die Kriminalitätsstatistik des Landes Niedersachsen
und des Landkreises Stade veröffentlicht werden.*
Aber, Herr
Philippsen, kommt die Botschaft dieser Nachrichten bei Ihnen an? Wollen Sie
wirklich wahrhaben, dass die Kriminalität im Wesentlichen nicht gestiegen – in vielen
Bereichen sogar gesunken ist?
Ist das so,
dann sind Sie ein Opfer selektiver Wahrnehmung geworden.
Sie fragen,
wie lange unsere Gesellschaft die von Ihnen so drastisch geschilderten
Verhältnisse noch aushalte?
Ich frage
mich, wie lange hält unsere Gesellschaft die vereinfachende und verfälschende
Interpretation von Fakten aus? Menschen, die sich in permanente
Weltuntergangsstimmung versetzen lassen, sich unnötig im Dauerangstzustand
befinden, machen sich zur leichten Beute der Heilsprediger, die nicht einlösbare
Versprechen machen. Das sind unverantwortliche Menschen, die die Werte unserer
Gesellschaft wie Rechtstaatlichkeit, Menschenrechte, Demokratie, Toleranz, Meinungs-
und Pressefreiheit, - kurz die im Grundgesetz verankerten wunderbaren
Grundrechte Artikel 1-19 für ihre Machtinteressen hemmungslos opfern würden.
Diesem Grundgesetz und den ihm zugrundeliegenden Werten haben wir es zu verdanken,
dass Deutschland sich nach zwei überwundenen Unrechtssystemen in zuvor nie
gekanntem Wohlstand, Frieden und zuvor nie gekannter Freiheit entwickeln
konnte. Übrigens verdanken wir der im Grundgesetz verankerten Meinungsfreiheit
auch, dass wir Leserbriefe veröffentlichen, selbst wenn sie nicht unbedingt der
Meinung der Herrschenden entsprechen.
Also mal
ehrlich, Herr Philippson, Sie gehören doch nicht zu denen, die sich mit
Rattenfängermethoden einlullen lassen?
Ich atme
tief durch, Herr Philippsen, und wünsche mir, dass Sie nun hinaus gehen, Ihren
Schuppen abschließen, zum Sternenhimmel schauen und zu der Erkenntnis gekommen
sind, dass doch nicht alles so schlimm ist, wie Sie noch dachten, als der
Schuppen noch unverschlossen auf die vagabundierenden Horden wartete, um sich
ausplündern zu lassen.
So, Herr
Philippson, das hört sich alles so an, als wären Sie der alleinige Adressat. Stimmt
und auch nicht! Ich möchte nicht wissen, wie viele Leser*innen Ihres Briefes
zustimmend genickt haben. Sollten die mal meine Geschichte lesen, hoffe ich,
dass sie nachdenklich werden und das hier Gelesene zustimmend abnicken.
*) Zwei Tage
nach der Presseinformation aus dem Innenministerium wurde im Tageblatt ein
Artikel über die Kriminalitätsentwicklung im Landkreis Stade veröffentlicht. In
der Tendenz entspricht sie dem Niedersachsentrend bei leichten Abweichungen
nach oben und nach unten. Man findet ihn im Tageblatt Online Archiv unter dem
15.03.2020. Hier möchte ich nur die Überschrift abdrucken.
Landkreis Stade ist laut Polizei sicher
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